„Eine PET-Flasche aus 100 Prozent Recyclingmaterial ist keine Zukunftsmusik“

Schub für die Kreislaufwirtschaft durch rweiterte Pfandpflicht ab 1. Januar 2022
(Bild: Forum PET)

Dr. Frank Welle vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV über Vorurteile gegenüber PET-Verpackungen sowie Image und Chancen dieses Verpackungsmaterials.

Der Wertstoff PET als Verpackungsmaterial ist heute beliebter denn je. Doch aufseiten der Verbraucher halten sich hartnäckig Vorurteile gegen den Kunststoff. Vor allem mehr bottle-to-bottle-Recycling sind für Frank Welle, stellvertretender Leiter der Abteilung „Produktsicherheit und Analytik“ am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, der Weg zu einem besseren Image.

Dr. Frank Welle

Dr. Frank Welle (Bild: Forum PET)

Dr. Frank Welle ist Experte im Bereich Verpackungstechnologie und beschäftigt sich insbesondere mit dem Thema Wertstoff-Recycling. Seit 1997 arbeitet er im Geschäftsbereich Verpackung am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackungen IVV. Dabei entwickelt und optimiert er Verpackungsmaterialien mit.

pj: Herr Welle, mehr als 80 Prozent aller alkoholfreien Getränke werden in Deutschland in PET-Getränkeverpackungen verkauft. Vor allem Einweg-PET steigt in der Konsumentengunst. Wie erklären Sie sich die dennoch vorhandenen Ressentiments in der Bevölkerung?

Dr. Frank Welle: Bis heute gibt es das Vorurteil, PET enthalte schädliches Bisphenol A oder Weichmacher. Das wird vor allem von werdenden Müttern stark diskutiert. Diese Bedenken entbehren aber jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Dass sich PET-Einwegflaschen weicher anfühlen, liegt einzig und allein daran, dass die Flaschenwand dünner ist. Das macht die Flaschen übrigens leichter, was gut für den Transport ist und hinsichtlich der Ökobilanz dieser Verpackungsart sogar einen Vorteil gegenüber schwereren Glasflaschen bringt.

pj: Wie fällt vor diesem Hintergrund Ihre persönliche Einschätzung von PET und dessen Entwicklung aus?

Dr. Frank Welle: PET ist sicherlich ein gutes Verpackungsmaterial. Nicht ohne Grund haben die Verbraucher in den letzten zwei Jahrzehnten in steigendem Maß Getränke in PET-Flaschen gekauft. Unbestritten ist dabei, dass der bevorzugte Griff zu PET-Einwegflaschen den Anteil der Mehrwegflaschen sinken lässt. Deshalb war und ist es wichtig, das PET-Recycling weiter zu etablieren.

pj: Wie fällt ihr Fazit dazu aus?

Dr. Frank Welle: Heute werden 98 Prozent der PET-Flaschen recycelt – 98 Prozent, das ist ein sehr hoher Wert. Man kann eigentlich nicht erwarten, dass die Verbraucher wirklich alle PET-Flaschen zu den Pfandautomaten in den Handel zurückbringen. Ein Großteil des Materials wird zu neuen PET-Flaschen weiterverarbeitet. Das wird in der Bevölkerung jedoch so nicht wahrgenommen – auch nicht, dass es zu einem überwiegenden Teil in Deutschland selbst und nicht in Fernost passiert. Einwegflaschen werden in den Medien als Teil unserer Wegwerfkultur dargestellt. Das trifft aber auf den deutschen PET-Kreislauf überhaupt nicht zu.

pj: Bei all der Kritik ist der Anstieg von PET-Getränkeverpackungen ja eigentlich verwunderlich. Warum ist das Material aus Ihrer Sicht überhaupt so erfolgreich?

Dr. Frank Welle: Das muss man aus verschiedenen Blickwinkeln sehen: Verpackungsentwickler schätzen die guten Barriereeigenschaften und die sehr niedrige Migration von Verpackungsstoffen in Getränke. Die Getränkeabfüller profitieren von der Transparenz und der Formenvielfalt des Materials. Aus Sicht der Verbraucher ist es das geringe Gewicht, die nahezu Unzerbrechlichkeit und die gute Transportierbarkeit. Und am Ende profitieren alle Gruppen auch von der guten Recyclingfähigkeit.

pj: Trotzdem hat Glas immer noch das bessere Image.

Dr. Frank Welle: Das ist richtig, aber zum Teil unbegründet. Vor allem Mehrweg-PET und in Teilen selbst Einweg-PET sind schon heute in Sachen Ökobilanz besser beziehungsweise gleichwertig zu Getränkeflaschen aus Glas. Der Vorteil von Glas liegt vielmehr in der perfekten Barriere, der guten Recycelbarkeit und der äußerst geringen Migration von Gasen. Aber eine Null-Migration gibt es auch bei Glas nicht. Das ist ein Irrglaube. Ohnehin sollte man die Glas-/PET-Diskussion nicht nur auf die Flasche beschränken. Jede Flasche hat einen Verschluss aus Metall oder Kunststoff – eben auch Glas. Am Ende zählt bei der ökologischen Beurteilung die ganze Verpackung.

pj: Fassen Sie trotzdem nur mal PET ins Auge. Wie kann PET sein Image-Problem ablegen?

Dr. Frank Welle: PET wird heute weitestgehend aus Erdöl hergestellt – wie übrigens jeder Kunststoff. Das ist in der Tat ein Manko. Umso wichtiger ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Wertstoff seitens der Unternehmen und der Verbraucher. PET aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, ist sicherlich eine Bereicherung, die Pluspunkte beim Konsumenten bringt. Da gibt es heute bereits sehr vielversprechende Lösungen sogenannter Bio-PET-Verpackungen. Ihr Anteil muss nur weiter wachsen.

pj: Wie sieht es denn mit dem Recycling generell aus?

Dr. Frank Welle: Ich sagte es ja bereits: Die Quote in Deutschland ist sehr, sehr hoch. Wir haben einen weitestgehend geschlossenen Kreislauf, der das Abfallproblem beseitigt und dem sogenannten Bottle-to-bottle-Recycling sehr zuträglich ist. Ursächlich dafür ist übrigens das Zwangspfand auf PET-Einwegflaschen. Eigentlich sollte dieses ja das Mehrwegsystem fördern. Die zurückgebrachten PET-Flaschen sind ein ideales Ausgangsmaterial für das Recycling. Das PET ist nahezu sortenrein und sehr sauber und eignet sich so hervorragend dazu, in Getränkeverpackungen neu verarbeitet zu werden. Deutschland ist hier Vorreiter.

pj: Aber es gibt sicherlich Herausforderungen für das künftige Recycling?

Dr. Frank Welle: Ja, sicherlich. Die Herausforderung liegt erst einmal bei den Recyclingunternehmen selbst. Recycler wissen wie bei jeder Recyclingart nicht, was sie morgen in der Wertstoffsammlung erwartet. Sie müssen das Eingangsmaterial überprüfen und die eigenen Prozesse ständig danach ausrichten. Durch die nahezu sortenreine Sammlung in Deutschland sind die Voraussetzungen für effiziente Recyclingprozesse hierzulande optimal. Und das bringt einen großen Vorteil für den weiteren Fortschritt beim Recycling – und so am Ende auch für den Ruf von PET bei Verbrauchern.

pj: Nämlich welchen?

Dr. Frank Welle: Recyclingbetriebe, die PET-Flaschen zu neuen Flaschen wiederverwerten, müssen eine Zulassung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA vorweisen. Bei der Begutachtung geht es um Reinigungseffizienz, den Verbraucherschutz und die Qualitätssicherung. Jeder Betrieb wird einzeln geprüft. Diese Einzelzulassung gibt es in der Form nur bei PET-Flaschen. Mittlerweile hat die EFSA rund 100 Recyclingprozesse auf unserem Kontinent begutachtet und bewertet. In nahezu allen Fällen wurden die Recyclingprozesse, die neue PET-Flaschen aus 100 Prozent Recyclingmaterial erstellen, zugelassen. Die Recycler haben offensichtlich ihre Hausaufgaben gemacht. Eine PET-Flasche aus 100 Prozent Recyclingmaterial ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits heute machbar.