Workshop Serialisierung und Fälschungssicherheit

Die Referenten des bdvi-Fachtags (v. l. n. r.): Dr. Torsten Schmidt-Bader, Geschäftsführer moveproTEC (Bad Homburg v. d. H.), Sebastian Fries, Bereichsleiter Produktmanagement KBA-Metronic GmbH (Veitshöchheim), Steve Paschky, Geschäftsführer Saralon GmbH (Chemnitz), Paulo Alexandre, CEO der Romaco Group (Karlsruhe), Wolfgang Bossert, Geschäftsführer PaperGate GmbH (Eberdingen), Sonja Bähr, Geschäftsführerin des Verpackungsnetzwerks bdvi (Berlin).
Die Referenten des bdvi-Fachtags (v. l. n. r.): Dr. Torsten Schmidt-Bader, Geschäftsführer moveproTEC (Bad Homburg v. d. H.), Sebastian Fries, Bereichsleiter Produktmanagement KBA-Metronic GmbH (Veitshöchheim), Steve Paschky, Geschäftsführer Saralon GmbH (Chemnitz), Paulo Alexandre, CEO der Romaco Group (Karlsruhe), Wolfgang Bossert, Geschäftsführer PaperGate GmbH (Eberdingen), Sonja Bähr, Geschäftsführerin des Verpackungsnetzwerks bdvi (Berlin).
Branchenübergreifende Lösungsansätze für fälschungssichere Verpackungen: Beim bdvi-Fachtag, der im April bei der Romaco-Group in Karlsruhe stattfand, diskutierten Referenten und Teilnehmer verschiedener Branchen über die Herausforderungen, die bei der Durchsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie für die Sicherheitskennzeichnung von Medikamentenverpackungen mit dem Ziel der Rückverfolgbarkeit und eines erhöhten Fälschungsschutzes eintreten werden. Die zum Jahresende in Kraft tretende EU-Richtlinie beinhaltet ein Merkmal zur Überprüfung der Echtheit der Arzneimittel und einen Originalitätsverschluss ihrer Verpackungen. Zudem werden alle rezeptpflichtigen Medikamente EU-weit seriennummernpflichtig. Die Umsetzung dieser Vorgaben beschäftigt sowohl die Arzneimittelhersteller als auch alle nachfolgenden Partner in der Kette bis zum Verbraucher. In Kooperation mit dem Verpackungsnetzwerk bdvi (Bund deutscher Verpackungsingenieure) griff Romaco die damit verbundenen Probleme auf und veranstaltete einen Fachtag zum Thema Serialisierung und Fälschungssicherheit, zu dem Teilnehmer aus den Bereichen Pharma, Chemie, Packmittel, Druck und Maschinenbau sowie aus der Automobil- und Zigarettenindustrie kamen. Vorträge hielten die Referenten Paulo Alexandre, CEO der Romaco Group (Karlsruhe), Dr. Torsten Schmidt-Bader, Geschäftsführer der moveproTEC (Bad Homburg v.d.H.), Sebastian Fries, Bereichsleiter Produktmanagement KBA-Metronic GmbH (Veitshoechheim), Wolfgang Bossert, Geschäftsführer PaperGate GmbH (Eberdingen) und Steve Paschky, Geschäftsführer Saralon GmbH (Chemnitz) unter der Moderation von Sonja Bähr, Geschäftsführerin des bdvi (Berlin).
Die weltweite Verbreitung von Arzneimittelfälschungen und deren Schwerpunkte. Bild: WHO

Die weltweite Verbreitung von Arzneimittelfälschungen und deren Schwerpunkte. Bild: WHO

Im Fokus steht das Produkt selbst

  Im Eröffnungsvortrag führte der Hausherr des bdvi-Fachtages,Paulo Alexandre aus, dass „…im Fokus die Fälschungssicherheit des Produkts selbst stehen sollte. Daher ist eine Lösung anzustreben, die die Originalität auf diesem serialisiert.“ Der Schaden gefälschter Medikamente, der sich mit rund 75 Milliarden US-Dollar jährlich beziffern lässt, ist nicht nur finanzieller, sondern auch ethischer Natur. Die Barriere für den Fälscher müsste möglichst hoch sein, die Nachprüfbarkeit jedoch möglichst einfach. Fälschungssichere Lösungen müssen innerhalb der gesamten Prozesskette optimiert werden. Daran arbeitet Romaco beispielsweise mit der Blisterlösung Noack 960, bei der die Packungen mit verschiedenen sichtbaren sowie unsichtbaren Identifikationsmerkmalen gekennzeichnet werden. Die Romaco-Group mit vier europäischen Standorten und Hauptsitz in Karlsruhe ist einer der weltweit führenden Spezialanbieter von Verfahrens- und Verpackungstechnik für die pharmazeutische Industrie und zählt zu den 50 innovativsten Unternehmen des deutschen Mittelstandes.
Mit dem Pilotprojekt secuPharm sollen durch die Vernetzung der Partner EU-weit sichere Vertriebswege ab 2018 erreicht werden.

Mit dem Pilotprojekt secuPharm sollen durch die Vernetzung der Partner EU-weit sichere Vertriebswege ab 2018 erreicht werden.

Bedeutung der Verpackungssicherheit

Schmidt-Bader erläuterte zum Thema „Fälschung oder Original? Aktueller Stand von Arzneimittelfälschungen und die Bedeutung der Verpackungssicherheit“ zunächst den Begriff „Arzneimittelfälschungen“. Gemäß WHO sind darunter falsche Angaben von Name, Zusammensetzung, Wirkstärke (gefälschte Identität) oder falsche Angaben zu Hersteller, Herkunftsland, Inhaber der Vertriebsrechte auf dem Produkt, dessen Behältnis oder sonstigen Informationen auf der Verpackung oder dem Beipackzettel (gefälschte Herkunft) zu verstehen. In Deutschland ist dies ein kriminelles Delikt. Während sich die Zahlen für gefälschte Betäubungsmittel rückläufig entwickeln, steige die der gefälschten Medikamente nach Information der Jahresstatistik 2014 der Zollverwaltung bedenklich an, erklärte der Referent. Dabei seien nicht nur Lifestyle-Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel betroffen, sondern auch Präparate gegen Krebs, HIV, Diabetes oder Malaria. Als Gründe für die Verbreitung von Fälschungen nannte er: 1.  zu schwache regulative und rechtliche Aufsicht, 2.  Mangel oder Fehlversorgung mit Basismedikamenten, 3  unkontrollierte Vertriebsketten 4.  Preisunterschiede zwischen Originalprodukten und gefälschten Arzneimitteln, 5.  ungenügende Schutz- und Urheberrechte, 6.  ungenügendes Bewusstsein für Qualitätssicherung, 7  Korruption im Gesundheitswesen. Die Auswirkungen der Fälschungen forderten nach Erhebungen der WHO 2010 bisher etwa 1 Million Tote jährlich, davon 200.000 in China. INTERPOL hat gemeinsam mit der Weltzollorganisation, Europol, der Pharmaindustrie, Internationalen Zahlungs- und Zustelldienstleistungsunternehmen, dem Zoll- und dem Bundeskriminalamt 9,6 Millionen gefälschte Medikamente sichergestellt ($ 32 Mio). Allein in Deutschland wurden in einer Aktionswoche 816 Brief- und Paketsendungen mit fragwürdigem, vermeintlich „heilsamem“ Inhalt eingezogen. Auf Initiative des Europarates wurde die Medicrime Convention gegründet, der bereits 19 EU-Staaten sowie Marokko, Guinea und Israel angehören, die das Training der Mitarbeiter übernommen hat. In den USA wurde 2013 der „Drug Quality and Security Act“ erlassen, der ab 2015 die Dokumentation der kompletten Vertriebshistorie und ab 2017 für die Hersteller die Verpflichtung zur Serialisierung beinhaltet. Für Europa ist es wichtig, in Durchsetzung der GDP-Richtlinie 2013/C 343/01 die QM-Systeme künftig auf den Umgang mit Fälschungen auszurichten. Mit dem Pilotprojekt secuPharm sollen durch die Vernetzung der Partner EU-weit sichere Vertriebswege ab 2018 erreicht werden. Fälschungssichere Verpackungen sollten eine hohe Barriere für potentielle Fälscher darstellen, jedoch für den Patienten einfach verifizierbar bleiben. Als zukunftsfähige Varianten beschrieb Schmidt-Bader Patienten-Apps (Check my MedsTM – EMD Serono im US-Markt), essbare Sensoren in Tabletten (Sensorgröße 1 mm³, wird durch Magensäfte aktiviert), die nach Einnahme ein Signal über Bluetooth senden oder essbare RFID-Chips in Kapseln (Chip ist 40 x kleiner als IEM, sendet ebenfalls Signal, ist von außen auslesbar, Kosten < 1 Cent/St).
Die Lösung von KBAMetronic setzt am Punkt der „Single Pack“- und/oder „Case“-Serialisation an.

Die Lösung von KBAMetronic setzt am Punkt der „Single Pack“- und/oder „Case“-Serialisation an.

Kennzeichnungslösungen

Sebastian Fries stellte mit dem Produkt „udaFORMAXX“ für die Offline-Codierung von Verpackungen die Firma KBA-Metronic als Spezialisten für Kennzeichnungslösungen vor. Die Track-and-Trace-Lösungen in Verbindung mit der udaFORMAXX setzen am Punkt „Single Pack“- und/oder „Case“-„Serialisation“ an und ermöglichen so eine effiziente Kennzeichnung für kleine Losgrößen, Sonderprodukte u.a., wobei die Codierung mit nahezu allen Kennzeichnungsgeräten auf die Packung aufgebracht werden kann. Eine besondere Herausforderung bleibe dabei jedoch immer, dass die Standards nicht stringent seien, weshalb KBA-Metronic großen Wert auf individuelle Projektierung lege.

Sicherheitstechnologie

Wolfgang Bossert verfolgte einen zukunftsorientierten Ansatz, indem er die gegenwärtig vom Verbraucher präferierten Megatrends wie Selbstverantwortlichkeit, intakte Umwelt, Gesundheitswissen und -versorgung zu einer Sicherheitstechnologie verband. Gedruckte Elektronik, Internet der Dinge und Industrie 4.0 ermöglichen eine Hochsicherheits-Technologie, mit der man Fälschungen durch den „elektronischen Fingerprint“ verhindern kann. Mit der patentierten I-Paper-Technologie und der APP-SURE-Software zur mobilen Produktverifikation lassen sich versteckte Sicherungsmerkmale in den milliardenfach in Smart-Phones vorhandenen Sensoren durch die ungeöffnete Packung detektieren und interaktiv überprüfen. Die Inhalte werden über die eingebettete Intelligenz in der serialisierten Verpackung gesichert, kostengünstig mit verdeckten und offenen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet und in der gesamten Logistikkette authentifizierbar gemacht. Die gedruckte Elektronik wird durch die bereits vorhandenen RFID- oder NFC-Techniken substituiert. APP-SURE bietet so dem Markeninhaber ein Optimierungsmodul und kann als zusätzliches Marketingtool sowohl vom Handel als auch vom Endverbraucher genutzt werden.

Integrierten Fälschungsschutz in Verpackungen

Saralon versteht sich als Spezialist für integrierte gedruckte Elektronik im Brand Management. Steve Paschky zeigte auf, dass das Unternehmen Lösungen für den integrierten Fälschungsschutz in Verpackungen entwickelt hat, um für den Endverbraucher die Unversehrtheit des Originalverschlusses nachprüfbar zu gestalten. Die Verpackung wird dafür mit einer vollständig gedruckten elektronischen Anwendung, bestehend aus Batterie, Sensorik, Schaltkreislauf sowie einem Display ausgestattet. Drückt der Verbraucher einen auf der Packung aufgebrachten Punkt, erscheint ein Bild im Display. Wurde der Originalverschluss bereits geöffnet, funktioniert der Schaltkreislauf nicht mehr. Die „printed electronics“ können auf verschiedene Materialien sowie in unterschiedlichen Mechanismen gedruckt werden und generieren für Verbraucher am PoS mehrere Zusatznutzen. Nach diesem Workshop zog Sonja Bähr das Fazit, dass die Umsetzung der Pharmarichtlinie vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen sehr anspruchsvoll bleibt und sich auch andere sensible Bereiche wie die Chemie- und Kosmetikbranche ähnlich wie Automobil- und Flugzeugbau sowie die Hersteller hochwertiger Luxusmarken um die Erhöhung der Sicherheit bemühen müssen und weitere Expertenrunden gefragt sein werden.