Der Blick aus Übersee: 4 Realitätschecks zum Ozeanplastik

(Bild: Marti Bug Catcher/shutterstock)

Es passiert viel in der Welt der Verpackungen. Für den nötigen Überblick kann da der Blick des Experten helfen. US-Verpackungsspezialist Tom Newmaster wirft einen Blick auf das Plastik im Great Pacific Garbage Patch und stellt sich die Frage, was die Verpackungsbranche für die nächste Generation leisten muss.

Tom Newmaster kennt sich aus mit Verpackungen. Der US-amerikanische Designer hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche und arbeitete bereits gemeinsam mit Unternehmen wie The Hershey Company, Pfizer oder Zippo. 2017 gründete er die Designagentur FORCEpkg. Für das packaging journal teilt er regelmäßig seine Gedanken über den Verpackungsmarkt.

Kinder denken in Bildern – und sind auf Veränderungen fixiert. Als die 10-jährige Everleigh, die Tochter eines Freundes, mich in ein Gespräch darüber verwickelte, was Plastik den Ozeanen antut, schenkte ich ihr meine volle Aufmerksamkeit. „Ich zeige es dir“, sagte sie. Sie rief ein TikTok-Video auf und ich sah zu, wie ein riesiger Kran Tausende und Abertausende großer Plastikbehälter und andere Abfälle auf das Deck eines Schiffes kippte. Dieser Müll, der Teil des berüchtigten Great Pacific Garbage Patch (GPGP) ist, wurde erfolgreich aus dem Meer geschöpft. Everleighs Begeisterung über die Fortschritte, die dieses Video zeigt, ist der Grund, warum sich so viele führende Marken dazu verpflichten, den Planeten von Müll zu befreien. Sie ist ihre zukünftige Kundin – oder vielleicht auch nicht.

Das Great Pacific Garbage Patch

(Grafik: Elime/shutterstock)

Als Great Pacific Garbage Patch wird ein gigantischer Teppich aus Ozeanplastik bezeichnet, der im Nordpazifik treibt und kontinuierlich wächst. Der meiste Müll stammt dabei aus Nord- und Südamerika sowie aus Ostasien. Mittlerweile nimmt der Teppich etwa die Fläche Mitteleuropas ein.

Was wir dazu wissen:

  • 92 Prozent des GPGP bestehen aus großformatigen Abfällen, die fast 1,8 Billionen Plastikteile enthalten.
  • 8 Prozent des GPGP bestehen aus Einwegplastikverpackungen, aber ein größerer Anteil wird in Flüsse geworfen, wo die Abfälle flussabwärts fließen, auseinanderbrechen und auf dem Meeresboden landen.
  • Dieses Problem wird noch dadurch verschärft, dass große Abfälle schließlich in Stücke zerfallen, die nicht größer als ein Zentimeter sind und als „Mikroplastik“ bezeichnet werden.
  • Mit der Zeit sinkt Mikroplastik auf den Meeresboden, wo es unmöglich ist, es zu entfernen. Es wird von Meeresbewohnern fälschlicherweise für Nahrung gehalten.
  • Ausrangierte Fischernetze – auch als Geisternetze bekannt – machen zusammen mit anderen Abfällen der Fischereiindustrie 46 Prozent der Masse des GPGP aus. Meereslebewesen verfangen sich oft in den Netzen.

Realitätscheck Nr. 1

Laut der National Geographic Society hätte man Stand 2018 an die 67 Schiffe gebraucht, die ein Jahr lang jeden Tag im Einsatz sind, um das GPGP von nur einem Prozent des Mülls zu befreien.

Auch wenn die Aussichten düster erscheinen, gibt es Fortschritte, die Wissenschaft und Technologie nutzen, um das GPGP zu säubern. Das Ocean-Clean-Up-Projekt gab im Oktober 2021 bekannt, dass seine experimentelle Reinigungsflotte in einem einzigen Fangvorgang mehr als 63.000 Pfund Plastikmüll erfolgreich beseitigt habe.

(Bild: The Ocean Clean-Up Project)

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse vergrößert die Organisation ihre Flotte und gibt sich zuversichtlich, dass sie alle fünf Jahre bis zu 50 Prozent des Flecks reduzieren kann, mit dem Ziel, das GPGP bis 2040 vollständig zu beseitigen. Dabei ist anzumerken, dass diese Prognosen auch die Ablagerungen miteinschließen, die über diesen Zeitraum dazukommen.

Realitätscheck Nr. 2

Laut Covestro, einem globalen Anbieter von High-Tech-Polymerwerkstoffen, haben die Infrastruktursysteme für Abfallbewirtschaftung und -sammlung mit dem dramatischen Anstieg der im Umlauf befindlichen Einwegkunststoffe nicht Schritt halten können, sodass die Kunststoffverschmutzung in den letzten Jahren vor allem in den Entwicklungsländern stark zugenommen hat.

Design könnte Abhilfe schaffen

Als Verpackungsdesigner bin ich seit langem der Meinung, dass nicht nur das GPGP selbst das Problem ist, sondern auch der Prozess, der ihn erzeugt. Mit anderen Worten: Wir sind dafür verantwortlich, die Verpackungsinnovation zu beschleunigen, um zu vermeiden, dass das GPGP noch mehr Öl ins Feuer gießt. Wir brauchen intelligentere Wege, um wiederverwendbare und biologisch abbaubare Verpackungen zu entwerfen und echte Akteure in der Kreislaufwirtschaft zu werden.

Die nächste Generation schaut genau hin

Kinder sehen nicht nur die Schildkröte in Not mit dem Strohhalm in der Nase; sie lernen auch in der Schule über die Gefahren von Plastik. Marken, die dies ernst nehmen, werden nicht nur ihre Versprechen einhalten, sondern auch ihre Anziehungskraft auf die nächste Generation verstärken und ihre Konkurrenten überflügeln. Also, wer macht es richtig?

Den Kreislauf schließen

Loop ist ein Abonnementdienst für Lebensmittel und Haushaltswaren, der von Terracycle eingeführt wurde und mittlerweile in den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Japan und Australien vertreten ist. Die Loop-Dienste werden von großen Handelsketten wie Walgreens und Kroeger angeboten. Der Dienst, dessen Konzept derzeit landesweit in den USA getestet wird, liefert Produkte in wiederverwendbaren Verpackungen, so etwa Shampooflaschen und Eiscremebehälter.

Das Mehrwegsystem Loop wird nicht nur in den USA für Gastronomiebetriebe und Supermärkte angeboten. (Bilder: Loop; Collage: packaging journal)

Sobald die Verpackungen leer sind, werden sie abgeholt, wiederbefüllt und wiederverwendet. Loop ist auch eine Partnerschaft mit Ulta Beauty, einer US-Körperpflegemarke, eingegangen, um deren Portfolio an nachhaltigen Produkten anzubieten. Wie der Name schon sagt, ist Loop ein Paradebeispiel für die entstehende Kreislaufwirtschaft.

Wiederverwendbare Produkte neu erfinden

Schauen Sie sich nur an, was Häagen-Dazs über Loop anbietet. Als Teil einer Strategie für wiederverwendbare Produkte hat die Marke einen attraktiven Edelstahlkanister entwickelt. Das Design ist ideal für eine Premiummarke. Die Behälter bieten eine neue Leinwand für den Einfallsreichtum der Verpackung.

(Bild: Nestlé)

Die Bilder und Grafiken auf dem silbernen Hintergrund erinnern an die altmodischen Metall-Lunch-Behälter. Mit einer derartigen Aufwertung hebt sich Häagen-Dazs von anderen Premium-Eiscremes ab, was in einer wettbewerbsintensiven Kategorie unerlässlich ist.

Dank dieser Verpackung macht der Eisverzehr noch mehr Spaß und ist noch leckerer. Der doppelwandige Behälter lässt das Eis oben schneller schmelzen als unten. Auf diese Weise kommt man in den Genuss eines ausgewogenen Dichtegrades. Das Eis behält seine Konsistenz, auch wenn man den Boden erreicht. Außerdem schützt der Behälter das Produkt während des Transports. Dies ist mehr als nur eine nachhaltige Verpackung: Es ist eine Verpackung, die das Verbrauchererlebnis steigert.

Die recycelbare Zahnpastatube

Nachweislich landen allein in den USA mehr als eine Milliarde Zahnpastatuben auf Mülldeponien. Zweifellos landen viele davon in den Ozeanen. Ein Grund dafür ist, dass die Verpackungen aus mehreren Schichten bestehen und daher nicht für das Recycling geeignet sind. Colgate Palmolive hat fünf Jahre lang an der Entwicklung einer neuen recycelbaren Tube aus Hart-Polyethylen (High Density Poly Ethylen/HDPE) gearbeitet, dem gleichen Kunststoff, der auch für in den USA gebräuchliche Milchflaschen verwendet wird, und verspricht, dass sie mit der derzeitigen US-Recycling-Infrastruktur kompatibel ist. Dies ist zweifellos ein Durchbruch für diese Kategorie.

Realitätscheck Nr. 3

Obwohl dies in der Tat ein großartiges Konzept ist, wissen wir, dass ein großer Teil der wiederverwertbaren Verpackungen immer noch im Abfall landet. Das liegt daran, dass unsere Recyclingindustrie (die Leute, die unseren Müll einsammeln und sortieren) dringend überholt werden muss. Woher weiß die Recyclinganlage den Unterschied zwischen dieser Tube und jeder anderen?

Zuckerrohr – nicht nur für Süßigkeiten gut

Die Verwendung von Zuckerrohr als Verpackungsmaterial erlebt gerade einen Aufschwung. Material aus der Pflanze bietet die drei wichtigsten Vorteile einer ethischen Verpackung: Es ist erneuerbar, biologisch abbaubar UND kompostierbar. Alles, was aus Zuckerrohr hergestellt wird, baut sich innerhalb von 60 bis 90 Tagen ab. Wir sehen es überall: Kaffeebecher, Utensilien, Einwegteller, To-Go-Boxen, Taschen, Deckel, Pizzakartons, Strohhalme und vieles mehr.

Wundermittel Zuckerrohr? (Bild: Yatra/shutterstock)

Unternehmen wie Good Start Packaging – ein führender Anbieter von Zuckerrohrverpackungen – sind ebenfalls eine echte Bedrohung für Styropor. Dieses Material braucht 500 Jahre, um sich abzubauen, und verbraucht 30 Prozent des Platzes auf jeder Mülldeponie. Wenn es ins Meer gelangt, zerfällt Styropor unweigerlich in Mikroplastik. Und wir alle wissen, was das für die Meeresbewohner bedeutet.

Ein Abschiedswort von Everleigh

Ich habe eingangs die Tochter meines Freundes, Everleigh, erwähnt, die sich mit ihren 10 Jahren leidenschaftlich für den Erhalt unserer Ozeane einsetzt. Was können wir also tun, um ihrer Generation zu versichern, dass sie gehört wird? Wir können damit beginnen, dass wir die Verantwortung für die Rolle übernehmen, die unsere Industrie bei der Bewältigung der Probleme spielt. Ich habe über einige der Innovationen und neuen Materialien gesprochen, die Verpackungshersteller auf den Tisch bringen. Ich habe auch darüber berichtet, was Aktivisten tun, um den GPGP zu säubern. Aber hier ist der letzte Realitätscheck.

Realitätscheck Nr. 4

Wir können die Fehler vergangener Generationen beheben, aber es braucht mehr Vorausdenken, um unsere Bemühungen um Nachhaltigkeit „nachhaltig“ zu machen.

Vier Fragen, die wir uns stellen müssen, um wirklich einen Wandel herbeizuführen:

  1. Wie können wir die Recycling-Infrastruktur verbessern, damit die abbaubare Zahnpastatube an die richtige Stelle gelangt? Laut Unilever „ist es technisch möglich, etwa 70 Prozent unseres Produktportfolios zu recyceln. Der Anteil der tatsächlich recycelten Produkte ist jedoch geringer, weil die Infrastruktur der Gemeinden nicht ausreicht.“
  2. Wie können wir sicherstellen, dass neue Materialien, ob Zuckerrohr oder innovative Kunststoffe, richtig sortiert werden und nicht im Meer landen?
  3. Wie fördern wir die Verwendung von Produkten, die wirklich in die Kreislaufwirtschaft passen, wie wiederverwendbare, kompostierbare und Post-Consumer-Kunststoffe (PCR)?
  4. Wie können wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten, um Verpackungen zu entwickeln, die die Generation Everleigh begeistern? Das beginnt damit, dass wir neue Kunststoffe vermeiden und stattdessen nur recycelte Optionen verwenden.

Als Verpackungsdesigner ist mir klar, dass dies keine kleine Aufgabe ist, aber eine notwendige, wenn man bedenkt, welchen Einfluss jede Generation auf die Art und Weise hat, wie wir unser Leben leben, Geschäfte führen und uns mit Veränderungen auseinandersetzen.

Wenn wir uns einen treuen Kundenstamm schaffen wollen, müssen wir akzeptieren, dass sich das „Wundermaterial“ Kunststoff an unsere neue Kreislaufwirtschaft anpassen muss.

Über Tom Newmaster

Tom Newmaster verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bereich CPG-Branding und Verpackungsdesign. Von 1998 bis 2016 leitete er Kreativabteilungen von und gewann Preise für The Hershey Company, Pfizer, Stoner Car Care und Zippo. Er hat neue Produkte für Fresh Solutions Network, Koch’s Turkey, Klamath Basin Fresh Organics und Wolfgang Candy eingeführt, um nur einige zu nennen. Im Jahr 2017 gründete Tom FORCEpkg und hat sich seitdem zu einer führenden Stimme in der Verpackungsbranche entwickelt und für führende Fach- und Mainstream-Wirtschaftspublikationen geschrieben.