Im Rahmen ihres European Green Deals verfolgt die EU ehrgeizige Pläne, die Nachhaltigkeit von Verpackungen zu optimieren. Das zeigt auch der Neuentwurf der Europäischen Verpackungsverordnung (PPWR), der nach der Verabschiedung von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Im Tightly Packed TV Live haben wir auf der interpack über den aktuellen Stand mit Dr. Wolfgang Trunk von der EU-Kommission gesprochen.
Wenn es nach der Europäischen Kommission geht, sollen insbesondere das Aufkommen von Verpackungsabfällen verringert, eine Kreislaufwirtschaft für Verpackungen auf kosteneffiziente Weise ausgestaltet und die Verwendung von recycelten Materialien in Verpackungen gefördert werden. Das sieht der Neuentwurf der Europäischen Verpackungsverordnung (PPWR) vor, der noch EU-Parlament und -Rat passieren muss.
„Das Thema Verpackung betrifft jeden, die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie die gesamte Wirtschaft. Alle sind damit konfrontiert, das Thema steht ganz oben auf der Tagesordnung“, sagt Dr. Wolfgang Trunk, politischer Referent bei der EU-Kommission in Brüssel und Teamleiter im Referat der Generaldirektion Umwelt. Der EU-Beamte war von Anfang an bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs dabei. „Der Ausgangspunkt war die Frage, welches Problem wollen wir lösen und warum braucht es diese neue Gesetzgebung?“ Im aktuellen Fall sei es ganz offensichtlich gewesen: „Die derzeitige Richtlinie hat ihr Ziel, den Verpackungsmüll in Europa zu reduzieren und Verpackungen nachhaltiger zu machen, nicht erreicht. Es war deshalb an der Zeit, über weitere Schritte nachzudenken, um die Situation zu verbessern.“ Es sei nicht einfach, aber ein wichtiger Aspekt gewesen, einen solchen Vorschlag gerade in Zeiten des russischen Angriffskriegs und in Zeiten hoher Inflationsraten zu machen, in denen viele auf ihre Budgets und Ausgaben achten müssen. „Wir sind jedoch überzeugt, dass eine europäische Verpackungsverordnung große wirtschaftliche Vorteile bringen wird.“
Die derzeit geltende EU-Verpackungsrichtlinie hat den Mitgliedstaaten einen großen Spielraum gegeben, wie sie ihre nationalen Systeme in diesem Rahmen entwickeln. Das habe zu unterschiedlichen Situationen innerhalb Europas geführt. „Wir haben festgestellt, dass es eine große Diskrepanz zwischen den Mitgliedstaaten gibt, was die Erreichung ihrer Ziele angeht. Außerdem ist die Industrie mit nationalen Systemen konfrontiert, die viel Geld kosten. Es bedeutet zudem einen enormen Verwaltungsaufwand, um alle verstreuten Rechtsvorschriften in den 27 Mitgliedstaaten zu bewältigen.“ Daher sei es wichtig geworden, die Regeln über eine Verordnung zu harmonisieren. „Ich nenne es einen Wechsel in der Philosophie, indem wir die Ebene der Mitgliedstaaten überwinden und mit der Verordnung auf die Produktebene gehen. Das verändert die Spielregeln, denn wir treten mit unseren Anforderungen direkt an die Wirtschaftsakteure heran. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des neuen Vorschlags.“
“Ich spreche eine große Warnung aus an alle, die jetzt erstmal abwarten wollen. Besser ist es, frühzeitig alle Strukturen aufzubauen, die es braucht – und zwar ganzheitlich. Es geht nicht nur um Rezyklateinsatz, nicht nur um Recyclingfähigkeit. Das Gesamtpaket ist wichtig.“
Sonja Bähr, Verpackungsberaterin bei Tilisco im Tightly Packed TV Live Interview auf der interpack 2023
Mit ihrer geplanten Verordnung will die EU-Kommission den gesamten Lebenszyklus im Blick haben, angefangen beim Verpackungsdesign bis zur Wiederverwertung. „Das Verpackungsdesign spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, später am Ende der Nutzung wertvolle Rohstoffe zurück in den Kreislauf zu bringen.“ Der Entwurf zum neuen PPWR enthält eine Reihe von Anforderungen und Änderungen, beispielsweise in Bezug auf den recycelten Anteil in Kunststoffverpackungen. „Wir wissen, dass Kunststoff so etwas wie unsere Achillesferse ist, denn wir haben eine zu geringe Sammel- und eine zu niedrige Recyclingquote für diese wertvollen, oft mit hohem fossilen Rohstoffeinsatz hergestellten Kunststoffverpackungen. Zudem ist häufig die Qualität des recycelten Kunststoffs von geringer Qualität, wir haben dann quasi ein Downcycling. Deshalb enthält unser neuer Vorschlag Mindestanforderungen an den recycelten Anteil von Kunststoffverpackungen. Ich bin überzeugt, dass dies wirklich etwas bewirkt, und wir sehen bereits, welchen Einfluss die Ankündigungen auf die gesamte Recycling-Wertschöpfungskette haben. Die Kunststoffabfälle einem hochwertigen Recycling zuzuführen, ist einer der wichtigsten Punkte des Gesetzesvorschlags.“
“Die PPWR wird sofort und unmittelbar gelten und muss umgesetzt werden. Da wird Druck aufgebaut und die EU ist fest entschlossen, was wir sehr begrüßen. Stichwort Einführung von Rezyklaten. Da gab es zunächst einen Riesenaufschrei, dass der Einsatz von Polyolefinen nicht im Lebensmittelkontakt möglich ist. Heute vielleicht noch nicht, aber wir müssen jetzt die Wege bereiten, um bis 2030 die Quoten erfüllen zu können.“
Sonja Bähr
Auch die Kennzeichnung harmonisiert
Der neue Vorschlag sieht auch ein harmonisiertes Kennzeichnungssystem für Verpackungen vor. Viele Unternehmen hatten sich über die unterschiedlichen nationalen Kennzeichnungsvorschriften beklagt. „Das harmonisierte System wird voraussichtlich auf Piktogrammen basieren. Man braucht also nicht einmal eine Sprache“, erläutert Trunk. „Das jeweilige Piktogramm wird dann künftig nicht nur auf der Verpackung, sondern auch auf den Sammelbehältern angebracht. Damit beenden wir endlich die Unsicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, denn sie sehen auf einen Blick, wo eine Verpackung ordnungsgemäß entsorgt werden soll.“ Mit großen Vorteilen auch für die nachgelagerte Wertschöpfungskette, denn nur mit der richtigen Sortierung in den Haushalten werden die Recyclingströme effizienter, die Qualität des Rezyklats besser und die benötigten Mengen an recyceltem Material erreicht.
Die geplante Verpackungsverordnung regelt auch die Handhabung von biologisch abbaubaren, kompostierbaren Verpackungen. „Hier gibt es momentan jede Menge Greenwashing. Mit dem neuen Gesetz überwinden wir die Grauzonen, denn künftig ist klar definiert, was in den Bioabfallstrom und was in die stoffliche Verwertung gehört.“ Auch hier sollen Piktogramme den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Orientierung geben.
“Wir leben alle zusammen in der EU und wir brauchen Regeln. Deshalb ist die geplante europäische Verpackungsverordnung der richtige Ansatz, aber jetzt muss es um die Details gehen. Der VDMA hatte mehr als 50 EU-Politiker eingeladen, um ihnen in diesem Zusammenhang die Herausforderungen und Lösungen des Maschinenbaus vorzustellen. Nicht einer ist gekommen.“
Christian Traumann, CEO von Multivac und Vorstandsmitglied im VDMA Fachverband Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen im Tightly Packed TV Live auf der interpack 2023
„Unsere politischen Entscheidungsträger haben ja 2022 verkündet, dass bis 2030 alle Verpackungen wiederverwertbar sein müssen. Wir sind uns bewusst, dass es derzeit viele Verpackungen gibt, die sehr schwer zu recyceln sind. Daher teilen wir in Zukunft Verpackungen in verschiedene Kategorien ein. Die niedrigste Kategorie wird dann komplett vom Markt verbannt. Auf diese Weise erhalten wir eine Art Ranking für jede Verpackung, nach dem sie gemäß ihrer Wiederverwertbarkeit eingestuft wird. Die am schlechtesten wiederverwertbaren Verpackungen dürfen dann nicht mehr auf den Markt gebracht werden.“ Das soll einen Anreiz schaffen, beispielsweise Verbundmaterialien in Getränkekartons so weit zu verbessern, bis die geforderte Wiederverwertbarkeit erreicht wird.
Wichtig sei auch, dass im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) die Produzenten eine Gebühr für die Sammlung und später für die End-of-Life-Behandlung zahlen müssen, die eng mit der Recyclingfähigkeit verbunden ist. „Wenn jemand ein Monomaterial auf den Markt bringt, das leicht zu recyceln ist, dann fällt die Gebühr niedriger aus als bei einer schwer recycelbaren Verpackung.“ Auf diese Weise soll die gesamte Industrie ermutigt werden, die Wiederverwertbarkeit ihrer Verpackungen weiter zu erhöhen.
“Hat die Ankündigung der PPWR für Aufruhr gesorgt? Ja, aber noch nicht stark genug. Einzelne Verbände aus dem Kunststoffbereich haben sich geäußert, aber ich vermisse den Aufschrei der anderen Verbände. Vielen ist die Reichweite dessen, was kommt, noch überhaupt nicht bewusst. Das betrifft nicht nur die verpackungsproduzierenden Unternehmen, sondern auch deren Kunden. Wir sehen teilweise Ahnungslosigkeit bis hin zu Vogel-Strauß-Politik.“
Sonja Bähr
Den Helikopterblick behalten
„Nach unseren Regeln für eine bessere Rechtsetzung haben wir alle Interessengruppen, die Nichtregierungsorganisationen, die europäischen Verbände, die nationalen Verbände und die großen Unternehmen von Anfang an in die Arbeit einbezogen. Sie waren an der Folgenabschätzung und der Ausarbeitung des Gesetzesvorschlags beteiligt, denn wir brauchen ja ihre Daten sowie eine umfassende Sichtweise, nicht nur eine Beeinflussung durch einzelne Interessengruppen. Wir müssen sozusagen den Helikopterblick behalten und versuchen, alle diese Informationen zu filtern und zu verarbeiten.“
Dem Aufruf, Feedback zum Entwurf der EU-Kommission zu geben und Änderungs- und Verbesserungswünsche mitzuteilen, kamen insgesamt 519 Interessengruppen und Verbraucherorganisationen mit konstruktiven Vorschlägen nach. „Wir haben den Entwurf mit ihrer Hilfe noch einmal verbessert und waren überwältigt von der Flut der Rückmeldungen. Jetzt ist der Kommissionsvorschlag fertig und liegt in den Händen der Mitgesetzgeber. Wir als Kommission sind nur noch Moderator, der die Verhandlungen zwischen dem Europäischen Rat und dem Parlament begleitet.“
Die Unterstützung aus der Industrie für den neuen Ansatz sei groß gewesen, meint Trunk. Industrie und Mitgliedstaaten seien sich der Bedeutung der neuen Verordnung bewusst.
“Das ist ein großer Schritt nach vorn. Und es wird sich etwas an den nationalen 2Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten ändern. In Zukunft werden sie mit ihren Marktaufsichtsbehörden diejenigen sein, die unsere neuen Regeln überwachen und dafür sorgen müssen, dass die Unternehmen alle Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. Unserer Ansicht nach ist sich die Industrie der wirtschaftlichen Vorteile und der Einsparungen bewusst, die mit der neuen Verordnung kommen werden. Wir sind noch immer offen für eine weitere Feinabstimmung. Aber die Grundlinie sollte sein, die Verordnung innerhalb dieser Legislaturperiode des jetzigen Europäischen Parlaments durchzubringen.“
Wolfgang Trunk
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