Recyclingwirtschaft schlägt Alarm – bvse mahnt Reformen an

Rezession, Anlagenstillstände, Preisdruck: Die Recyclingbranche schlägt bei der bvse-Jahrestagung Alarm. Präsident Forster fordert politische Rückendeckung – und warnt vor gefährlichen Exportbeschränkungen bei Sekundärrohstoffen. Besonders im Kunststoff- und Textilrecycling sieht der Verband akuten Handlungsbedarf.

packaging journal AUDIO - Diesen Artikel anhören:
0:00
0:00

Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche in Deutschland hat der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung auf seiner Jahrestagung in Bad Gögging deutliche Worte gefunden. Präsident Henry Forster zeichnete ein kritisches Bild: „Wir befinden uns in der längsten Rezession seit über 20 Jahren – und eine Trendwende ist nicht in Sicht.“

Die Lage sei insbesondere für die Recycling- und Sekundärrohstoffbranche angespannt, obwohl sie eine systemrelevante Rolle in der Kreislaufwirtschaft spiele. Forster betonte:„Unsere Unternehmen stellen sicher, dass die Industrie auch in schwierigen Zeiten mit hochwertigen Sekundärrohstoffen versorgt wird – das war so, das ist so, und das wird so bleiben.“

Internationale Märkte sind unverzichtbar

Besonders scharf kritisierte Forster aktuelle politische Überlegungen, den Export von Sekundärrohstoffen zu beschränken. Zwar gäbe es Stimmen in der Industrie, die eine Bevorzugung heimischer Märkte forderten – doch dies gehe an der Realität vorbei. In vielen Fällen könne die deutsche Industrie die vorhandenen Mengen gar nicht komplett abnehmen.

bvse-Präsident Henry Forster: „Die Recyclingwirtschaft ist stark, verlässlich und unverzichtbar.“ (Foto: bvse)

Der bvse-Präsident warnte vor einer gefährlichen Schieflage: „Wenn rund sechs Millionen Tonnen Altpapier jährlich in Europa keine Abnehmer finden und nicht exportiert werden dürfen, droht die thermische Verwertung – ein klarer Widerspruch zur Kreislaufwirtschaft.“

Nur mit offenen, internationalen Märkten lasse sich ein globaler Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nationale Abschottung hingegen gefährde bewährte Stoffströme und CO₂-arme Produktionsprozesse weltweit.

Energiepreise, Bürokratie und Industriesterben

Große Sorgen bereiten dem Verband die zunehmenden Stilllegungen von Anlagen in Deutschland – von Papierfabriken über Stahlwerke bis hin zu Recyclinganlagen. Forster machte klar: „Hohe Energiepreise sind Gift für die Industrie. Und Bürokratieabbau darf nicht länger bloß ein politisches Schlagwort bleiben.“

Er forderte die Bundesregierung auf, grundlegende Strukturreformen anzupacken – etwa bei Sozialabgaben und Verwaltungsprozessen. Nur so könne der industrielle Kern Deutschlands langfristig erhalten bleiben.

Rezyklateinsatz stagniert – fehlender politischer Wille

Deutlich kritisierte Forster auch die Entwicklung im Kunststoffrecycling. Trotz politischer Bekenntnisse zum Klimaschutz sei der tatsächliche Rezyklateinsatz rückläufig. Der Grund: Rezyklate kommen meist nur dann zum Einsatz, wenn sie günstiger als Neuware sind – was angesichts niedriger Ölpreise selten der Fall ist. „Es fehlt am politischen Willen, den Einsatz von Rezyklaten strategisch zu fördern“, so Forster.

Illegale Importe nicht normgerechter Rezyklate verschärften die Lage zusätzlich und gefährdeten europäische Standards. Ohne verbindliche und attraktive Rahmenbedingungen sei die Transformation zur Kreislaufwirtschaft kaum glaubwürdig umzusetzen.

Appell an die Politik – und an die eigene Branche

Zum Abschluss der Tagung richtete Forster einen Appell an Politik und Wirtschaft gleichermaßen:

„Die Recyclingwirtschaft ist stark, verlässlich und unverzichtbar. Aber es reicht nicht, auf politische Maßnahmen zu warten. Unsere Branche muss weiter anpacken, um sich in diesem schwierigen Umfeld zu behaupten.“

Bis konkrete Gesetzesvorhaben, Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen Wirkung zeigen, werde es noch dauern. Umso wichtiger sei es jetzt, den Schulterschluss zwischen Industrie, Politik und Recyclingwirtschaft zu suchen – für eine echte, funktionierende Kreislaufwirtschaft „Made in Germany“.