In Zeiten wachsender Müllberge und begrenzter Ressourcen wird die Frage nach effizienten Mehrwegsystemen immer drängender. Eine Antwort darauf könnte in einem System liegen, das bereits heute in Städten wie Aarhus oder Berlin erprobt wird – entwickelt von Tomra Reuse, einer Tochter des norwegischen Technologieunternehmens Tomra. Ihr Ziel: den Komfort von Einwegverpackungen mit der Nachhaltigkeit von Mehrweg kombinieren.
In Deutschland ist der Einsatz von Mehrwegverpackungen in der Gastronomie noch immer gering. Ein Grund: Die Nutzung von Mehrweg ist wesentlich aufwendiger als die Verwendung von Einweg. „Mehrweg darf aber nicht komplizierter sein als Einweg. Daher wollen wir der Einweglösung etwas entgegenstellen, das genauso einfach funktioniert“, erklärt Sven Hennebach, Senior Manager bei Tomra Reuse und verantwortlich für den deutschen Markt.
Das Unternehmen setzt auf automatisierte, digital vernetzte und kundenfreundliche Lösungen zur Rücknahme und Logistik von Mehrwegverpackungen. Im Fokus stehen vor allem Take-away-Verpackungen – Becher, Bowls, ja sogar Pizzakartons, für die Tomra spezielle Rücknahmeautomaten entwickelt hat –, wie sie im Rahmen eines Pilotprojekts in der dänischen Stadt Aarhus bereits im Einsatz sind.

In der dänischen Stadt Aarhus läuft seit 2024 ein Pilotprojekt mit Rücknahmeautomaten.
Einfache Rückgabe über Pfandautomaten
Während Länder wie Frankreich oder die Niederlande durch gesetzliche Verbote von Einwegverpackungen für den Vor-Ort-Verzehr einen hohen Rücklauf von Mehrweg erreichen, liegt Deutschland mit Rücklaufquoten im niedrigen einstelligen Bereich deutlich dahinter. Tomra Reuse hat deshalb kürzlich gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe ein Pilotprojekt in Berlin gestartet. In ausgewählten Rewe-Märkten in Friedrichshain-Kreuzberg stehen nun die Single-feed-Pfandautomaten Tomra T9 bereit, die sowohl Becher von Sykell (Einfach Mehrweg) als auch Recup-Mehrwegbecher annehmen.
Damit können Verbraucherinnen und Verbraucher erstmals ihre Mehrwegbecher über dieselben Automaten zurückgeben, die sie auch für ihre Pfandflaschen nutzen. Mit täglich rund zwei Millionen Einweg-Take-away-Verpackungen allein in Berlin ist der Handlungsbedarf groß. Jetzt soll das Pilotprojekt zeigen, ob eine unkomplizierte Rückgabe über Pfandautomaten den entscheidenden Unterschied macht – und als Vorbild für weitere Städte dienen kann.
„Bisher ist in Deutschland ein Netzwerk an Ausgabestellen für Mehrwegbecher auch für die Rücknahme zuständig. Das ist aber nicht der Weg, den Mehrweggebinde in der Regel nehmen, beispielsweise, wenn sie am Flughafen oder Bahnhof genutzt werden. Daher verfolgen wir einen anderen Ansatz mit der Rückgabe im Supermarkt, wo die Kundinnen und Kunden beim täglichen Einkauf auch ihre Pfandflaschen und -dosen zurückgeben.“ Sven Hennebach, Senior Manager bei Tomra Reuse
Die Logistik erfolgt über bestehende Strukturen des Einzelhandels: Rücktransport zum Zentrallager, Reinigung durch einen externen Dienstleister – ein minimaler Mehraufwand bei maximaler Effizienz.
Erfolgreiches Pilotprojekt in Aarhus
Ein 2024 in der dänischen Stadt Aarhus gestartetes Pilotprojekt macht es bereits vor: Dort stehen 27 Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum – vom Einkaufszentrum bis zur Streetfood-Zone – und sorgten bereits innerhalb des ersten Jahres für eine Rücklaufquote von 86 Prozent. Eine Zahl, die deutlich macht, was möglich ist, wenn Convenience, Technologie und Anreizsysteme zusammenspielen. „Wir haben in Aarhus innerhalb kurzer Zeit eine sehr hohe Rücklaufquote erreicht. Zum Vergleich: In deutschen Fußballstadien kommen zum Teil nur 30 Prozent der ausgegebenen Mehrwegbecher zurück – insbesondere dort, wo gebrandete Becher als Souvenir mitgenommen werden. Das ist Souvenirhandel im Mantel eines Mehrwegsystems. In anderen Stadien mit neutralen Bechern werden hingegen deutlich höhere Rücklaufquoten erreicht“, so Hennebach.
Smarter Rücknahmeautomat
Was Aarhus auszeichnet, ist die einfache Nutzerführung: Bei der Rückgabe der serialisierten Mehrwegbecher an einer der automatisierten Tomra-Sammelstellen, die speziell für Take-away-Verpackungen entwickelt wurden, prüft der Automat zunächst digital, ob der eingesetzte Becher bepfandet ist. Die Rückgabe wird dann mit einem bargeldlosen Pfandrückerstattungssystem verknüpft. Gleichzeitig sammelt das System wertvolle Nutzungsdaten: So wird jeder Becher genau nachverfolgt – eine Datenbasis, die hilft, Mehrweg intelligent zu steuern und weiterzuentwickeln.

Bei der Rückgabe der Becher über einen der öffentlich aufgestellten Automaten wird das Pfand bargeldlos erstattet.
„Unser System arbeitet quasi analog zu den Abfalleimern – statt Einweg dorthinein zu werfen, stecken die Menschen ihre Mehrwegbecher einfach in die aufgestellten Automaten. In Aarhus funktioniert das reibungslos. Mehrweg ist dort annähernd so bequem wie Einweg“, sagt Sven Hennebach. „Die Mehrwegquote liegt in Aarhus jetzt bei zwölf Prozent, ganz ohne Verbote. Viele Cafés geben nur noch Mehrweg aus, weil es ja überall Rücknahmeautomaten gibt. Wir haben außerdem im letzten Jahr erstmals neue Automaten mit einer größeren Öffnung für Mehrwegbowls aufgestellt und testen dies zunächst gemeinsam mit der Universität.“
Mehrweg als Mainstream
Die Vielseitigkeit des Systems zeigt sich auch bei öffentlichen Events: Bei einem Test auf einem Straßenfest konnten im letzten Jahr rund 100.000 Einwegbecher eingespart werden. In diesem Jahr will Tomra auf fünf solcher Events bereits eine halbe Million Becher ersetzen. In einem nächsten Schritt sollen dann gebrandete Becherlösungen getestet werden – dies könnte für große Kaffeehausketten wie Starbucks oder Espresso House interessant sein. Aber auch kleine Cafés, die weder spülen noch lagern können, profitieren von dem einfachen Rückgabesystem.

Durch das Mehrwegangebot konnten auf einem Straßenfest rund 100.000 Einwegbecher eingespart werden.
„Unser System ist für Gastronomen sehr bequem, denn für sie ändert sich nichts im Vergleich zu Einweg. Das ist ein echter Gamechanger für die Gastronomie. Aber wir müssen auch die Konsumenten viel mehr mit Mehrweg konfrontieren. Das sollte schon in der Schule anfangen – der erste Kaffee in der Oberstufe sollte selbstverständlich im Mehrwegbecher serviert werden. Aber dafür braucht es sichtbare, einfache Lösungen.“
Sven Hennebach
Die Ergebnisse aus Aarhus legen nahe, dass auch deutsche Städte, vor allem jene mit Einwegverpackungsteuer, von dem System profitieren können. „Die Städte sind jetzt am Zug, denn sie bewirtschaften im Grunde bisher Einweg über die Müllentsorgung.“ Mit den Pilotprojekten von Tomra zeichnet sich bereits ab, dass ein nutzerfreundliches Mehrwegsystem umsetzbar ist – sogar ohne gesetzliche Zwänge oder finanzielle Anreize.