
DER VERPACKUNGSVERWENDER
Produkt & Propaganda: So cool, als ob!
Nehmen wir mal die Berliner Verkehrsbetriebe. Im Prinzip so sexy wie eine Autowaschanlage an einem Feiertag. Das wissen die Damen und Herren der BVG natürlich auch, denn ihr Kerngeschäft ist nun mal, Menschen in Berlin und Umgebung in Bus und Bahn zu befördern. Räudige Stationen, miefige Waggons, übellaunige Lautsprecherdurchsagen – so weit bekannt. Jahreskarten für diesen Verein zu verhökern, gehört eher selten zu den vergnügungssteuerpflichtigen Beschäftigungen.
Wie also – und darauf will ich hinaus – verpackt man solch eine schnarchige Dienstleistung, sodass die ganze Welt diese verdammte Jahreskarte haben will? Die Werbekünstler von Jung von Matt wussten Rat: Sie nähten 2018 das Ticket für die BVG in die Zunge eines hippen Turnschuhs der Marke Adidas. Diese Sneakers bot man dann zu einem bestimmten Termin in einer limitierten Sonderedition von 500 Stück in zwei angesagten Sneakers-Läden in Berlin an – Kosten jeweils 180 Euro. Schnapper.
Der Clou an der Sache: Das Design der Sneakers mit dem Namen EQT Support 93/Berlin lehnte sich an das Muster der BVG-Sitzbezüge in Bus und Bahn an. Keine gute Nachricht für Menschen mit ästhetischer Grundausbildung. Aber natürlich funktionierte der Marketing-Gag trotzdem. Tage vor dem Termin lungerten bereits junge Menschen vor den Sneakers-Läden herum und campierten dort in der Januar-Kälte, um die potthässlichen BVG-Turnschuhe am Tag X mit nach Hause zu nehmen. Ganz Berlin sprach über den Marketing-Coup der hiesigen Verkehrsbetriebe – so quasi nebenbei wurde auch dem letzten jungen Menschen in Berlin klar, dass die BVG ein ziemlich cooler Haufen ist und das Jahresticket das It-Ding der Stunde sein dürfte.
Mission completed. Marketing brachte zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. Nur ein Beispiel gelungener Verpackungskunst von Werbern mit einem Gespür für Trends.
Auch im Tourismus sind außergewöhnliche Ideen gefragt. Die schlichte Botschaft allein: „Komm her zu uns, weil’s bei uns so schön ist!“ lockt selten neue Kunden ins Land. Das muss sich auch Schweden gedacht haben – oder besser: das schwedische Tourismusbüro. Die smarten Wikinger suchten sich mit Airbnb einen hippen Partner und annoncierten dort selbstbewusst gleich ihr ganzes Land als Angebot. Ohne Preis und ohne Endreinigung … Dazu stellte man auf Airbnb die schönsten Seiten Schwedens ins Schaufenster. Clever. Und nicht mal grob unwahr, denn wie man weiß, herrscht in Schweden das sogenannte Jedermannsrecht. Man darf überall im Land wild campen, baden und essen, sofern man keine Schäden verursacht: „Belong anywhere“ halt.
Das gilt neuerdings auch für den Donauwalzer von Johann Strauß. Anlässlich dessen 200. Geburtstags führten die Wiener Symphoniker am 31. Mai 2025 diesen Inbegriff des musikalischen Wiens im Museum für angewandte Kunst auf. So weit, so konventionell. Spaßig-spacig wird die Geschichte allerdings durch den Umstand, dass dieser Donauwalzer im Rahmen eines „Waltz into Space“-Projektes zur gleichen Zeit über die European Space Agency (ESA) ins Weltall ausgesendet wurde – Richtung Voyager 1. Ein 20,89 Milliarden Kilometer langer Trip für die Ohren.
Der Donauwalzer verfügt übrigens über genau 13.743 Noten – und genauso viele Menschen durften das berühmte Liedgut als „Space Note Ambassador“ auf die Reise ins All begleiten. Bisschen irre? Aber sicher. Was werden die Außerirdischen da draußen denken, wenn sie den Donauwalzer hören? „Lasst uns unbedingt mal nach Wien fahren?“ Ich bezweifle das.

Harald Braun ist kein Verpackungsentwickler, kein Marketingstratege, kein Recyclingprofi – er ist Verpackungsverwender. Nicht mehr und nicht weniger. Und genau das macht seine Perspektive so wertvoll: ungeschönt, direkt und voller Alltagsbeobachtungen.
In seiner Kolumne „Verpacken wir’s an“ schildert er sehr persönliche Erlebnisse mit Schachteln, Folien, Deckeln und allem, was Produkte umhüllt. Mal herrlich komisch, mal mit feinem Seitenhieb, immer aus der Sicht eines Konsumenten.
Wer Verpackung herstellt, gestaltet oder verkauft, bekommt so einen erfrischenden Blick von außen – und im besten Fall auch ein Schmunzeln.