Die Hand der künstlichen Intelligenz greift effizient durch, aber es braucht das Herz und den Geist der Designer – so beschreibt unser Gastautor Uwe Melichar, Partner Europe at touch Design und Vice President der European Brand & Packaging Design Association (epda) die Rolle von KI im Packaging Design.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem Supermarktgang. Hunderte von Verpackungen schreien um Aufmerksamkeit – Farben, Formen, Oberflächen. Doch was, wenn diese Designs nicht mehr aus wochenlanger Handarbeit stammen, sondern von einer KI generiert wurden, die über Nacht Hunderte Varianten erstellt und virtuell getestet hat? Willkommen in der neuen Realität des Packaging-Designs. Das hat die KI über sich selbst gesagt, als ich sie nach ihrer Rolle im Verpackungsdesign gefragt habe. Und zwar innerhalb von 0,5 Sekunden.
Klingt erst einmal nicht schlecht, aber Realität ist das sicher noch lange nicht. Zwar gibt es wirkstarke Werkzeuge, mutige Marken und innovative Agenturen, doch Stand heute sind es nur einzelne Prozessteile, bei denen virtuelle Assistenten oder generative Sprachmodelle helfen und unterstützen. Der voll automatisierte Verpackungsdesign- und Produktionsprozess ist aktuell nicht umfassend abbildbar.
Die Entwicklung einer Verpackung hat viele Dimensionen. Strategie, Entwurf, Formfindung, Materialauswahl und Kommunikationsdesign sorgen im Zusammenspiel dafür, dass Verpackungen Produkte schützen, differenzieren, Kunden begeistern, Funktionalitäten und Informationen liefern. Zudem sollen die eingesetzten Rohstoffe am Ende des Verpackungslebens idealerweise wieder in die Materialkreisläufe zurückgeführt werden. Ein hochkomplexes Unterfangen. Die Entwicklung läuft über die Schreibtische vieler Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette und es braucht gute Workflows und einen intensiven Austausch aller Beteiligten.
Wo liegt der Mehrwert?
An welchen Stellen ist es da überhaupt sinnvoll, die künstliche Intelligenz einzubinden? Und was ist der Deal zwischen Input und Output? Wo liegt der Mehrwert? Auch hier gibt es keine universelle Antwort. Die KI kann Bandbreite bei der Ideenfindung liefern und schürft aus Millionen bestehenden Lösungen die vermeintlich passendsten oder kombiniert Existierendes in neuer Form. Je präziser der Kontext, also das Briefing, desto besser das Ergebnis. Auf Basis einer sauberen Datenstruktur und definierter Assets entstehen nutzbare Vorschläge. Oder wie es ein ehemaliger Telefonica-Vorstand einmal gesagt hat: „Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, erhält man einen schlechten digitalen Prozess.“ Genau das trifft auch auf den Umgang mit KI zu.
Schaut man auf den Workflow, gibt es im Verpackungsdesign starke Tools zur Automatisierung. Aber Automatisierung per se braucht nicht zwingend künstliche Intelligenz. Automatisierung macht die Prozesse schnell und zuverlässig – KI bringt Intelligenz, Analyse und Kreativität hinein.
Die Softwarelösungen von Esko oder beispielsweise Dalim sorgen dafür, dass Marken und Designer den Prozess im Griff haben, Artwork-Management-Partner wie LSD, Froq, BrandPort oder Linked2Brands kümmern sich um effiziente Design-to-Print-Abläufe. Künstliche Intelligenz prüft, beschleunigt und optimiert hier unsichtbar im Hintergrund.
Ein Leuchtturmprojekt im Umgang mit künstlicher Intelligenz ist die „M-Budget“-Eigenmarkenlinie des Schweizer Lebensmittelhändlers Migros. Verantwortlich für das Verpackungsdesign ist die Agentur Win Creating Images. Sie haben die Adaption Hunderter von SKUs stark automatisiert und generieren auf Basis strenger Markenvorgaben mithilfe von KI großartige Produktbilder, die auf den Chipstüten, Fertiggerichten und Getränkeflaschen zum Einsatz kommen. Tim Gelzleichter, Head of Digital und KI-Experte bei WIN, fordert uns auf, die digitalen KI-Maschinen in Besitz zu nehmen („Own the machine“). Was einfach klingt, ist ein umfassendes Zusammenspiel verschiedener Software- und KI-Tools. Die Ergebnisse sprechen für sich. Die Bandbreite der Bildvorschläge ist größer geworden, der Prozess ist effizienter, schneller, sicherer, läuft aber nur im Zusammenspiel von Menschen und Maschinen.
KI-Chatbot prüft Recyclingfähigkeit
Ein anderes KI-Tool findet sich auf der Packaging Innovation Platform Vault. Der KI-Chatbot ReX prüft vollautomatisch und künstlich intelligent die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, macht Vorschläge zur Optimierung der Recyclingfähigkeit. Die Möglichkeit, Muster als Bild hochzuladen, ist komfortabel. Im Chat erhält man auf Wunsch sogar eine Anleitung zur Neuentwicklung nachhaltiger Verpackungslösungen. Alles auf Basis der nationalen und internationalen Regulatorik.

Auf der Packaging Innovation Platform Vault prüft der KI-Chatbot ReX die Recyclingfähigkeit von Verpackungen. (Bild: Vault)
Der Kunstgriff hier ist, dass ReX nicht auf offene, unsichere Quellen zugreift, sondern sich die relevanten Informationen aus der riesigen proprietären Datenbank von Circpack holt. Circpack gehört zu Veolia, dem größten Recyclingunternehmen der Welt. Dort liegen gesicherte Spezifikationen vor und beinahe alle jemals entwickelten Verpackungsformen, Konstruktionen und Materialien sind schon einmal über die Sorter ihrer lokalen Recycler gelaufen. Die Interpretation der Ergebnisse für konkrete Verpackungen obliegt am Ende den Marken, Agenturen oder Industriepartnern, die sie nutzen.
Das sind zwei Beispiele aus dem großen Automations- und KI-Puzzle. Täglich entstehen weitere Lösungen und wem es gelingt, das Bild möglichst holistisch zusammenzusetzen, hat die Nase vorn.
Die künstliche Intelligenz (ChatGPT) schreibt als Fazit über sich selbst: Künstliche Intelligenz im Packaging-Design ist kein Ersatz, sondern ein Werkzeug. Ein sehr mächtiges, das Prozesse beschleunigt, Kosten spart und neue Möglichkeiten eröffnet. Aber die Magie des Designs entsteht immer dann, wenn Technik und Mensch zusammenspielen. Oder anders gesagt: KI kann Millionen Verpackungen entwerfen. Aber nur Designerinnen und Designer können eine Marke wirklich zum Leben erwecken.
Es überrascht, wie selbstkritisch und ehrlich die Aussage ist. Sicher ist, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sich KI-Prozesse nahtlos in unsere tägliche Arbeit eingliedern, aber wer jetzt nicht beginnt, sich damit auseinanderzusetzen, wird langfristig nicht wettbewerbsfähig sein.
Ich bin froh, dass ich als menschlicher Experte gefragt wurde, diesen Artikel zu schreiben und es nicht einfach der KI überlassen wurde. Denn beim Schreiben verhält es sich nicht anders als im Design: Gute Qualität entsteht mit Herz und Hand.


