In risikoreichen Umfeldern werden Betrüger ausgefallene Methoden entwickeln, um z. B. Sicherheitsetiketten von Originalverpackungen zu sammeln und diese erneut zu verwenden. Securikett arbeitet gemeinsam mit engagierten Kunden an einem systematischen Ansatz, um die Schlupflöcher in der Technologie für Manipulationsschutz zu schließen.
Dr. Marietta Ulrich-Horn, Kogeschäftsführerin der Securikett Ulrich & Horn GmbH, Wiener Neudorf (Österreich), treibt die Entwicklung des lückenlosen Manipulationsschutzes für risikoreiche Produkte und Märkte konsequent voran, um den Einsatz widerrechtlich erlangter Sicherheitsetiketten zu verhindern. In die Risikobewertung sollten sowohl das Marktumfeld als auch der Risikoaspekt eines Produkts einfließen. Im derzeit entstehenden ISO-Standard TC292 „Sicherheit und Widerstandskraft“ werden zwei Kategorien einander gegenübergestellt, um das Manipulationsrisiko eines Produkts in einem bestimmten Markt zu bewerten.
Gefahr durch Manipulationsversuche
Um eine Faltschachtel manipulationssicher zu machen, mag es ausreichen, die Laschen zuzukleben. Diese Methode verhindert weniger schwerwiegende Betrugsversuche wie z. B. das unbemerkte Entfernen eines Blisters aus der Schachtel in einem Geschäft oder Lagerraum.
Um in den Besitz von Sicherheitsetiketten zu kommen, haben Betrüger mehrere Möglichkeiten, z. B.:
- Kopieren und Nachdrucken der Sicherheitsetiketten,
- vorsichtiges Ablösen der Etiketten, ohne diese dabei zu zerstören,
- Aufweichen des Klebers durch Hitze (z. B. mit einem Föhn), um um das Ablösen zu erleichtern,
- Abschwächung des Klebers durch Tiefkühltemperaturen,
- Einweichen der Etiketten samt Schachtel in einer Flüssigkeit wie Wasser oder Lösungsmittel, um den Kleber von der Unterseite aufzuweichen. In diesem Fall kann die Faltschachtel meistens nicht wiederverwendet werden und ein Nachdruck ist erforderlich.
Ziel einer solchen Manipulation kann sein, die Inhalte aus der ursprünglichen Schachtel zu entfernen oder unbemerkt zu ersetzen. Häufiger, insbesondere wenn der Aufwand groß ist, sammeln Betrüger intakte Sicherheitsetiketten von gebrauchten Schachteln, um diese auf neu gedruckten Schachteln zu benutzen. Im Pharmabereich können gefälschte, illegal hergestellte Produkte sowohl kontaminiert oder unwirksam sein als auch andere Eigenschaften als erwartet aufweisen. Zusätzlich wird die Wahrnehmung des Markenwerts negativ beeinflusst und Haftungsansprüche können dem Rechteinhaber von Originalprodukten zusätzlich schaden. Wie aber kann man nun die Bedrohungen durch Betrüger abwehren?
Offene und versteckte Sicherheitsmerkmale
Damit Sicherheitssiegel nicht nachgeahmt und massenhaft nachproduziert werden können, sollten diese sowohl durch offene als auch durch versteckte Sicherheitsmerkmale als solche erkennbar sein. Heutzutage tragen eindeutige Identifizierungscodes, sog. Unique Identifiers, zu einer effizienten, eindeutigen Erkennung und Rückverfolgung von Einzelprodukten bei. Entsprechende Apps sind nicht nur in der Lage, die Codes zu identifizieren, sondern helfen dem Benutzer auch, das Erscheinungsbild und die offenen Sicherheitsmerkmale der Etiketten zu verstehen.
Spezielle Sicherheitstechnologien
Für die Ablöseversuche 2 bis 5 werden spezielle Sicherheitstechnologien benötigt, um Manipulationsversuche nachzuweisen. Für Produkte und Märkte, in denen die Wahrscheinlichkeit eines Betruges bzw. dessen Auswirkungen gering sind, kann ein Siegel mit einem starken Kleber in Verbindung mit Sollbruchstellen ausreichen. Dabei muss aber auf die Ausgewogenheit zwischen Sollbruchstellen und Klebkraft geachtet werden. Der herkömmliche Kartonfaserabriss ist nicht immer so sicher, wie es scheint. Wird nämlich der unbeschichtete Karton komplett aufgerissen, kann der Fälscher unbemerkt den Karton unter dem Etikett wieder zukleben.
Anstatt sich auf eine hohe, auf den Karton abgestimmte Kleb- und Bindekraft des Klebers zu verlassen, bietet die VOID-Technologie eine zuverlässige Solltrennstelle in ihren Farbschichten, was sie zu einer robusten Technologie macht. Bei jedem herkömmlichen Versuch, ein Etikett abzuziehen, bleibt auf der Schachtel ein Muster oder Schriftzug wie z. B. „VOID“ zurück.
Die durch den sog. VOID-Effekt angezeigten Muster können kundenspezifisch dem Design und der Form des Sicherheitssiegels angepasst werden z.B. mit einem Schlosssymbol oder Text. Verschiedene Farben sowie durchscheinende Etiketten, die darunter liegende Texte und Barcodes lesbar lassen, sind möglich.
Unterschiedliche VOID-Zonen
Um auch Manipulationsversuchen mittels Kältespray standzuhalten, wird die Verwendung von Klebstoffen empfohlen, die nach 24-stündiger Anwendung auch bei Minustemperaturen wirksam bleiben. Knifflig wird es, wenn Betrüger Hitze verwenden, um Etiketten abzulösen. Durch die Verwendung von hitzereaktiver Farbe, die sich bei einer Temperatur von z. B. 80 °C irreversibel verfärbt, lässt sich aber auch diese „Hitze-Lücke“ schließen.
Was ist, wenn gebrauchte Faltschachteln eingeweicht werden, um Etiketten abzulösen und zu sammeln? Vor Kurzem wurde eine neue VOID-Technologie speziell dafür entwickelt, diese „Abwaschlücke“ zu schließen. Um auch den hartnäckigsten Manipulationsangriffen standzuhalten, sollten Sicherheitsetiketten unterschiedliche VOID-Zonen aufweisen:
– aus trennbaren Farbschichten bestehende VOID-Zonen, um auf die Öffnung hinzuweisen,
– VOID-Zonen, die auf eine hitzebasierte Manipulation hinweisen,
– VOID-Zonen, die auf ein Einweichen der Etiketten samt Schachtel hinweisen.
Kommunikation mit dem Verbraucher
Wichtig ist es auch, den Verbrauchern der Produkte zu kommunizieren, welche Sicherheitsmerkmale verwendet werden. Beispiele hierfür sind Hinweise auf den Erstöffnungsschutz auf der Verpackung wie „Nicht verwenden, wenn das Erstöffnungssiegel fehlt oder beschädigt ist“. Somit weiß der Verbraucher, was vorhanden sein sollte, und kann kontrollieren, ob der Schutz auch wirklich vorhanden ist. Solche Maßnahmen zeigen dem Endverbraucher außerdem, dass es dem Hersteller ein Anliegen ist, seinen Kunden die Gewissheit geben, dass sie tatsächlich Originalware kaufen.
Wenn es darum geht, Kunden vor der zunehmenden Professionalität von Fälschern zu schützen, müssen proaktive Maßnahmen noch ausgeklügelter werden. Eine Risikoanalyse und ein solider Risikominimierungsplan führen Entscheidungsträger auf den richtigen Weg im Bereich Manipulationsschutz.