Die im internationalen Vergleich enorm hohen Stromkosten bringen viele deutsche Unternehmen an die Grenzen ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Daher braucht es – bis ausreichende Mengen erneuerbaren Stroms verfügbar sind – dringend einen zeitlich begrenzten und fairen Brückenstrompreis, fordern der Branchenverband Plastics Europe Deutschland sowie die Allianz pro Brückenstrompreis.
Die deutsche Industrie befinde sich derzeit in einer fundamentalen und umfassenden Transformation hin zu Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Unternehmen ersetzen fossile Energien wie Gas, Kohle und Öl durch Strom aus erneuerbaren Energien. Sie setzen auf den Umbau und die Elektrifizierung ihrer Produktionsanlagen. Und sie arbeiten beispielsweise in der Kunststoffindustrie an Produktdesigns und Technologien für mehr Recycling sowie für mehr Einsatz erneuerbarer Rohstoffe – Rezyklate, Biokunststoffe, CO2 – für die Kunststoffherstellung aus nicht-fossilen Quellen.
„Ziele sind eine in geopolitisch unsicheren Zeiten deutlich größere Rohstoffunabhängigkeit, ein ressourceneffizientes Wirtschaften mit höherer Wertschöpfung und entscheidende Fortschritte beim Klimaschutz. Nur mit einer erfolgreichen Transformation wird es Deutschland gelingen, diese Ziele zu erreichen und somit international wettbewerbsfähig zu bleiben sowie ein nachhaltig wirtschaftendes Industrieland zu werden.“
Dr. Ralf Düssel, Vorsitzender von Plastics Europe Deutschland
Diese Wettbewerbsfähigkeit ist ausgerechnet während der Kraftanstrengung der Transformation akut gefährdet, so der Branchenverband. Bereits vor der Invasion der Ukraine waren die Stromkosten für deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich hoch. Die seitdem erneut gestiegenen und zunehmend volatilen Stromkosten bringen viele Unternehmen – auch aus der Kunststoffindustrie – an den Rand ihrer Wettbewerbsfähigkeit: Die gestiegenen Importkosten für Erdgas und Rohstoffe führten 2022 zu einem Produktionsrückgang von knapp zehn Prozent und signifikant gestiegenen Erzeugerpreisen von über 23 Prozent. Auch 2023 wird mit einem Produktionsrückgang von zehn Prozent gerechnet.
Die Lage ist laut Dr. Ralf Düssel ernst: „Zukunftsweisende Investitionsentscheidungen werden aufgrund der Stromkosten immer häufiger gegen deutsche Standorte getroffen und die notwendigen massiven Investitionen in den Umbau hin zur klimaneutralen Kreislaufwirtschaft in einer entscheidenden Phase der Transformation ausgebremst“.
Für Ingemar Bühler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, braucht es einen „zügigen, ambitionierten und unbürokratischen Ausbau der Erneuerbaren Energien“. Die benötigten Mengen erneuerbaren Stroms sind wichtig, werden aber erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Deshalb setzt Ingemar Bühler darauf, dass „die Politik den dringenden Handlungsbedarf erkennt, um eine hochinnovative Industrie mit Hunderttausenden guter Arbeitsplätze und klarem Transformationskurs international auf Augenhöhe zu bringen. Mit einem fairen, zeitlich begrenzten Brückenstrompreis kann sie derzeit stattfindende Abwanderung von Investitionen verhindern und eine nachhaltige Wertschöpfung in Deutschland sichern“.
Auch die Allianz pro Brückenstrompreis fordert schnelles Handeln
Statt sich klar zum Industriestandort Deutschland zu bekennen und mit Siebenmeilenstiefeln in die Transformation zu starten, hat die Bundesregierung erneut wichtige Zukunftsentscheidungen vertagt. So bewerten die Mitglieder der Allianz pro Brückenstrompreis die Klausur-Ergebnisse von Meseberg. Die Allianz-Mitglieder forderten die Bundesregierung auf, zügig einen zeitlich befristeten Brückenstrompreis zu beschließen, denn Investitionsentscheidungen stünden entweder unmittelbar bevor oder unterblieben.
Die Allianz pro Brückenstrompreis ist ein Zusammenschluss aus Verbänden und Industriegewerkschaften der energieintensiven Industrien. Zusammen vertreten sie 1,1 Millionen Beschäftigte in 8.000 energieintensiven Betrieben.
„Die Kabinettsklausur hat für die Glasindustrie nicht das gewünschte Ergebnis erzielt: Der für uns so wichtige Brückenstrompreis, den wir kurzfristig brauchen, um die aktuelle Krise zu bewältigen und die Transformation schnellstmöglich voranzutreiben, wurde nicht beschlossen. Dabei ist es fünf vor 12 für die energieintensiven Grundstoffindustrien in Deutschland. Langfristige Maßnahmen sind zwar grundsätzlich begrüßenswert, wir brauchen die Unterstützung aber jetzt! Ein Brückenstrompreis würde sofortige Wirkung entfalten und den Unternehmen der Glasindustrie die Entscheidung für Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft erheblich erleichtern. Denn die Elektrifizierung von Teilprozessen bei der Glasherstellung wird eine wichtige Säule bei der Dekarbonisierung der gesamten Glasindustrie sein.“
Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Glasindustrie e.V.
Ohne einen Brückenstrompreis ab 1. Januar 2024 seien weiterhin Arbeitsplätze und ganze Standorte bedroht, so die Allianz in einer Stellungnahme. Sie kündigte an, ihre Kräfte weiter zu bündeln und den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen.
„Die Bundesregierung hat eine wichtige Chance verpasst, der deutschen Industrie eine Wachstumsperspektive und Planungssicherheit für Investitionen zu geben. Der wichtige Brückenstrompreis wurde nicht beschlossen, die Verlängerung des Spitzenausgleichs verschoben. Das beschlossene Wachstumschancengesetz wird nicht ausreichen, um die notwendigen Transformationsimpulse zu setzen.“
Winfried Schaur, Präsident Die Papierindustrie e.V.
„Die Bundesregierung darf den Alarmruf der energieintensiven Industrie nicht länger überhören. Ein Brückenstrompreis ist nicht nur wünschenswert, er ist ein absolutes Muss in dieser Krise. Die Ampel darf nicht länger tatenlos zuschauen, wie Produktionsrückgänge und Auftragseinbußen vielen Unternehmen unserer Branche die Zuversicht rauben. Um die Deindustrialisierung zu stoppen, muss sie JETZT den Glauben an den Standort wiederherstellen. Gut klingende Langfristprogramme reichen nicht. Wir brauchen Akut-Maßnahmen.“
Markus Steilemann, Präsident Verband Chemische Industrie e.V. – VCI
Quelle: Plastics Europe Deutschland / Bundesverband Glasindustrie e.V.
Märkte - Weitere Meldungen

Kunststoffrecycler fordern Zugang zum Industriestrompreis
Die Kunststoffrecyclingbranche hofft, dass die Bundesregierung den geplanten Industriestrompreis auch für sie öffnet, denn hohe Energiekosten und schwache Nachfrage setzen die Unternehmen unter Druck.

Verpackungen bremsen Recyclingfortschritte in Schottland
Zwar stieg die Recyclingquote 2024 leicht auf 44,3 %, doch ein Großteil der recycelbaren Verpackungen landet weiterhin im Restmüll.

Recyclingquoten in Europa: Deutschland liegt weiter vorn
Eurostat meldet steigende Kunststoff-Recyclingquoten in der EU – Deutschland bleibt mit 52 Prozent über dem Durchschnitt. Einige Mitgliedstaaten drohen jedoch, das EU-Ziel für 2025 klar zu verfehlen.

Kräftiges Wachstum bei Biokunststoff-Verpackungen erwartet
Der Umsatz soll bis 2034 auf 32,1 Milliarden US-Dollar steigen.

Italien verschiebt Einführung der Plastiksteuer erneut
Die ursprünglich für 2020 geplante Abgabe wird damit erst ab dem 1. Januar 2027 wirksam.

Effizienteres Recycling – wie Europas Verpackungssysteme besser funktionieren könnten
Eine neue Analyse des Think-Tanks adelphi zeigt: Vier zentrale Gestaltungsprinzipien können das Verpackungsrecycling in Europa messbar verbessern – auch kosteneffizienter. Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Weichen zu stellen.


