Die Deutsche Umwelthilfe geht juristisch gegen Lidls Vorwurf der Falschbehauptung vor. Die von Lidl erhobenen Unterlassungsansprüche seien grammatikalische Spitzfindigkeiten, die an der von der DUH geäußerten Kritik nichts änderten. Am 17. Mai hatte der Discounter die DUH wegen zwei grammatikalischen Feinheiten abgemahnt.
Noch vor einigen Wochen konnte man in Deutschland kaum von A nach B laufen oder durchs Netz surfen, ohne dabei von Günther Jauch überrascht zu werden. Der Moderator ist das Werbegesicht einer Marketingkampagne des Supermarktkonzerns Lidl, in dem auf die Vorzüge der sogenannten “Kreislaufflasche” der Kette hingewiesen wurde.
An einigen Punkten störte sich unter anderem der Verein Deutsche Umwelthilfe (DUH). Kurz nach Anlaufen der Kampagne beanstandete die DUH in einer Pressemitteilung am 26. April unter anderem, dass in der der Kampagne zugrundeliegenden Studie “Äpfel mit Birnen verglichen werden”, da das spezifische Produkt “Kreislaufflasche” mit allgemeinen, zehn Jahre alten Durchschnittswerten von Mehrwegflaschen verglichen wurde. Aus Sicht der DUH müsste ein Best-Practice-Beispiel im Einwegbereich mit einem entsprechenden Best-Practice-Beispiel im Mehrwegbereich verglichen werden. Ebenso wies der Umwelt- und Verbraucherschutzverband auf die fehlende Übertragbarkeit des Lidl-Recyclingsystems auf alle anderen Einweg-Flaschensysteme hin.
Am 3. Mai reagierte Lidl wiederum mit einer Pressemitteilung auf die Vorwürfe und warf der DUH die Verbreitung von Falschbehauptungen vor. Der Verein bekräftigte nun alle bisherigen Kritikpunkte an Lidls Einweg-Plastikflaschen als sachlich richtig und reagierte am 16. Mai mit der Aufforderung an Lidl zur Abgabe einer Unterlassungserklärung.
"Grenzt an Realitätsverweigerung"
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: “Zunehmend dünnhäutig reagiert Lidl auf unseren Faktencheck. Dabei sehen wir unsere Kritik an Lidls Einweg-Plastikflaschen sogar durch die vom Discounter vorgelegten Veröffentlichungen bestätigt. Lidl hat sich mit seinem spezifischen Einweg nachweislich nicht mit Top-Performern im Mehrwegbereich verglichen. Für die Bewertung des speziellen Lidl-Einwegsystems wurden bis zu zehn Jahre alte Mehrweg-Durchschnittsdaten herangezogen. Zudem kann der von Lidl beworbene Einsatz von 100 Prozent Recyclingmaterial im deutschen Markt systembedingt nicht für alle Marktteilnehmer erreicht werden, weil bei Recyclingprozessen bis zu fünf Prozent des Materials verloren gehen können. Dass Lidl diese Fakten als falsche Behauptungen kritisiert, grenzt an Realitätsverweigerung. Denn es handelt sich um Ergebnisse einer Ökobilanz, die der Discounter selbst beim Ifeu-Institut in Auftrag gegeben hat. Wir begrüßen die Möglichkeit, im Rahmen der von uns begonnenen rechtlichen Auseinandersetzung unsere Kritik an der Einwegplastik-Lobbyarbeit des Discounters Lidl zu untermauern.”
Trotz mehrmaliger Einladung an den Lidl-Vorstand Gerd Chrzanowski und Günther Jauch zu einem Gespräch in einem regionalen Mineralbrunnenbetrieb in Baden-Württemberg sei es nach Angaben der DUH bisher nicht gelungen, einen Termin zu finden. Die DUH sei bereit, einen dritten oder vierten Terminvorschlag zu unterbreiten, um ein Gespräch über einen „korrekten“ Vergleich der Verpackungssysteme und deren Umweltauswirkungen zu führen.
Lidl geht ebenfalls gegen Aussagen der DUH vor
Lidl reagierte noch am 16. Mai mit einer kurzen Pressemitteilung auf den juristischen Vorgang. Nach Ansicht des Konzerns versuche die DUH “die Meinungsführerschaft in der Diskussion um ökologische Getränkeverpackungen für sich zurückzuerlangen. Sie führt keine Belege an, die geeignet wären, die Aussagen der Kampagne zur Lidl Kreislaufflasche substantiell zu widerlegen.” Der Konzern beanstandet zudem, dass auf ein durch Lidl ausgesprochenes Angebot zu einem “konstruktiven, faktenbasierten Dialog über die ökologische Transformation des Getränkeverpackungsmarktes” nicht eingegangen worden sei.
Am 17. Mai dann gab Lidl bekannt, ebenfalls juristisch gegen Aussagen der DUH vorgehen und eine Abmahnung aussprechen zu wollen. Konkret gehe es um Behauptungen der DUH, dass gebrauchte PET-Einwegflaschen von anderen Unternehmen bezogen würden und dass das System von PET-Einwegflaschen mit einem hohen Recyclinganteil nicht auf andere Unternehmen übertragbar wäre.
Lidl habe dazu bereits öffentlich nachvollziehbar erklärt, dass diese Aussagen durch wissenschaftlich fundierte Fakten widerlegt seien bzw. nicht zuträfen. Ausstehend seien demgegenüber Nachweise der DUH, dass Mehrwegflaschen pauschal ökologisch besser seien als die Kreislaufflaschen und daher zu deren Lasten gefördert werden müssten.
DUH klagt vor Landgericht Berlin
Nun reagierte die DUH am 22. Mai mit einer Klage gegen den von Lidl erhobenen Vorwurf, Falschbehauptungen zu dessen Einweg-Plastikflaschen zu verbreiten. Die DUH bekräftigte die bisherigen Kritikpunkte als sachlich richtig und forderte Lidl deshalb am 16. Mai 2023 durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung dazu auf, den Vorwurf falscher Behauptungen zurückzuziehen. Da der Discounter dieser Aufforderung nicht nachkam, sah sich der Umweltverband dazu gezwungen, gerichtlich gegen Lidl vorzugehen und reichte am 22. Mai beim Landgericht Berlin Klage ein.
“Uns geht es um eine faktenbasierte Diskussion über die Umweltauswirkungen von Getränkeverpackungen, weshalb es wichtig ist, auf offenkundige Nachteile der als besonders ökologisch beworbenen sogenannten Einweg-Plastikflasche von Lidl aufmerksam zu machen. Dass Lidl von uns kommunizierte Kritikpunkte in der Öffentlichkeit als Falschbehauptungen abtut, ist nicht akzeptabel und diskreditiert unser Bemühen, Transparenz zu schaffen. Deshalb sehen wir uns zu einem rechtlichen Handeln gezwungen. Dennoch sind wir zum Dialog mit dem Discounter bereit und haben bereits mehrfach Einladungen an den Lidl-Vorstand ausgesprochen, der jedoch bislang keine Zusagen gemacht hat. Anstatt auf unser Gesprächsangebot einzugehen, hat Lidl uns wegen zweier grammatikalischer Feinheiten in unseren Veröffentlichungen abgemahnt und scheint an einem Austausch nicht interessiert zu sein. Uns geht es nicht um sprachliche Spitzfindigkeiten, sondern um Abfallvermeidung, Ressourcen- und Klimaschutz. Deshalb erneuern wir trotz der juristischen Retourkutsche des Discounters unser Angebot zu einem Dialog bei einem regionalen Mineralbrunnenbetrieb in Baden-Württemberg.”
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH
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