Die technische Unternehmensberatung Tilisco aus dem niedersächsischen Wildeshausen ist auf ganzheitliches Verpackungsmanagement und Nachhaltigkeit spezialisiert. Seit 2018 verstärkt die Wirtschaftsingenieurin Sonja Bähr das Team um Firmengründer Till Isensee.
Die ehemalige Geschäftsführerin von dvi und bdvi war sich zu Beginn nicht sicher, ob Beratung überhaupt das Richtige für sie ist. Jetzt steckt sie tief in der Thematik und schwört auf ihr Netzwerk, das sie in über 30 Jahren in der Verpackungsbranche aufgebaut hat. „Mein beruflicher Werdegang ist nie gradlinig verlaufen. Ursprünglich wollte ich ein Studium an der TU Berlin als ‚Brauer/-in und Mälzer/-in‘ anfangen, habe dann aber an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) ein Studium der Lebensmitteltechnologie begonnen. Im gleichen Fachbereich war auch die Verpackungstechnik angesiedelt, die ich so spannend fand, dass ich das Fach gewechselt habe“, sagt Sonja Bähr. Im Anschluss studierte die gebürtige Berlinerin Wirtschaftsingenieurwesen – und schloss mit einer Diplomarbeit zum Thema Verpackung ab. Es folgte der erste Job bei Berolina Kunststoffe, einem Hersteller von Lager- und Transportbehältern, bzw. bei der holländischen Wavin Trepak, die das Unternehmen aus der Insolvenz übernommen hatte.
„Das war eine harte Schule. Aber wir waren damals schon auf der interpack. Dort bin ich meinem ehemaligen Professor Dieter Berndt über den Weg gelaufen, der mich zu einer Bewerbung für den Posten der Geschäftsführerin beim Deutschen Verpackungsinstitut e. V. (dvi) und dem Bund Deutscher Verpackungsingenieure e. V. (bdvi) überredete. Das dvi war zu der Zeit in einer gemeinsamen Geschäftsstelle mit dem bdvi organisiert. Mir hat die Idee gefallen, mit dieser Position die Synergieeffekte der Branche unter einem Dach zu einen.“ Als sie 2004 für ein Jahr in Elternzeit ging, wurde Winfried Batzke ihr Nachfolger. „Nach meiner zweiten Elternzeit wurde die gemeinsame Geschäftsstelle der Vereine getrennt und ich habe die Geschäftsführung des bdvi übernommen. Nach elf Jahren endete diese Tätigkeit – für mich eine Riesenchance, etwas ganz Neues zu beginnen. Als daher Till Isensee von Tilisco, ein ehemaliger Kommilitone, mir 2018 das Angebot machte, in seinem Unternehmen zu arbeiten, habe ich zugeschlagen und mir meine Nische gesucht: Kommunikation, Kennzeichnung und rechtliche Rahmenbedingungen sind meine Spezialgebiete.“
Ganzheitliche Verpackungsberatung
Lebensmittelverpackungen sind der Beratungsschwerpunkt von Tilisco. „In diesem Bereich haben wir Highclass-Verpackungen, für die besondere Regeln gelten“, erläutert Sonja Bähr. „Das Topthema aktuell sind aber natürlich die rechtlichen Vorschriften. Diese greifen in ganz verschiedene Branchen und betreffen eigentlich alles, von der Primär- bis zur Tertiärverpackung. Technisch gibt es fast immer eine Lösung, die Umsetzung ist aber eine Riesenherausforderung für viele Unternehmen, denn Verpackung war in der Vergangenheit oft nur ein Zukaufartikel. Jetzt müssen sie sich mit den rechtlichen Anforderungen und dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Und da bekommt die Verpackung plötzlich eine produktähnliche Bedeutung. Das Thema ist daher heute äußerst komplex.“
Mehr auf die Wissenschaft hören
Rund um das Thema Verpackung müsse sich noch viel ändern, meint die Wirtschaftsingenieurin. „Leider gibt es immer noch diese gegenpolige Positionierung, über die wir ja eigentlich schon längst hinaus sein sollten. Zu oft hört man noch, dass Papier besser ist als Kunststoff, Glas nachhaltiger als Metall. Diese Aussagen nerven einfach. Wir sollten lieber fragen, was jedes einzelne Material leistet und wo es optimal eingesetzt werden kann. Und wie es am Ende ideal in die Kreislaufwirtschaft passt. Es gibt viele Falschinformationen und leider wird noch immer viel zu wenig auf die Wissenschaft gehört.“
Sonja Bähr möchte auch dafür sensibilisieren, Dinge zu hinterfragen und Aussagen nicht einfach hinzunehmen. „Wer sagt etwas, aus welchem Grund, was steckt dahinter und wem nützt es – so sollte die Fragestellung lauten. Viele Aussagen sind eben nicht neutral. Ich habe neben meiner Arbeit bei Tilisco einen Lehrauftrag an der Berliner Hochschule für Technik und diskutiere genau diese Themen mit den Studierenden. Ich möchte sie zu einer eigenen Meinung motivieren und dazu, auch einmal nach rechts und links zu schauen.
Zu wenig Frauen in den Führungsetagen
Die engagierte Verpackungsexpertin ist auf vielen Veranstaltungen unterwegs und hat immer Fragen und Anmerkungen mit im Gepäck oder steht als Rednerin selbst auf dem Podium. „Auf der Dresdner Verpackungstagung ist mir kürzlich sehr positiv aufgefallen, wie viele Frauen als Rednerinnen auf der Bühne standen. Gerade auch junge Frauen aus Start-ups. Eigentlich sollte dies gar nicht mehr erwähnenswert sein, sondern Normalität. Aber so weit sind wir leider noch nicht, das wird noch dauern. In den Studiengängen der Verpackungstechnik gibt es schon lange ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern. Es ist positiv, wenn sich viele Frauen für ein technisches Studium entscheiden. Die große Lücke klafft aber, wenn man in die Führungsetagen schaut. Hier steht die Familienplanung immer noch als Krux vor der Karriere. Allerdings sorgt der Fachkräftemangel aktuell in großen Konzernen ebenso wie in mittelständischen Unternehmen dafür, dass mehr Frauen auch in höhere Funktionen kommen. Und er zwingt die Unternehmen, die Frauen dort auch zu halten. Ich hoffe, dass es ein Selbstläufer wird und künftig noch viel mehr Frauen Leitungsfunktionen übernehmen.“