Seit einigen Monaten sind die Preise für die Rohstoffe für die Kunststoffproduktion dramatisch gestiegen. Aus Expertenkreisen war zu hören, dass die Liefersituation äußerst schwierig und die Nachfrage momentan eindeutig größer als das verknappte Angebot ist. packaging journal hat dazu Klaus Jahn, den Vorstandssprecher des Industrieverbands Papier- und Folienverpackung e. V. (IPV) befragt.
Die Hersteller von flexiblen Verpackungen wie Tüten, Beutel, Tragetaschen oder Folien, die im Industrieverband Papier- und Folienverpackung e. V. (IPV) organisiert sind, verbuchten im vergangenen Jahr ein leichtes Umsatzplus. Als Herausforderung sehen die Mitgliedsunternehmen des IPV die unsichere Entwicklung der Materialpreise, speziell im Folienbereich. IPV-Vorstandssprecher Klaus Jahn erläutert im packaging journal-Interview die Ursachen der Situation und skizziert, was die Hersteller darüber hinaus bewegt.
pj: Herr Jahn, welche Gründe hat die Verknappung des Angebots, nachdem zum Beginn des Jahres zuerst die Preise gefallen waren?
Klaus Jahn: Seit März 2015 haben immer neue Force Majeure-Meldungen der nur wenigen europäischen Kunststofferzeuger zu einer extremen Rohstoffverknappung geführt. Schon bestätigte Liefermengen werden kurzfristig storniert. Die Häufung dieser Meldungen ist sehr ungewöhnlich und für uns nur schwer erklärbar. Der schwache Euro verschärft die Situation und die zum Teil daraus resultierenden schwächeren Margen der Rohmaterialhersteller dürften auch ein Grund für die Abstellungen sein. Er macht Exporte von Kunststoffrohstoffen außerhalb der Eurozone attraktiv, während weniger Importware nach Europa kommt. Besonders stark sind kleine und mittlere Unternehmen betroffen.
pj: Welche Auswirkungen wird das Ihrer Meinung nach auf die Produktion und die Betriebsergebnisse Ihrer Mitgliedunternehmen haben?
Klaus Jahn: Wenn die Rohstoffpreisverknappung weiter anhält, werden die Unternehmen mangels Material ihre Produktion herunterfahren müssen, was zum Teil bereits passiert ist. Dies wird zwangsläufig zu Umsatz- und Ertragsrückgängen führen. Die Ertragssituation hat sich für viele Unternehmen bereits verschlechtert, da die dramatischen Rohstoffpreissteigerungen von bis zu 50 Prozent häufig nicht zeitnah weitergegeben werden können.
pj: Sie sprechen von einem signifikanten Imagewandel der Tragetaschen zu einem hocheffizienten Werbeträger mit Kultstatus. Wie wirkt sich die Diskussion um Verbot und eventuelle Bepfandung der Kunststofftragetaschen auf die Situation aus?
Klaus Jahn: Die Kunststofftragetasche in Deutschland stellt kein Umweltproblem dar. Sie wird über die Dualen Systeme gesammelt und verwertet. In vielen Ländern mit nicht funktionierenden Sammel- und Verwertungssystemen sieht die Situation natürlich anders aus. In Deutschland hält die Tragetasche zu Unrecht als Symbol für eine Wegwerfgesellschaft her. Tatsächlich wird die Tragetasche durchschnittlich vier- bis fünfmal (lt. Repräsentativumfrage TNS Emnid) genutzt bevor sie später gesammelt und verwertet wird.
Die emotional aufgeladene Diskussion hat den Verbraucher bereits sehr verunsichert und der Verbrauch geht zurück. Die Politik sollte der Wirtschaft Freiraum für freiwillige Lösungen lassen. Denn auch ohne gesetzlich verankerte Vorgaben hat Deutschland einen Pro-Kopf-Verbrauch von Tragetaschen, der bereits den für 2019 vorgesehene Grenzwert von 90 Taschen unterschreitet.
pj: Welche Aufgaben sehen Sie bei den verantwortlichen Politikvertretern?
Klaus Jahn: Wir sind im Gespräch mit den Beteiligten. Von der Politik erwarten wir, dass sie keine Symbolpolitik betreibt, sondern anerkennt, dass Deutschland bei der Sammlung und Verwertung von Verpackungen Weltspitze ist. Und ohne den moralischen Zeigefinger zu heben: Das unsachgemäße Entsorgen (z. B. in der Natur) haben nicht die Hersteller zu verantworten. Verbraucheraufklärung und flächendeckende Litteringsysteme in den Städten oder an den Autobahnen gehören sicher auch dazu, wenn wir über eine bessere „Wertstoffgesellschaft“ diskutieren. Eine Kampagne über den sorgfältigeren Umgang mit „Sekundärrohstoffen“ würden wir jederzeit begrüßen. Ein Motto „Safe the waste“ – ein eingedeutschter Titel ist zu überlegen – wird unser Verband jederzeit mit Ideen und Inhalten unterstützen.
pj: Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Hersteller von flexiblen Verpackungen auch im Jahr 2015 wieder stark. Wie wollen sie bei den Kunden und Verbrauchern punkten?
Klaus Jahn: Wir wollen dem Verbraucher eine Verpackung bieten, die in erster Linie das Produkt, in unserer Branche häufig das Lebensmittel, schützt und unversehrt dort ankommen lässt, wo es ankommen soll. Denn nur wenn die Verpackung diesen Zweck erfüllt, ist sie nachhaltig und trägt zur Reduzierung von Rohstoffverbrauch und damit zur Minderung von Emissionen bei. Die unseren Verband repräsentierenden Unternehmen stellen zudem Verpackungen aus sehr dünnen, leichten Materialien her – zu einem großen Teil aus nachwachsenden Rohstoffen.
Die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Roh- und Hilfsstoffe wird bereits bei der Konzeption der Verpackung mitberücksichtigt. Auch unsere Produktionsprozesse sind so organisiert, dass der Energieverbrauch niedrig ist und Luft- und Wasserbelastungen minimiert werden. An weiteren Verbesserungen der Prozesse wird permanent gearbeitet, denn nur effizient produzierende Unternehmen wahren ihre Marktfähigkeit. Dabei dürfen die vom Markt geforderten Anforderungen an Schutz, Lager-, Transport- und Kommunikationsfunktion der Verpackungen nie außer Acht gelassen werden. Wir arbeiten daran, beide Ziele – Nachhaltigkeit und Effizienz – sinnvoll zu verbinden.
pj: Welche packstoffrelevanten Unterschiede gibt es?
Klaus Jahn: Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Packstoffen wie Papier und Kunststoff. Als packstoffneutraler Verband sieht der IPV für jedes Material sinnvolle Einsatzbereiche. Die z. T. sehr unsachliche Diffamierung von Kunststoffmaterialien in der Verpackungsherstellung lehnen wir aber strikt ab. Sehr viele Produkte des täglichen Gebrauchs – ob Food- oder Nonfood – wären weder zu den aktuellen Preisen noch zu bestimmten Zeiten überhaupt verfügbar, wenn es keine gezielt dafür entwickelten Kunststoffverpackungen gäbe.
Welches Material im Einzelfall ausgewählt wird, muss produktgerecht und an den jeweiligen Anforderungen gemessen und entschieden werden. In vielen Fällen sind auch Kombinationen beider Stoffe die erste Wahl. Die Forschung arbeitet zurzeit intensiv an Substitutionslösungen und die Hersteller von flexiblen Verpackungen werden nichts unversucht lassen, marktgerechte und zeitgemäße Verpackungskonzepte anzubieten.