Kunststoffrecycler fordern Zugang zum Industriestrompreis

Die deutsche Kunststoffrecyclingbranche steht unter massivem wirtschaftlichem Druck. (Bild: bvse)

Hohe Energiekosten und schwache Nachfrage setzen die Kunststoffrecyclingbranche unter Druck. Die Unternehmen hoffen, dass die Bundesregierung den geplanten Industriestrompreis auch für sie öffnet.

Die deutsche Kunststoffrecyclingbranche steht unter massivem wirtschaftlichem Druck. Neben rückläufiger Nachfrage und sinkenden Erlösen für Rezyklate belasten die Unternehmen vor allem die hohen Energiepreise. Gleichzeitig steigen die Produktionskosten in nahezu allen Bereichen.

Branchenvertreter fordern daher, dass Recyclingbetriebe beim geplanten Industriestrompreis der Bundesregierung berücksichtigt werden – und warnen vor einer Wettbewerbsverzerrung, sollte dies nicht geschehen.

„Unsere Unternehmen sind einem enormen Wettbewerb ausgesetzt. Die hohen Energiepreise verschlechtern unsere Konkurrenzfähigkeit sowohl gegenüber Neuprodukten als auch gegenüber Importen. Die Politik muss sicherstellen, dass auch unsere Kunststoffrecycler durch den Industriestrompreis entlastet werden. Geringere Energiekosten sind ein wichtiger Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit des Kunststoffrecyclings“

Herbert Snell, bvse-Vizepräsident

Hoffnung auf Entlastung durch Industriestrompreis

Bislang ist unklar, ob die Branche tatsächlich in den Kreis der Begünstigten fällt. Entscheidend dafür ist die Einstufung der Betriebe in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ), die Grundlage für viele Förder- und Entlastungsentscheidungen ist. Nur wenn das Recycling von Kunststoffen als förderfähige, energieintensive Tätigkeit gilt, können Unternehmen der Branche von einem reduzierten Strompreis profitieren.

Der bvse fordert daher eine klare Empfehlung der Bundesregierung. Die Frage, ob und in welchem Umfang Kunststoffrecyclingunternehmen überhaupt vom Industriestrompreis profitieren dürfen, hängt wesentlich von den beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Union ab. Nach Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dürfen staatliche Beihilfen grundsätzlich nicht den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen. Ausnahmen sind jedoch möglich, wenn sie etwa der Förderung des Umweltschutzes oder der Energieeffizienz dienen.

Die Europäische Kommission hat hierfür 2022 neue Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) beschlossen. Diese ermöglichen Vergünstigungen bei Energiepreisen für besonders energieintensive Industrien – allerdings nur, wenn die Maßnahmen im Einklang mit den Klimazielen der EU stehen. Unternehmen müssen nachweisen, dass sie zu einer Verringerung der CO₂-Emissionen beitragen oder eine wesentliche Rolle in der Kreislaufwirtschaft spielen.

Recyclingbetriebe könnten somit grundsätzlich unter diese Regelung fallen, wenn sie ihre Beiträge zur Ressourcenschonung und zur Reduktion von Primärrohstoffen belegen können. Voraussetzung ist jedoch, dass Deutschland den Industriestrompreis beihilfekonform ausgestaltet und die Regelung bei der Europäischen Kommission anmeldet.

„Es wäre ein falsches Signal, wenn ausgerechnet die Branche, die im Zentrum der europäischen Kreislaufwirtschaftsstrategie steht, von der Entlastung beim Industriestrompreis ausgeschlossen bliebe“, warnt Snell.

Fehlende Nachfrage verschärft die Lage

Neben den Energiekosten belastet die Branche ein weiteres strukturelles Problem: Die Nachfrage nach Recyclingkunststoffen bleibt schwach. Viele Verarbeiter und Markenhersteller setzen trotz politischer Appelle weiterhin auf günstige Neuware, deren Preise aufgrund fehlender Nachfrage und billiger Importe zuletzt deutlich gefallen sind.

Für die Recycler bedeutet das einen doppelten Wettbewerbsnachteil: Sie kämpfen einerseits mit hohen Produktions- und Energiekosten, andererseits mit stagnierenden oder sinkenden Absatzmärkten. Die Einführung eines Industriestrompreises könnte hier zumindest kurzfristig entlasten – vorausgesetzt, die politischen und rechtlichen Weichen werden richtig gestellt.

Quelle: bvse