Kunststoffrecycling vor dem Aus bewahren

Rezyklat aus Verpackungsabfällen aus dem Gelben Sack wird zu neuen Verpackungen
Aus zerkleinerten und gereinigten Verpackungsabfällen aus dem Gelben Sack stellt der Grüne Punkt hochreine Rezyklate her, aus denen neue Reinigungsmittelflaschen von Werner & Mertz entstehen. (Bild: Der Grüne Punkt)

Der Grüne Punkt, Werner & Mertz und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft fordern finanzielle Anreize und ein Bekenntnis der Politik zur Kreislaufwirtschaft.

Ein stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit im Bereich der öffentlichen Beschaffung, ein Fondssystem und ergänzend eine Plastiksteuer für Neuware sowie klar definierte Mindestquoten für den Einsatz von Recyclat in Kombination mit finanziellen Anreizen – das seien die Instrumente, die das Kunststoffrecycling vor dem endgültigen Aus bewahren und nach der Krise eine stabile und nachhaltige Kreislaufwirtschaft als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz sichern werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Der Plastikmüll in Privathaushalten nahm in den vergangenen Monaten aufgrund von verbreitetem Home-Office und häufigeren Bestellungen übers Internet um etwa zehn Prozent zu, die Nachfrage nach Recyclat – also recyceltem Plastik aus Verpackungsmüll – ist gleichzeitig dramatisch eingebrochen. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat vor allem eine Ursache:

Der Ölpreis ist als Folge der Corona-Pandemie stark gesunken. Das billige Rohöl macht die Herstellung von Neuplastik noch günstiger und verstärkt damit die ohnehin bestehende gesetzliche Privilegierung von neuem Plastik in Deutschland aufgrund der Befreiung von der Mineralölsteuer und der EEG-Umlage. Im Vergleich dazu wird das werkstoffliche Recycling von gebrauchten Kunststoffverpackungen wirtschaftlich noch unattraktiver. Viele Hersteller, die bislang Recyclat für Produkte und Verpackungen verwendet haben, schwenken jetzt sogar wieder auf Neuware um.

Das bedeutet nicht nur massive Einbußen für die Recyclingwirtschaft, sondern ist vor allem ein riesiger Rückschritt für den Klima- und Umweltschutz und ein schwerer Schlag für die Kreislaufwirtschaft.

Verbraucherinnen und Verbraucher haben diese Gefahr längst erkannt: Umfragen bestätigen, dass die Konsumenten Plastik als das größte (Umwelt-)Problem betrachten (Top of Mind Thema 2019 in Bezug auf Umwelt und Ökologie, Quelle: GfK Unternehmergespräch 2020). Sie erwarten Lösungen zugunsten einer nachhaltigen Wirtschaft – das hat sich durch Corona nicht verändert (Quelle: GfK Webinar Im Auge des Sturms, 2020).

Die Lösung für die Plastikvermüllung unserer Umwelt gibt es längst: Altplastik aus Endverbraucher-Sammlungen wie dem Gelben Sack kann mittlerweile so hochwertig aufbereitet werden, dass es sogar die strengen Auflagen für Kosmetikverpackungen erfüllt. So bleibt das Plastik im Kreislauf und wird zum wertvollen Rohstoff statt zum umweltschädlichen Müll. Doch die Technologie des werkstofflichen Recyclings fristet nach wie vor ein „Schattendasein“ – zu günstig ist die Verwendung von neuem Plastik im Vergleich.

Die Kreislaufwirtschaft nachhaltig etablieren

Deshalb fordern nun drei Vertreter entlang der Wertschöpfungskette in einer gemeinsamen Erklärung die Politik dazu auf, die anstehende Transformation der Wirtschaft zu nutzen, um die Kreislaufwirtschaft im Allgemeinen und den Wiedereinsatz von Recyclaten aus gebrauchten Kunststoffen im Besonderen nachhaltig in Deutschland zu etablieren:

Peter Kurth, Präsident des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft, appelliert an die Vorbildfunktion der öffentlichen Beschaffung für nachhaltiges Wirtschaften: „Der Rückgang der Ölpreise hat die ohnehin angespannte Situation vieler Kunststoffrecycler nochmals verstärkt. Aufwendig hergestellte Recyclate finden keine Abnehmer, Investitionen in besseres Recycling werden verschoben oder gestrichen, weil eine Refinanzierung chancenlos erscheint. Das Kunststoffrecycling droht aufgrund der Untätigkeit der Politik empfindlich geschädigt zu werden. Wer eine nachhaltig erfolgreiche Wirtschaft will, muss jetzt die geeigneten Instrumente einsetzen, die seit langem bekannt sind. Ein geändertes Beschaffungswesen, das ökologische Aspekte ernst nimmt, steht dabei ganz oben auf der Tagesordnung.“

Reinhard Schneider, Inhaber des Reinigungsmittelunternehmens Werner & Mertz und Träger des Deutschen Umweltpreises 2019, gibt konkrete Lösungsansätze für einen Ausgleich des bestehenden finanziellen Nachteils beim Wiedereinsatz von Post-Consumer-Recyclaten (PCR) gegenüber Neuware in Deutschland: „Die ökologische Spreizung der Einkaufspreise könnte in das bestehende Verpackungsgesetz in § 21 eingefügt werden und zwar in Form eines Fonds, in den alle einzahlen müssen. Nur diejenigen, die Recyclate einsetzen, sollten eine Rückzahlung erhalten. Ergänzend dazu könnte es auch eine Plastiksteuer geben, die nur auf Neuware angewandt wird, wie dies in Italien geplant ist. Dem entspricht die Streichung der Subventionen für die Herstellung von Neuware, indem die Befreiung von der Mineralölsteuer sowie der EEG-Umlage entfällt. Die diskutierte Mindesteinsatzquote macht nur Sinn in Kombination mit der Incentivierung für das Übertreffen der Mindestquote.“

Michael Wiener, CEO von Der Grüne Punkt, geht auf diese Mindesteinsatzquote noch konkreter ein: „Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft für den Klimaschutz gerade für Kunststoff ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Daneben lassen wir auch die wirtschaftlichen Chancen liegen, die die Kreislaufwirtschaft bietet. Eine Kreislaufwirtschaft, die diesen Namen auch verdient, schafft Arbeitsplätze und holt Wertschöpfung in die Europäische Union, die wir dringend brauchen. Stattdessen erleben wir ein umfassendes Marktversagen. Recyclingkunststoff spart bis zu 50 Prozent der Treibhausgasemissionen, die durch neuen Kunststoff erzeugt werden – das schlägt sich im Preis aber nicht nieder. Nur die Festlegung von definierten Recyclateinsatzzielen für bestimmte Produktgruppen durch die Politik ermöglicht die Schaffung von nachhaltigen Recyclatmärkten und verschafft die dazu nötige Investitionssicherheit. Ab Juli 2020 übernimmt die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft – eine gute Gelegenheit, entsprechende Maßnahmen voranzubringen.“

Quelle: Werner & Mertz