In der ARD-Talkshow „maischberger“ schildert Sandra Maischberger den Fall einer Autohändlerin, die angeblich Verpackungen zukaufen muss, um ein bürokratisches „Soll“ zu erfüllen. Bundesminister Karsten Wildberger kritisiert den „Unsinn“ – wechselt dann aber abrupt zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ein Auftritt, der weniger über das Verpackungsgesetz verrät als über die Prioritäten der Politik?
Ausgangspunkt der Diskussion ist nicht der Minister, sondern die Moderatorin. Sandra Maischberger bringt ein Beispiel „aus der Praxis“: Eine Autohändlerin müsse alle Verpackungen, die sie von Lieferanten erhalte, zurückgeben, bekomme aber nicht alle Verpackungen von ihren Kunden zurück. Um ihr angebliches „Soll“ zu erfüllen, kaufe sie beim Bauern Folien und im Internet zusätzliche Verpackungen, nur um sie wieder abgeben zu können.
Diese zugespitzte Geschichte mündet in die Frage an Karsten Wildberger, ob er sein Versprechen einlösen könne, dass solcher „Unsinn“ in Zukunft aufhört.
Wie realistisch ist das Beispiel?
Die geschilderte Szene illustriert ein verbreitetes Gefühl im Mittelstand: Bürokratie sei so absurd, dass Betriebe am Ende „für die Tonne“ arbeiten. In dieser Zuspitzung ist das Beispiel allerdings juristisch kaum haltbar. Das Verpackungsgesetz kennt Systembeteiligungs- und Rücknahmepflichten, aber keine Pflicht, exakt die Menge Verpackung zurückzugeben, die ein Betrieb zuvor erhalten hat – und schon gar keinen Zwang, dafür fremde Folien oder Kartons zuzukaufen. Die echte Belastung liegt in Lizenzkosten, Rücknahmeorganisation und Dokumentation, nicht in einer buchhalterischen Eins-zu-eins-Rückgabe.
Wildbergers Themenwechsel: Vom VerpackG zum Lieferkettengesetz
Spannend wird es in dem Moment, in dem Wildberger aus dem Verpackungsthema „aussteigt“. Nach der pauschalen Kritik am „Unsinn“ folgt plötzlich die „gute Nachricht“: Man sei dabei, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zurückzunehmen, dort Berichtspflichten abzubauen und insgesamt die Bürokratie zu reduzieren. Er betont, die Regierung arbeite intensiv daran, Melde- und Berichtspflichten zu kürzen und in Brüssel gegen neue Bürokratiewellen anzutreten.
Damit wechselt er das Rechtsregime: Weg vom umwelt- und abfallrechtlichen Verpackungsgesetz, hin zu einem menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichtengesetz für globale Lieferketten. Inhaltlich hat das mit der geschilderten Autohändlerin und ihren angeblichen Verpackungsrückgaben wenig bis nichts zu tun – es passt aber perfekt in Wildbergers übergeordnetes Narrativ des „Bürokratierückbaus“ und der Modernisierungsagenda, mit der er sich politisch profiliert
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Weitere InformationenWas der Auftritt über die Priorität von Verpackung verrät
Der Auftritt lässt sich als klarer Beleg dafür lesen, dass ein vereinfachtes Verpackungsrecht derzeit nicht weit oben auf der Agenda des Ministers steht. Er greift das Talkshow-Beispiel nicht auf, um zu erläutern, wo genau das Verpackungsgesetz praxisfern ist, welche Paragrafen entschlackt werden sollen oder wie die Bundesregierung die anstehende europäische PPWR-Umsetzung nutzen will, um Regeln zu vereinfachen.
Stattdessen nutzt er Verpackung als Sprungbrett, um über ein anderes Gesetz zu sprechen, bei dem er konkrete Entlastung versprechen kann. Ob das daran liegt, dass er in Verpackungsfragen fachlich nicht tief genug drinsteckt oder darin keine großen politischen Gestaltungsmöglichkeiten sieht, bleibt offen – in der Wirkung auf die Branche kommt beides ähnlich an: Verpackung ist nicht das Thema, zu dem der Minister spontan ins Detail geht.
Für Unternehmen, die gerade mit neuen Mindeststandards, zukünftigen PPWR-Vorgaben und steigenden Reportingpflichten ringen, wirkt diese Szene symptomatisch: In der Talkshow werden reale Probleme mit überspitzten Anekdoten erklärt – und wenn es konkret werden könnte, wandert die politische Aufmerksamkeit ganz schnell zu anderen Baustellen.



