PPWR 2026: Was kommt auf Unternehmen zu?

Auf der Fachtagung Future Resources tauschten sich in diesem Jahr Recycling- und Verpackungsexperten in Köln aus. (Bild: packaging journal)

Über 200 Teilnehmende, eine neue Location mit viel Raum für Austausch und ein inspirierendes Programm rund um die PPWR: Die Future Resources 2025 in Köln war ein voller Erfolg. Gemeinsam mit Interzero und interpack hat das packaging journal als offizieller Veranstaltungspartner erstmals mit moderiert.

Im Alten Wartesaal gleich neben dem Kölner Hauptbahnhof, wo sonst die WDR Mitternachtsspitzen aufgezeichnet werden und zur Süßwarenmesse die Kultparty Lambertz Monday Night stattfindet, tauschen sich in diesem Jahr die führenden Köpfe der Recycling- und Verpackungsbranche auf der jährlichen Fachkonferenz Future Resources aus.

In der Keynote von Diplom-Meteorologe Sven Plöger ging es aber erst einmal ums Klima. Sein Statement zum Klimawandel „Wir haben kein Wissens-, sondern ein Handlungsproblem“ konnten die nachfolgenden Redner problemlos auf die aktuelle Lage der Verpackungsbranche übertragen. Etwa, wenn es um die in der PPWR vorgeschriebenen Rezyklatquoten geht, die voraussichtlich bis 2030 nicht erreicht werden. Rechtsanwalt Dr. Markus W. Pauly erklärte aber zunächst, welche Pflichten ab 2026 mit der PPWR auf Unternehmen zukommen – und warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich vorzubereiten.

 

Ab August 2026 beginnt für die gesamte europäische Verpackungswirtschaft eine Phase tiefgreifender Veränderungen. Die neue EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) soll die Kreislaufwirtschaft stärken, Abfälle reduzieren und den Einsatz von Rezyklaten verbindlich erhöhen. Die Verordnung, die am 12. Februar 2025 in Kraft getreten ist, gilt ab dem 12. August 2026, aber noch fehlen viele zentrale Details.

Die EU will die Kreislaufwirtschaft zu einem tragfähigen Geschäftsmodell machen, das Wertschöpfung in Europa hält, Abhängigkeiten reduziert und neue Arbeitsplätze schafft. (Bild: Shutterstock/ Christophe Licoppe)

Zwischen EU-Recht und nationalem Recht

Mit juristischer Präzision und einem Augenzwinkern erklärte Rechtsanwalt Pauly, warum die Verordnung – obwohl sie formal eine EU-Verordnung ist – zahlreiche Elemente einer Richtlinie enthält und damit eine Zwitterrolle zwischen EU- und nationalem Recht einnimmt, die zu Rechtsunsicherheiten führt. Das bedeutet: Zwar tritt die PPWR direkt in allen Mitgliedsstaaten in Kraft, doch viele Details müssen erst durch nationale Umsetzungsgesetze präzisiert werden – die bislang fehlen. „Es gibt noch keine delegierten Rechtsakte aus Brüssel, keine nationale Umsetzungsgesetze. Wir haben aktuell gar nichts, aber die Fristen laufen“, so beschreibt Pauly die aktuelle Situation. Die Branche wisse daher, dass umfassende Pflichten auf sie zukommen, kenne aber die konkreten Ausführungsbestimmungen noch nicht.

Gleichzeitig weitet die PPWR den Verpackungsbegriff erheblich aus. Künftig gelten beispielsweise Teebeutel und Kaffeekapseln erstmals auch als Verpackung. Unternehmen, die diese Produkte bisher nicht als Verpackungen eingeordnet haben, müssen künftig mit neuen Pflichten rechnen – von Registrierung über Lizenzierung bis hin zur Konformitätsbewertung.

Wer ist Hersteller, wer Erzeuger?

Auch die Unterscheidung zwischen Erzeuger und Hersteller wird neu gefasst. Erzeuger sind demnach diejenigen, die Verpackungen entwickeln oder herstellen und dafür verantwortlich sind, dass die hergestellten Verpackungen den Anforderungen der PPWR genügen. Hersteller hingegen sind Unternehmen, die Verpackungen erstmals in einem Mitgliedstaat in Verkehr bringen. Das entspricht nicht dem bekannten deutschen Modell, in dem der Importeur automatisch als Hersteller gilt. Für global agierende Unternehmen ergeben sich daraus Verschiebungen in der Haftung und Verantwortungsstruktur.

Neben formalen Aspekten behandelte Pauly die inhaltlichen Pflichten der PPWR: Stoffverbote wie PFAS, Mindestrezyklatanteile für Kunststoffverpackungen, die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit, zur Minimierung von Verpackungen und zu Mehrwegquoten. Dabei betont er die Unsicherheit vieler Unternehmen, die noch auf nationale Ausführungsbestimmungen warten – und zugleich unter Zeitdruck stehen: Denn ab 12. August 2026 werden erste Regelungen verbindlich wirksam. Für einen Teil der Regelungen werden allerdings gesonderte Vorgaben für das Inkrafttreten festgeschrieben. So treten die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit voraussichtlich stufenweise ab dem 1. Januar 2030 in Kraft.

Der Vortrag lieferte damit einen klaren juristischen Kompass in einem zunehmend komplexen Regulierungsumfeld – und zeigte, warum sich Verpackungshersteller, Marken und Händler jetzt dringend mit den kommenden Pflichten auseinandersetzen sollten.

Viele Definitionen fehlen noch

Recyclinggerechtes Design, Konformitätserklärungen und enge Zeitfenster: Gunda Rachut von der Zentralen Stelle Verpackungsregister, beschrieb die Situation als ein „Mais-Labyrinth“, in dem jeder etwas anderes sehe, weil viele Elemente der PPWR zwar angekündigt, aber nicht definiert seien. Die PPWR bringe viele Herausforderungen für Unternehmen – vieles davon hätte längst umgesetzt werden müssen. Der Zeitplan ist ambitioniert: Innerhalb weniger Monate müssen nationale Umsetzungsgesetze, technische Dokumentationen und Bewertungsverfahren stehen – eine Herausforderung sowohl für Behörden als auch für Unternehmen.

Recyclinggerechtes Design soll ab 2030 verbindlich werden, doch die Begriffsbestimmungen, Bewertungsmaßstäbe und Prüfmethoden laufen teilweise schon 2026 an. Europäische Normungsgremien und das Joint Research Centre der EU arbeiten parallel an Kriterienkatalogen, doch bisher gibt es weder harmonisierte Normen noch anerkannte Verfahren.

(Bild: Shutterstock/Natalia Mels)

Gleichzeitig verlangt die PPWR erstmals verbindliche technische Dokumentationen und Konformitätserklärungen für jede Verpackung. Unternehmen müssen Materialzusammensetzungen offenlegen, Risiken bewerten und die Recyclingfähigkeit nach einheitlichen Kriterien nachweisen – obwohl diese Kriterien noch nicht feststehen. Besonders betroffen sind Hersteller mit breitem Sortiment: Tausende Verpackungen müssen bewertet, dokumentiert und gegebenenfalls umgestellt werden. Hinzu kommt der Aufbau neuer Konformitätserklärungen, ohne dass es bislang einheitliche Prüfmethoden oder Normen gibt.

Die ZSVR hat bereits ihren Mindeststandard zur Recyclingfähigkeit überarbeitet, um die Anforderungen der PPWR vorwegzunehmen. Gunda Rachut zeigte auf der Future Resources, wie Hersteller künftig ihre Verpackungen bewerten können – von Wertstoffanteilen über Unverträglichkeiten bis zu materialübergreifenden Standards. Dabei mahnt sie mehr Transparenz in der Lieferkette an: Lieferanten müssten künftig offenlegen, welche Materialien, Additive oder Barriereschichten sie einsetzen, damit Erzeuger und Vertreiber rechtskonform handeln können. Auch ihr Fazit: Unternehmen sollten sich frühzeitig vorbereiten, um nicht von der Regulierung überrollt zu werden. Denn ab August 2026 wird die Recyclingfähigkeit zur marktrelevanten Voraussetzung.

Die Zeit läuft

Von Matthias Giebel, Partner bei b+p Consultants, erfuhren die Teilnehmenden anschaulich, warum Europa seine Rezyklatquoten bis 2030 kaum erreichen wird – und was Unternehmen jetzt tun müssen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die EU will Kreislaufwirtschaft zum erfolgreichen Geschäftsmodell machen, doch die Realität hinkt hinterher. Die Lücke zwischen politischem Anspruch und tatsächlicher Verfügbarkeit von Recyclingmaterialien ist groß. Selbst bei optimistischen Annahmen, so Giebel, wird Europa bis 2030 rund eine Million Tonnen zu wenig Rezyklate produzieren, um die vorgeschriebenen Einsatzquoten zu erfüllen.

Anhand von aktuellen Marktdaten und Interviews mit Branchenvertretern verdeutlicht er, dass die Industrie längst mit einem massiven „Rezyklat-Engpass“ konfrontiert ist: Mechanisch recycelte Kunststoffe reichen aktuell gerade so aus, hochwertige Qualitäten sind jedoch rar und teuer. Chemisches Recycling existiert bislang überwiegend auf Pilotniveau und liefert nur „homöopathische Mengen zu homöopathischen Preisen“. Investitionen in neue Kapazitäten werden aufgeschoben oder storniert – obwohl der politische Rahmen und die Finanzierungsmöglichkeiten eigentlich vorhanden wären.

Konkurrenz um Rezyklate

Die Folge ist eine sich verschärfende Konkurrenz um verfügbare Rezyklate. Markenartikler beziehen heute die meisten PCR-Mengen über ihre Verpackungslieferanten, doch diese Beschaffungswege werden ab 2030 nicht mehr ausreichen. Giebel empfiehlt den Unternehmen daher, sich frühzeitig strategische Partnerschaften mit Recyclern, dualen Systemen und Sortierern zu sichern. Wer wartet, riskiert Produktionsengpässe, steigende Kosten und regulatorische Risiken.

Europa wird bis 2030 rund eine Million Tonnen zu wenig Rezyklate produzieren, um die vorgeschriebenen Einsatzquoten zu erfüllen. (Bild: Shutterstock/RecycleMen)

Parallel dazu verschärft die PPWR die Vorgaben für Mehrweg und Abfallvermeidung. Transport- und Verkaufsverpackungen sollen bis 2030 zu 40 Prozent aus Mehrweglösungen bestehen, bis 2040 sogar zu 70 Prozent. Auch für Getränkeverpackungen gelten künftig Mindestanteile an wiederverwendbaren Systemen, die jeweils weiter steigen.

Grundrichtung bleibt klar

Gleichzeitig führt die EU erstmals ein verbindliches Reduktionsziel für Verpackungsabfälle pro Kopf ein, gemessen am Referenzjahr 2018. Bis 2040 soll die Menge um mindestens 15 Prozent sinken. Diese Ziele werden die Produktentwicklung, Logistik und Sortimentsgestaltung vieler Unternehmen tiefgreifend beeinflussen. Zwar plant die EU in einigen Bereichen Ausnahmen, Stand Oktober 2025 sind etwa bestimmte Transporthilfsmittel wie Umreifungsbänder oder Palettenumwicklungen zunächst nicht betroffen, doch die Grundrichtung bleibt klar: weniger Material, mehr Kreislauf, mehr Wiederverwendung.

Dass all diese Vorgaben nicht nur ökologisch motiviert sind, sondern ein industriepolitisches Ziel verfolgen, zeigt die Einbettung der PPWR in den Green Deal und den anschließenden Clean Industrial Deal der EU. Kreislaufwirtschaft soll nicht nur Umwelt schützen, sondern zu einem tragfähigen Geschäftsmodell werden, das Wertschöpfung in Europa hält, Abhängigkeiten reduziert und neue Arbeitsplätze schafft.

Für Unternehmen bedeutet das allerdings, dass regulatorische Anforderungen nicht abgeschwächt, sondern eher verschärft werden dürften. Die Branche selbst geht laut aktueller Stakeholderbefragungen davon aus, dass die Quoten weitgehend unverändert umgesetzt werden. Ein grundlegendes Zurückrudern gilt als unwahrscheinlich.