Nach der neuen Verpackungsverordnung folgt die nächste Regelverschärfung. Dieses Mal geht es um die Green Claims: Werbeversprechen zur Nachhaltigkeit eines Produkts müssen künftig belegt werden. Die Vorschläge der Kommission müssen zwar noch durchs EU-Parlament, die Verpackungsbranche sollte sich dennoch schnell darauf einstellen.
Der neue Maßnahmenkatalog wird Aussagen zu ökologischen Eigenschaften von Produkten regeln. „Hier hat sich in den letzten Jahren ein Wildwuchs entwickelt„, sagt Malte Biss, Gründer der unabhängigen Organisation flustix, die Kunststoffe, Kunststoffrezyklate und plastikfreie Materialien zertifiziert. Begriffe wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „naturfreundlich“, „ökologisch“ und „umweltgerecht“ zieren heute die Verpackungen von Seifen, Shampoos, Reinigungsmitteln, Papiertüchern, Textilien und anderen Produkten aus nahezu allen Branchen. Auch bei Lebensmitteln machen die Kampagnen nicht Halt.
Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission untersuchte beispielhaft 150 derartige Umweltaussagen. Die Ergebnisse, die im ersten Quartal 2022 veröffentlicht wurden, waren ernüchternd: 53,3 Prozent der Angaben enthielten vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der als nachhaltig deklarierten Produkte.
Welche Aussagen dürfen künftig auf der Verpackung stehen?
Die Mehrzahl der gängigen Praktiken bezeichnet flustix-Gründer Malte Biss unumwunden als Greenwashing und ordnet die Kommissionsvorschläge positiv ein: „Unternehmen dürfen künftig nur noch Umweltaussagen treffen, wenn sie klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele beinhalten sowie ein unabhängiges Überwachungssystem aufweisen.“ Nachhaltigkeitssiegel ohne anerkannte Zertifizierung würden verboten. Auch Umweltaussagen, die sich nur auf die Verpackung und nicht auf das gesamte Produkt beziehen, sind dann nicht mehr ohne klare Kennzeichnung möglich. „Die neuen Regeln bringen Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher und bekräftigen seriös agierende Unternehmen in ihrem bisherigen und auf dem weiteren Weg“, bringt es Biss auf den Punkt.
Nach Einschätzung von Malte Biss gehören auch Versprechen wie „klimapositiv“ oder „plastikpositiv“ auf den Prüfstand, mittlerweile sogar in vielen Fällen die Aussage „klimaneutral“, d. h., alles, was nicht belegbar zu sein scheint. Hinzu kommen auch die Werbeversprechen im Siegelgewand: Es werden selbst kreierte Zeichen verwendet, die von der Gestaltung her Siegel assoziieren, aber ohne Zertifizierung eben keine sind. Wie soll man da den Überblick behalten? Die Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich Verlässlichkeit und Sicherheit.
Welche Werbeversprechen sind künftig noch erlaubt?
Hier kommt neben den Klassikern (wie der „Blaue Engel“, das „EU ECO Label“ oder beispielsweise die FSC- und PFSC-Zertifizierungen) Biss‘ Organisation flustix ins Spiel. Die Berliner haben ein völlig unabhängiges System mit akkreditierten Partnern aufgebaut: Dazu gehören DIN CERTCO (TÜV Rheinland), Einrichtungen wie die Papiertechnische Stiftung sowie die Prüflabore der Wessling Gruppe. flustix begleitet seine Lizenznehmer durch den gesamten Zertifizierungsprozess. „Die flustix-Siegel bieten sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für die produzierenden Unternehmen und Inverkehrbringer die größtmögliche Sicherheit, egal, ob es um Plastikfreiheit, Recyclingfähigkeit oder den Einsatz von Rezyklaten geht“, so Gründer Malte Biss.
„Ende Januar wurde erneut ein aktualisierter und vor allem detaillierterer Entwurf veröffentlicht, über den Ende März in Brüssel entschieden werden soll. Das Thema soll nach Willen der EU noch 2023 umgesetzt werden und Anwendung finden. Schon jetzt werden ‚empfindliche Strafen‘ bei Verstößen angekündigt“, betont der Experte. Damit würden die Änderungen der EU-Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU (so die konkreten Bezeichnungen) noch in diesem Jahr, spätestens aber Anfang 2024 in Kraft treten.
Da es sich um eine Richtlinie handelt, stehen die Mitgliedsländer anschließend in der Pflicht, die einzelnen Punkte national umzusetzen. In Deutschland gibt es dafür bisher als Rahmen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Das erlaubt schon jetzt Klagen gegen irreführende Werbung, enthält aber keine Details zum Thema Greenwashing und Green Claims.
Zunehmende Tendenz bei Gerichten
Doch bereits jetzt spürt die Branche die bevorstehenden Änderungen: Abmahnvereine, NGOs und Medien legen ihr Augenmerk aktuell auf das Thema Greenwashing. Wer einen überzogenen oder irreführenden Slogan nutzt, läuft Gefahr, von der Konkurrenz oder auch von einer Umweltschutzorganisation vor Gericht gebracht zu werden. So leitete im Mai 2022 die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gerichtliche Schritte gegen die Drogeriekette dm ein: Im Visier der Umweltschützer ein Spülmittel im grünen Schlauchbeutel mit dem Slogan: „Umweltneutrales Produkt“. Die DUH behauptet, es gebe seitens des Herstellers keine Hinweise auf eine sogenannte „Umweltneutralität“. Das Verfahren läuft noch, die Vorwürfe stehen nach wie vor im Raum. Neben dm rückte die DUH parallel auch den direkten Wettbewerber Rossmann, außerdem Nivea-Hersteller Beiersdorf sowie die Mineralölkonzerne Shell, BP und Total in den Fokus. Rossmann hat erst am 27. Januar verkündet, auf den Claim „klimaneutral“ künftig verzichten zu wollen. Der Chef der Drogeriemarktkette, Raoul Roßmann, sagte der „ZEIT“ unter anderem: „Welcher Kunde nimmt das noch als Mehrwert wahr?“
Außerdem war ein Unternehmen namens „Green Airlines“ ins Visier geraten, das sogenannte klimafaire Flugreisen verkaufte. Der Veranstalter ist mittlerweile im Netz nicht mehr auffindbar.
Eine repräsentative Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC vom Dezember 2022 ergab: Sechs von zehn Verbrauchenden achten bei ihren Kaufentscheidungen immer oder häufig auf ökologische und soziale Aspekte. Bei den unter 35-Jährigen sind Nachhaltigkeitsaspekte für zwei Drittel sogar kaufentscheidend. Bei den Kriterien nannten die Befragten auch die Verpackung. Einig sind sich die Konsumentinnen und Konsumenten der Umfrage zufolge auch darin, wie Unternehmen ihren grünen Slogans mehr Glaubwürdigkeit verleihen können: Zwei Drittel der Befragten wünschen sich anerkannte Siegel und unabhängig geprüfte Zertifizierungen.
Weitere Meldungen aus dem Bereich Green Packaging
Wiederverwendbarer Deckel für Mehrwegbecher
Berry Global hat einen vielseitigen, multifunktionalen Trinkdeckel auf den Markt gebracht, der das Sortiment an Mehrwegbechern des Unternehmens ergänzt.
Klebstoff für E-Commerce-Verpackungen
Henkel hat einen neuen Technomelt-Klebstoff speziell für den E-Commerce entwickelt, der zum Teil aus biobasierten Materialien besteht.
Smurfit Westrock entwickelt papierbasierte Palettenverpackung
Smurfit Westrock ersetzt Stretchfolien aus Polyethylen durch ein recycelbares Kraftpapier, reduziert damit CO2 und hilft Unternehmen, ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten.
RecyPac-Sammlung startet in der Schweiz
In der Schweiz startet die Branchenorganisation RecyPac mit der Sammlung von Plastikverpackungen und Getränkekartons und baut ein schweizweit flächendeckendes, einheitliches und hochwertiges Recycling für die beiden Wertstoffe auf.
Mit Mehrweg gegen den To-Go-Müll
Seit Januar 2023 gilt die Mehrwegangebotspflicht für Gastronomiebetriebe. Doch der Mehrweganteil ist bisher nicht spürbar angestiegen. Das BMEL-geförderte Projekt REPAID zeigt jetzt auf, was Politik und Gastronomie tun können.
Recycelbare Aluminiumdosen als vorgefüllte Kartuschen
Mit der Beteiligung an Meadow kann die Ball Corporation recycelbare Aluminiumdosen als vorgefüllte Kartuschen für Körperpflege- und Haushaltsprodukte anbieten.