Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD betrifft Verpackungshersteller und verpackende Unternehmen gleichermaßen: von Recyclingpflichten über chemisches Recycling bis hin zu steuerlichen Erleichterungen. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag klare industriepolitische und ökologische Leitplanken gesetzt – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die gesamte Verpackungswirtschaft. Davon betroffen sind einerseits die Unternehmen, die Verpackungen oder Verpackungsmaschinen entwickeln und produzieren, andererseits die Industrien, die verpackte Waren auf den Markt bringen – etwa die Lebensmittel-, Pharma- oder Konsumgüterbranche. Beide Seiten sehen sich neuen regulatorischen Anforderungen, aber auch strukturellen Erleichterungen gegenüber.
„Wir reformieren § 21 Verpackungsgesetz und setzen die EU-Verpackungsverordnung praktikabel um. Das chemische Recycling fügen wir in die bestehende Abfallhierarchie ein. Wir stärken Strategien zur Abfallvermeidung, zum Rezyklateinsatz und Shared Economy.“
(aus dem Koalitionsvertrag , Abschnitt Kreislaufwirtschaft)

Kreislaufwirtschaft als zentrales Thema
Einer der wichtigsten Schwerpunkte des Vertrags ist die konsequente Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Die Koalition kündigt eine Reform des § 21 Verpackungsgesetzes an und will die EU-Verpackungsverordnung (PPWR) in Deutschland praktikabel umsetzen. Das betrifft vor allem Unternehmen der Verpackungsindustrie – also Maschinenbauer, Packmittelproduzenten und Rohstoffverarbeiter. Sie müssen sich künftig verstärkt darauf einstellen, dass ihre Technologien und Materialien so ausgelegt sein müssen, dass Verpackungen besser wiederverwendet oder recycelt werden können.
Gleichzeitig wird das chemische Recycling in die Abfallhierarchie integriert. Für Hersteller von Kunststoffen und Multilayer-Materialien bedeutet das neue Spielräume – aber auch die Pflicht, ihre Produkte in Einklang mit den nun erweiterten Recyclingdefinitionen zu entwickeln. Die Regierung will außerdem gezielt Strategien zur Abfallvermeidung, zum Rezyklateinsatz und zur Stärkung von Mehrweg- und Shared-Economy-Modellen unterstützen.
Für die verpackende Industrie, etwa Lebensmittel- oder Kosmetikhersteller, ergeben sich daraus handfeste Konsequenzen: Verpackungslösungen müssen künftig höhere ökologische Standards erfüllen – sowohl was den Materialeinsatz als auch die Recyclingfähigkeit betrifft. Unternehmen werden angehalten, bereits im Produktdesign stärker auf Kreislauffähigkeit zu achten. Das bringt nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche Herausforderungen mit sich – denn je nach Materialwahl können Kosten, Verfügbarkeit und Kundenakzeptanz variieren.
Das sind die fünf wichtigsten Punkte für Verpackungshersteller
§ 21 VerpackG wird angepasst – mit neuen Anforderungen an Design-for-Recycling, Rezyklateinsatz und Mehrweglösungen.
Chemisches Recycling wird Teil der offiziellen Abfallhierarchie – neue Chancen für Material- und Technologieentwicklung.
Statt pauschalem Verbot setzt die Regierung auf risikobasierte Regulierung und Ersatz durch Alternativstoffe.
Produktionsanlagen und Testzentren können künftig durch Genehmigungsfiktion und Rahmengenehmigungen einfacher geplant werden.
Programme wie KMU-innovativ, INNO-KOM und ZIM werden gestärkt, Zugang zur KfW vereinfacht.

Chemikalienpolitik: Keine Verbote, aber klare Erwartungen
Ein weiteres zentrales Thema im Vertrag ist die Chemikalienpolitik. Die Bundesregierung bekennt sich zum Chemiestandort Deutschland und lehnt ein pauschales Verbot ganzer Stoffgruppen wie PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) ab. Stattdessen soll ein risikobasierter Ansatz verfolgt werden: Dort, wo sichere Alternativen verfügbar sind, sollen diese bevorzugt eingesetzt werden.
Das ist insbesondere für Verpackungshersteller wichtig, die PFAS in Barriereverpackungen einsetzen, etwa zur Fett- oder Wasserdampfabweisung bei Lebensmittelverpackungen. Während das Totalverbot ausbleibt, steigt dennoch der Druck zur Substitution und Innovation. Für die verpackende Industrie bedeutet das: Sie muss mit potenziellen Umstellungen rechnen und sollte frühzeitig den Dialog mit ihren Verpackungslieferanten suchen, um Lieferfähigkeit, Produktsicherheit und regulatorische Konformität sicherzustellen.

Entlastung durch vereinfachte Genehmigungen und weniger Bürokratie
Ein Lichtblick für beide Seiten der Branche sind die angekündigten Vereinfachungen bei Genehmigungsprozessen. Die Bundesregierung plant, Planungs- und Bauvorhaben schneller umzusetzen – etwa durch sogenannte Genehmigungsfiktionen, neue Rahmengenehmigungen und eine stärkere Bündelung öffentlicher Interessen. Für Verpackungsmaschinenhersteller oder Konverterbetriebe, die Produktionslinien erweitern oder neue Technologien einführen wollen, könnte das künftig Zeit und Geld sparen.
Auch die verpackende Industrie dürfte von diesen Erleichterungen profitieren, etwa bei der Umstellung auf neue Verpackungsformate, Reinigungsanlagen für Mehrwegbehälter oder der Integration digitaler Rücknahmelösungen. Der Koalitionsvertrag betont ausdrücklich, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von bürokratischer Übererfüllung europäischer Regeln verschont bleiben sollen – etwa bei der Umsetzung der EU-Taxonomie oder der neuen Nachhaltigkeitsberichtspflichten.
Auswirkungen auf verpackende Unternehmen
Künftig gelten strengere Anforderungen an Recyclingfähigkeit, Wiederverwendbarkeit und Rezyklateinsatz
Shared Economy und Rücknahme-/Reinigungssysteme rücken ins Zentrum – auch für Non-Food denkbar
Hersteller müssen sicherstellen, dass eingesetzte Verpackungen konform sind – auch bei möglichen PFAS-Substitutionen.
Die Umsetzung der CSRD und CSDDD soll für KMU entschärft und national nicht übererfüllt werden.

Steuerliche Erleichterungen und Förderprogramme
Der Mittelstand soll gestärkt werden – durch steuerliche Erleichterungen, reduzierte Nachweispflichten bei Fördermitteln und verbesserten Zugang zu Innovationsprogrammen. Programme wie KMU-innovativ, INNO-KOM oder das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) sollen ausgebaut werden. Davon profitieren sowohl Maschinen- und Materialentwickler als auch Start-ups in der Verpackungstechnologie.
Gleichzeitig bezieht der Vertrag auch große verpackende Unternehmen ein, etwa durch Förderansätze bei der Dekarbonisierung, vereinfachte Rahmenbedingungen für Investitionen oder geplante steuerliche Sonderabschreibungen im Zusammenhang mit grüner Technologie. Die klare Zielrichtung: Wer in nachhaltige Lösungen investiert, soll künftig bessere finanzielle Bedingungen vorfinden.

Europäische Vorgaben: Vereinfachen statt überfordern
Auf EU-Ebene will die Regierung einen pragmatischen Kurs einschlagen. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen wird zugesichert, dass nationale Umsetzungen nicht über die europäischen Vorgaben hinausgehen. Gerade im Hinblick auf Regelwerke wie die Entwaldungsverordnung (EUDR), die Lieferkettensorgfaltspflicht (CSDDD) oder die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) betont die Koalition ihre Absicht, bürokratiearme und praxisgerechte Lösungen zu ermöglichen. Das schafft insbesondere für international tätige Unternehmen aus dem Verpackungs- oder Konsumgüterbereich ein Stück weit Planungssicherheit.
Chancen für die einen, Druck für alle
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung stellt die Verpackungswirtschaft klar in den Dienst der Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsagenda. Er bietet Spielräume für Innovation, fördert Investitionen in moderne Recyclingtechnologien und nimmt Unternehmen zugleich stärker in die Pflicht. Für Hersteller von Verpackungen und Maschinen bedeutet das, neue Lösungen schneller zu entwickeln und marktfähig zu machen. Für die verpackende Industrie wiederum heißt es, Produkte und Prozesse regulatorisch sauber und ökologisch zukunftsfähig aufzustellen.
Wer beides schafft – technologische Weiterentwicklung und strategischen Weitblick – wird von der neuen politischen Realität nicht nur betroffen, sondern kann aktiv davon profitieren
