Zehn Jahre System Business bei MULTIVAC

Multivac Trayhandling
(Bild: Multivac)

Dem strategischen Weitblick und der bewussten unternehmerischen Entscheidung, in die Eigenentwicklung von Automatisierungslösungen zu investieren, verdankt das Unternehmen heute ein erhebliches Wachstumspotenzial und eine klare Differenzierung seiner Lösungen von anderen Marktteilnehmern. Auskunft dazu gibt Michael Lang, Vice President Geschäftsbereich Systeme bei MULTIVAC im Interview.

Michael Lang

Michael Lang

pj: Herr Lang, im Geschäftsbereich Systeme entwickeln Sie kundenspezifische Lösungen für das Automatisieren von Verpackungsprozessen. Was war der Auslöser für die Gründung des Systemgeschäfts vor genau zehn Jahren?

Michael Lang: Wie so häufig gab es nicht einen einzigen entscheidenden Auslöser, sondern mehrere Faktoren. So bekundeten damals immer mehr Kunden aus der Lebensmittelindustrie ihr Interesse an Automatisierungslösungen. Am Markt jedoch waren keine hygienegerechten Robotersysteme verfügbar, die etablierten Roboterhersteller hatten die Entwicklung von Lösungen für diesen Bedarf schlichtweg nicht auf dem Radar. Zeitgleich liefen zu diesem Zeitpunkt wichtige Patente im Bereich der Delta Roboter aus.

Die Geschäftsleitung von MULTIVAC erkannte die Zeichen der Zeit und entschloss sich zu dem strategisch wichtigen Schritt, in die Eigenentwicklung von Automatisierungslösungen zu investieren.

pj: Welche Erwartungen verband man damals mit der Gründung?

Michael Lang: Erklärtes Ziel war es, den Ausbau der Automatisierungskompetenz von MULTIVAC konsequent voranzutreiben, sich weitere Marktpotenziale zu erschließen und unser Unternehmen langfristig als Anbieter von kompletten Verpackungslinien zu positionieren. Als weltweit führender Hersteller von Tiefziehverpackungsmaschinen und Traysealern müssen wir permanent unsere Technologieführerschaft sichern und unser Kerngeschäft stärken. Dies gelingt nur, wenn wir heute schon an Lösungen für morgen arbeiten und den Mitbewerbern stets einige Schritte voraus sind.

pj: Dazu zählt auch die Erkenntnis, dass erhebliches zusätzliches Wachstum nicht nur durch die Robotik generiert werden kann, sondern ebenso durch zuverlässige Inspektionseinheiten. Wie Sie wissen, sind heute leistungsfähige Handhabungsmodule und Kontrollsysteme in der Tat ein integraler Bestandteil des Verpackungsprozesses. Die Entscheidung, in diesen Bereich zu investieren, fiel also genau zum richtigen Zeitpunkt.

pj: Wesentlicher Faktor für den Erfolg sind die Mitarbeiter mit ihrer Markt-, Fach- und Projektkompetenz. Über welche Fähigkeiten müssen sie aus Ihrer Sicht noch verfügen, um spezifische Kundenprojekte erfolgreich realisieren zu können?

Michael Lang: Der Schlüssel zum Erfolg sind vor allem die gute Zusammenarbeit im Team sowie eine positive Grundeinstellung mit hoher Motivation und großem Verantwortungsbewusstsein. Nur so lassen sich die im Projekt auftretenden Herausforderungen meistern, die bei kompletten Verpackungslinien definitiv sehr komplex und auch abteilungsübergreifend sein können. Aus diesem Grund legen wir auch viel Wert auf ein professionelles Projektmanagement, um diese Zusammenarbeit bestmöglich zu koordinieren und dabei stets auch den Kundennutzen im Auge zu behalten.

pj: Was waren die wichtigsten Meilensteine in den letzten zehn Jahren?

Michael Lang: Sicher war die Entwicklung unserer ersten Roboterzelle H 100 ein herausragendes Highlight – und der Startschuss für den darauffolgenden, kontinuierlichen Ausbau unseres Portfolios an Handhabungslösungen. 2008 ist aus meiner Sicht ebenfalls ein Meilenstein in der Geschichte des Systemgeschäfts von MULTIVAC. Mit einer Lösung, die wir auf der damaligen PackExpo in der USA präsentiert haben, waren wir zu diesem Zeitpunkt schon in der Lage, den heute medial im Fokus stehenden Industrie-4.0-Gedanken der „smarten“ Produktion zumindest in Teilen darzustellen. Diese Anlage produzierte Verpackungen mit flexiblem Inhalt nach individuellem Kundenwunsch in Stückzahl eins.

Heute bieten wir eine enorm breite Palette an Lösungen an – von kompakten Einheiten wie zum Beispiel dem Handhabungsmodul H 050 und dem H 130 angefangen bis hin zu skalierbaren Modellen, die sowohl für den Einsatz in Weißräumen als auch in Grauräumen ausgelegt sind.

Multivac Kaesehandling

Multivac Kaesehandling

Ein weiterer wichtiger Schritt war sicher auch Ihr erstes Kundenprojekt …

Michael Lang: Ja, natürlich. Die Lösung bestand aus zwei Kartonbeladern für Dattelverpackungen, und sie war für alle Mitarbeiter deswegen so entscheidend, weil es uns gelang, ohne jegliches Referenzprojekt zu überzeugen. Kurz darauf folgte die Realisierung eines Leuchtturmprojekts bei Heinz Ketchup, wo wir eine Verpackungslinie mit einer Kapazität von 1.500 Portions-Cups pro Minute entwickeln konnten. Die Funktionen umfassten eine Tiefziehverpackungsmaschine, einen Füller sowie Vision Inspektion, Laser Scoring, Packungsentnahme, Kartonbeladung mit Zwischenlagen sowie die Kartonhandhabung. Derzeit arbeiten wir gerade an einer großen, in Redundanz ausgelegten Verpackungslinie für Backwaren, bei der wir neben den eigenen Funktionen Produkttransport, Tiefziehverpackungsmaschine, Beladung, Vereinzelung, Inspektion und Kartonbeladung auch die Einbindung von Drittmaschinen konzipiert haben.

Insgesamt haben wir in diesem Jahrzehnt über 400 Kundenprojekte mit mehr als 600 Robotern erfolgreich umgesetzt – sowohl in der Lebensmittelindustrie als auch im Pharma-, Medizingüter- und Konsumgüterbereich. Aus meiner Sicht eine stolze Bilanz.

pj: Mit welchen Anforderungen aus der Industrie werden Sie aktuell konfrontiert?

Michael Lang: Wir erleben in den letzten Jahren, dass die Nachfrage nach Automatisierungslösungen insbesondere aus der Lebensmittelindustrie, aber auch aus der Medizingüterindustrie massiv ansteigt. Unser Auftragseingang im ersten Halbjahr 2017 war fast doppelt so hoch wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Die Anforderungen umfassen dabei das gesamte Spektrum vom automatischen Beladen von Produkten in die Verpackungsmaschine über intelligente Vereinzelungskonzepte bis hin zur vollautomatischen Kisten- bzw. Kartonbeladung.

Insgesamt können wir feststellen, dass sich Kunden heute mehr denn je für den Kauf kompletter Verpackungslinien entscheiden, um die klaren Vorteile im täglichen Betrieb zu nutzen. Parallel beobachten wir ein steigendes Interesse für unsere übergeordneten Linienfunktionalitäten.

All diese Tendenzen betreffen sowohl größere industrielle Verarbeiter als auch zunehmend kleinere Betriebe, die den Einstieg in einen automatisierten Verpackungsprozess wagen. Sie wissen, dass sie kaum an der fortschreitenden Digitalisierung vorbeikommen werden.

pj: Herr Lang, können Sie uns die Vorteile, die ein höherer Automatisierungsgrad bewirkt, kurz skizzieren?

Michael Lang: Gerne. Beispiel 1: Eine effiziente Handhabung großer Volumina verringert die Kosten, insbesondere wenn unsere Lösungen im Mehrschichtbetrieb eingesetzt werden, da sich die Anlagen dann besonders schnell amortisieren. Beispiel 2: Automatisierte Abläufe verbessern die Hygiene, weil der menschliche Kontakt mit den Produkten erheblich reduziert wird oder gar gegen null tendiert. Beispiel 3 betrifft die Prozesssicherheit und Qualität: Durch die Automatisierung des Prozesses inklusive übergeordneter Steuerung und umfassender Sensorik, lassen sich reproduzierbare Ergebnisse mit gleichmäßig hoher Qualität erzielen.

pj: Welche Vorteile ergeben sich darüber hinaus ganz konkret für Ihre Kunden durch die umfassende Linien- und Automatisierungskompetenz bzw. die Bündelung von Know-how in einem eigenen Geschäftsbereich?

Michael Lang: Wir sind ein zuverlässiger Partner für unsere Kunden, auch und gerade bei sehr anspruchsvollen Projekten. Denn wir bieten ein sehr breites und differenziertes Portfolio. Wir entwickeln und fertigen zudem die meisten Komponenten selbst. Und wir verfügen über umfassendes Expertenwissen sowie Marktkompetenz aus über 400 Projekten. Unsere Kunden erhalten also eine komplette Linie aus einer Hand, deren Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt und die individuell auf die jeweiligen spezifischen Bedürfnisse ausgelegt sind. Wir tragen die klare Verantwortung nicht nur für die jeweilige einzelne Maschine, sondern für die komplette Linie, also auch für die Schnittstellen und das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Module.

Wir stehen nicht nur während der Projektplanung und -realisierung, sondern auch mit einem schnellen und zuverlässigen Service, mit Ersatzteilen, neuen Einstellungen, Umrüstungen oder der Anpassung der Linie an die aktuellen Anforderungen zur Verfügung. Als Anbieter von kompletten Verpackungslinien und den damit verbundenen Vorteilen differenzieren wir uns deutlich von unseren Wettbewerbern.

pj: Die ersten zehn Jahre haben Sie erfolgreich gemeistert. Wie sieht Ihre Strategie für die Zukunft aus?

Michael Lang: Wir streben die permanente Optimierung der Gesamtlösungen für die jeweiligen Marktsegmente in verschiedenen Skalierungen an. Dies ist von Bedeutung, da wir nun auch vermehrt Lösungen im Bereich Processing anbieten und uns damit im Markt positionieren. Darüber hinaus steht der Ausbau der übergeordneten Linienfunktionalitäten auf unserer Agenda, denn die Digitalisierung schreitet sehr zügig voran. Nicht zuletzt bauen wir kontinuierlich unsere globale Präsenz aus, um möglichst nahe am Kunden zu sein.

Multivac auf der Anuga FoodTEC 2018: Halle 9.1, Stand A020