Kartonzuschnitt automatisieren – Produktschutz inklusive

Bildmontage aus einem Automatisierungsbaukasten mit der Anlagenzeichung eines Kartonfalters
Komponenten aus dem Automatisierungsbaukasten MOVI-C von SEW-Eurodrive (links im Bild, Bild: SEW-Eurodrive) steuern die Bewegungsabläufe eines Kartonfalters bei Wächter Packautomatik (rechts im Bild, Bild: Wächter Packautomatik).

Wenn man eine Verpackung sinnvoll faltet, wird das Produkt wirksam geschützt. Diese Grundidee verfolgt Wächter Packautomatik mit ihrem neuen Kartonfalter. Die komplexen Bewegungsabläufe dieser Maschine werden durch Komponenten aus dem Automatisierungsbaukasten MOVI-C von SEW-Eurodrive gesteuert.

Mit der neuen Verpackungsverordnung vom 1. Januar 2019 sind die Anforderungen an die Produktverpackung gestiegen. Nachhaltige Lösungen und umweltschonende Technologien sind gefragt. Verpackungsmaterial aus Plastik soll möglichst vermieden werden. Parallel zu dieser Tendenz zu mehr Nachhaltigkeit kann man speziell in der Möbelindustrie einen weiteren Wandel beobachten. Angetrieben durch steigende Lohnkosten bzw. mangelnde Verfügbarkeit von Arbeitskräften fordert der Markt Konzepte für automatisierte Verpackungslösungen im Allgemeinen und mit hohem Produktschutz im Speziellen.

Der Sondermaschinenhersteller Wächter Packautomatik GmbH & Co. KG ist ein traditionsreiches, familiengeführtes Unternehmen mit Sitz in Bad Wünnenberg-Haaren bei Paderborn. 1975 als Zwei-Mann-Betrieb gegründet, entwickelte sich die Firma in wenigen Jahrzehnten zu einem Spezialisten im Bereich der Endverpackung.

Darstellung einer Komplettlösung zum Verpacken mehrteiliger Komponenten bei Wächter Packautomatik

Wächter Packautomatik entwickelte unter anderem eine Komplettlösung zum Verpacken mehrteiliger Komponenten. Sie kann eine große Bandbreite von Kartongrößen verarbeiten. (Bild: Wächter Packautomatik)

Technische und wirtschaftliche Herausforderungen in diesem Zeitraum meisterte sie flexibel und zuversichtlich. Das trug ebenso zur Erfolgsgeschichte bei wie der Qualitätsanspruch „Made in Germany“, für den die international agierende Firma mit heute ca. 200 engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht.

Von Losgröße 1 bis zur Serie

Dass Wächter als Spezialist im Bereich des End-of-Line-Packaging komplexe Verpackungslinien für unterschiedlichste Produkte und Branchen baut, ist in der Fachwelt bekannt. Ein Novum dagegen ist, dass die Firma im Bereich Möbel Einzelteile verpackt – von Losgröße 1 bis zur Serienfertigung. Bei diesen Konzepten haben die Kartonzuschnitte einen integrierten Produktschutz, der beim Faltvorgang geformt wird. Dadurch ist das Produkt von allen Seiten geschützt und es sind keine weiteren, einzulegenden Verpackungsmaterialien erforderlich. So wird eine deutliche Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks dieser Produkte erreicht und gleichzeitig eine nachhaltige und effiziente Produktion gefördert.

Detailaufnahme eines zweiseitigen Bumpers oder Stoßfängers aus Wellpappe, der als Produktschutz fungiert

Beim Faltvorgang wird ein zweiseitiger Bumper (Stoßfänger) geformt. Durch diesen integrierten Produktschutz müssen keine weiteren Verpackungsmaterialien eingelegt werden. (Bild: Wächter Packautomatik)

Wächter kombiniert diese neuen Konzepte mit seinen skalierbaren und nachhaltigen Lösungen für einen vollautomatisierten Verpackungsprozess. Umweltfreundliches Verpackungsmaterial ist für den Sondermaschinenbauer eine Grundlage seines Handelns. Zudem legt das Unternehmen den Fokus auf eine wirtschaftliche Prozessoptimierung beim Verpackungsvorgang.

Individuelle Anforderungen

Bei Mitnahmemöbeln werden diverse Komponenten in einen Karton verpackt. Sie unterscheiden sich in Form, Größe, Gewicht und Material. Typische Inhalte sind Möbeleinzelteile, Beschläge, Schrauben, usw. Diese Verpackungssituation birgt laut Wächter zwei Schwierigkeiten und damit eine notwenige Prozessoptimierung in sich. Erstens: Jede einzelne Komponente hat aufgrund ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit individuelle Anforderungen an das Handling. Zweitens: Durch das Zusammenführen groß- und kleinformatiger Inhalte entsteht oft ungenutzter Leerraum, der mit Füllmaterial ausgelegt wird.

Schematische Darstellung des Faltvorgangs von Kartonzuschnitt mit integriertem Produktschutz

Integrierter Produktschutz: Durch Falzen und anschließendes Verleimen entsteht eine Führungs- bzw. Schutzkante. Daher sind keine zusätzlich einzulegenden Verpackungsmaterialien notwendig. (Bild: Wächter Packautomatik)

Optimierung kann hier durch einen automatisieren Packprozess und Prepackaging erfolgen. Aufgerichtete Kartons werden entlang einer Straße von Roboterzellen transportiert. Die einzelnen Zellen werden mit unterschiedlichen Komponenten beliefert, die Roboter wiederum packen diese Komponenten in den vorbeifahrenden Karton. Kleinteile wie Scharniere oder Einzelteile mit sensiblen Oberflächen wie Fronten werden dabei im Vorfeld separat verpackt. Zusätzlich kann Vorverpacktes direkt zum Lieferanten gebracht und erst später mit anderen Komponenten wieder zusammengeführt werden. So lassen sich komplexe Verpackungsprozesse und logistische Vorgänge entzerren und die Logistikkosten optimieren.

Skalierbare Leistung

Ein weiterer Vorteil dieses Konzeptes von Wächter ist die Skalierbarkeit der vollautomatisierten Verpackungsanlage. Der modulare Aufbau ermöglicht sowohl eine Minimal- als auch eine Maximallösung – und alle Ausbaustufen dazwischen. Die Softwarekomponenten des Automatisierungsbaukastens MOVI-C von SEW-Eurodrive ermöglichen, diesen modularen Aufbau auch in der Steuerung fortzusetzen.

Baukastensystem MOVI-C

Das Baukastensystem MOVI-C von SEW-Eurodrive (Bild: SEW-Eurodrive)

Mit passgenauen Softwaremodulen MOVIKT wie dem MultiMotion Camming (Motion-Funktionalität plus elektronische Kurvenscheibe) oder Auxiliary Positioning (Positionierung) können Antriebe über die Engineering-Software MOVISUITE leicht erweitert und per automatischer Codegenerierung aktualisiert werden. Der Programmierer fügt lediglich noch seine passenden Logikbausteine an definierten Stellen des so vorbereiteten Programmes hinzu.

Im MOVI-C CONTROLLER Power UHX85A läuft die gesamte Motion Control der verbauten Antriebstechnik. Am Beispiel des Wenders, durch den Produkte im fließenden Prozess wahlweise gewendet werden können, zeigt sich die Vielseitigkeit des MOVIKIT MultiMotion Camming. Es bietet Überlagerungsfunktionen sämtlicher verfügbaren Fahrprofile bereits standartmäßig ab Werk. So konnten die Programmierer der Firma Wächter durch eine geschickte Überlagerung der Fahrprofile von Fahr- und Drehachse recht schnell die Lösung realisieren.

Blick in einen Schaltschrank mit Modulen von SEW-Eurodrive

Der Schaltschrank beinhaltet den MOVI-C CONTROLLER Power, ein Versorgungsmodul MOVIDRIVE MDP90A und fünf Doppelachsmodule MOVIDRIVE MDD90A. Zusätzlich wurden Netzdrossel, Netzfilter und ein Bremswiderstand verbaut. (Foto: Wächter Packautomatik)

Mit dem Fahrprofil Camming lassen sich Antriebe nicht nur in diversen Variationen ein- und auskuppeln, sondern der Kurvenverlauf kann auch „on the fly“ angepasst werden. Das alles lässt sich über – bereits durch SEW – vorbereitete Strukturen im PLC-Programm ansprechen, was den Programmierern bei Wächter ebenfalls die Arbeit erleichterte.

Christian Pasing, SEW-Eurodrive

(Bild: SEW-Eurodrive)

„Mit dem Einsatz des Automatisierungsbaukastens MOVI-C zeigte sich, dass die Mitarbeiter von Wächter sehr schnell die neuen Funktionen und Möglichkeiten der Engineering-Software MOVISUITE und der eingesetzen MOVIKIT-Softwaremodule auf ihre standartisierten Programmstrukturen adaptieren konnten.“ Christian Pasing, Vertriebsingenieur Automatisierungstechnik bei SEW-Eurodrive

Besonders herausgehoben wurde auch die einfache und schnelle Inbetriebnahme des Antriebsstrangs, die die Erstinbetriebnahme von Antrieben erheblich effizienter gestaltet.

Produktive Zusammenarbeit

Mit Wächter haben die Endkunden des Sondermaschinenbauers einen Ansprechpartner für den gesamten Verpackungsprozess, vom einzelnen Förderband bis zur vollautomatischen Verpackungslinie. Ähnlich sieht es mit seinem Automatisierungspartner aus, der Firma SEW-Eurodrive. Seit über 13 Jahren begleitet Christian Pasing im Technischen Büro Dortmund den Kunden Wächter.

In dieser Zeit entstanden immer neue und interessante Motion-Control-Lösungen für die Verpackungsanlagen. Er berichtet: „In regelmäßigen Treffen tauschen wir uns über neue Funktionen auf Seiten SEW-Eurodrive bzw. neue Anforderungen seitens Wächter aus. So entstand über die Jahre ein vertrautes Geschäftsklima, das die Zusammenarbeit ausgesprochen angenehm, zielorientiert und produktiv gestaltet.“ Daher wundert es nicht, dass Pasing resümiert: „Ich freue mich bereits jetzt schon auf die nächsten Anlagen, die wir zusammen realisieren werden.“

Heiko Füller, SEW-Eurodrive

(Bild: SEW-Eurodrive)

Gastbeitrag. Autor des Beitrags ist Heiko Füller. Er ist Leiter des Markmanagements bei SEW-Eurodrive in Bruchsal.

http://www.sew-eurodrive.de/movi-c