In einem ersten Beitrag hat unser Gastautor Peter Désilets, Geschäftsführer der Pacoon GmbH, die „10 R“, die zehn wesentlichen Nachhaltigkeitsansätze zur Optimierung von Verpackungen vorgestellt. Im zweiten Teil geht es nun darum, wie man die Strategie und Packungskonzepte in der Praxis erfolgreich umsetzen kann.
EcoDesign ist mehr ist als nur Recyclingfähigkeit und Materialreduktion. Verpackungskonzepte als Ganzes müssen hinterfragt werden. Denn nur wer seine wichtigsten Hebel kennt, weiß auch, wo er ansetzen muss, um die größten Effekte zu erzielen.
Eine schnelle Klimaneutralitätsanalyse, die nebenbei auch noch kommunikative Argumente liefert, ist zu empfehlen. Oder direkt eine Life-Cycle-Analyse, die etwas umfangreicher ist. Daraus lassen sich die übergeordneten Ziele ableiten und auf die komplette Supply Chain anwenden. Innovative Konzepte erfordern auch, dass neue Ansätze, neue Materialien und ein veränderter Auftritt zugelassen werden. Die richtige Kommunikation auf der Packung ist es außerdem, die darüber entscheidet, ob der Verbraucher die Bemühungen wahrnimmt.
Praktische Schritte zur Definition der Unternehmensstrategie
Folgende Empfehlungen gibt Pacoon Unternehmen, um eine klare Verpackungsstrategie zu verfolgen
- Verstehen Sie die Umweltauswirkungen Ihres Unternehmens besser. Dabei ist eine CO2-Analyse oder Life-Cycle-Analyse hilfreich. Sie zeigt die größten Hebel für die weiteren Aktivitäten auf, die in der Regel mittelfristig auch mit Kosteneinsparungen verknüpft sind. Unternehmen erhalten wertvolle Einsichten, um Maßnahmen einzuleiten, und können diese sogar kommunizieren, dass und wie Sie Ihren CO2-Fußabdruck reduzieren und kompensieren.
- Definieren Sie Ihre Ziele und fassen Sie diese nicht zu eng. Richten Sie Ihre Strategie als Erstes auf Ihre Nachhaltigkeitsziele und Absatzmärkte aus. Für den Export gelten häufig unterschiedliche Anforderungen. Seien Sie offen für neue Entwicklungen und vermeiden Sie Insellösungen, die meist teuer und zeitintensiv sind.
- Neue Lösungen durch Total-Cost-Optimierung. Viele Unternehmen halten seit Jahrzehnten an gängigen Prozessen fest und optimieren die Kosten nur noch marginal. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass die günstigsten Beschaffungskosten für jeden einzelnen Verpackungsschritt nicht unbedingt auch die niedrigsten Kosten und besten CO2-Werte für den kompletten Prozess bedeuten. Die Gesamtbetrachtung zeigt in der Regel zweistellige Einsparpotenziale und neue Prozesswege auf.
- Involvieren Sie Ihre Supply Chain. Potenziale zur CO2-Optimierung liegen häufig auch bei den vor- und nachgelagerten Services und Lieferanten. Das nachhaltigste Material aus entfernten Regionen zu beschaffen, kann den Umweltaspekt konterkarieren. Motivieren Sie Ihre Partner und treiben Sie sie zu Verbesserungen an – oder machen Sie deren Umweltbemühungen zu einem Auswahlkriterium Ihrer Beschaffung.
- Fordern Sie EcoDesign mit neuen Ansätzen heraus. Statt nur das umweltfreundlichste Material auszuwählen, liegt die beste Lösung meist im Mix. Bei der Umstellung auf ein anderes Verpackungsmaterial werden meist nur die direkten Materialkosten verglichen. Dies ist eine Folge der Spezialisierung des Einkaufs auf seine Bereiche. Wir kennen genug Beispiele, wo die wahren Sparpotenziale im restlichen Druckprozess verborgen sind. Das erfordert aber, dass man neue Lösungen auch zulässt und anfragt. Wer immer die gleiche Spezifikation vorgibt, erhält auch sehr ähnliche Lösungen.
Diese Empfehlungen zur Entwicklung und Umsetzung der Verpackungsstrategie sowie die „10 R der Nachhaltigkeit bei Verpackungen“ sind als Download-Flyer verfügbar unter http://www.pacoon.de/nachhaltigkeit.
Sprechen Sie das Gehirn an
Wenn Unternehmen beginnen, ihre Prozesse zu hinterfragen, sollten sie auch die Anwendung und Form ihrer Verpackung auf den Prüfstand stellen. Viele Produkte und Verpackungen existieren seit Jahren so, wie sie auf dem Markt sind. Dabei werden Nachteile häufig ausgeblendet, weil man es „schon immer so kennt und macht“ oder die Produktionsprozesse dahin gehend getrimmt wurden.
Erlauben Sie in der Kreativphase für die Verbesserungen Ihrer Verpackungen auch andere oder kompaktere Formen. Sie können nicht nur mit besserer Akzeptanz beim Konsumenten rechnen, sondern erreichen, dass Ihr Kunde den Wandel bzw. die nachhaltigere Verpackung und damit Ihre Bemühungen auch wahrnimmt.
Darum verpuffen Ihre Neuerungen häufig
Unser Gehirn ist durch die Evolution auch zu mehr Nachhaltigkeit optimiert worden. Es wendet dann Energie auf, wenn es neue Informationen zu verarbeiten gilt. Um Energie zu sparen – und somit die Nahrungssuche zu reduzieren –, werden bereits bekannte Informationen nicht weiterverarbeitet.
Wenn ihre Verpackung nach einem Materialwechsel oder Nachhaltigkeits-Relaunch möglichst unverändert bleibt – häufig mit dem Ziel, die Stammverwender nicht zu verlieren –, dann registriert das Gehirn diese Neuerung nicht, und Ihre Neuerung verpufft bei dem Verwender.
Wenn Sie aber die Wiedererkennung gewährleisten und gleichzeitig neue Impulse integrieren, erreichen Sie, dass der Strom des Gehirns eingeschaltet bleibt. Wahrnehmbare Veränderungen sind ein gut sichtbarer Störer, eine andere Packungsform, eine andere Haptik des Materials oder ein verändertes Design.
Wiedererkennung ja, unverändertes Design nein
Aber Vorsicht: zu viel Neuerung und fehlende Wiedererkennung können zu einem „Kurzschluss“ führen. Der Konsument erkennt sein „altes“ Produkt nicht mehr, und Sie riskieren, Ihren Kunden zu verlieren.
Das ist wohl die Furcht, warum viele lieber nichts oder nur wenig ändern, statt die Chance zu sehen, durch optimierte Verpackungen neue Verwender zu finden und treue Stammkunden noch mehr zu begeistern.
Beispiele neuer Packungskonzepte
Die Kekspackung einer bekannten Marke haben die Designer als Konzeptstudie entwickelt. Neben dem Ansatz, den Materialmix aus Folie und Papier hin zu Monomaterial Papier/Pappe zu verändern, wurde auch das Packungskonzept optimiert. Verschiedene Ansätze wurden erwogen, letztendlich entschied man sich für eine praktische, wiederverschließbare Box als Projektstudie.
Ziel war es, das bemängelte Handling des Originals (Öffnung, Entnahme, Verschluss) zu verbessern, ohne an Regalimpact und Wiedererkennung zu verlieren. Das kompaktere Packungsformat ermöglicht eine deutliche Materialeinsparung, da die Relation Packungsoberfläche zu Inhalt optimiert wurde. Gleichzeitig erhöht die Packung durch einen besseren Stand die Stapelbarkeit. Die Folie wurde komplett ersetzt durch eine beschichtete Kartonage mit MOSH/MOAH, Licht-, Luft- und Fettbarriere.
Die Packung ist für das Papierrecycling geeignet und kann somit in vielen Ländern gut recycelt werden. Quasi jedes industrialisierte Land verfügt bereits über eine eigene Papierproduktion, der wiederum häufig ein Recycling angeschlossen ist.
Wichtige Kosteneinsparpotenziale stecken im Prozess
Für SKF, einen weltweit agierenden Automotive-Zulieferer, hat die Agentur 2016 das Design der Verpackungen optimiert. Durch ein modernes, auf alle Formate einfach adaptierbares und farblich reduziertes Design entstanden in einem ersten Schritt bereits große Einsparungen durch das Anlegen von Druckdaten und den günstigeren Druck mit nur einer Farbe statt bisher sechs bzw. sieben Farben.
Gleichzeitig bot das nicht mehr produktindividuelle Packungsdesign die Möglichkeit, ein Packungsformat für unterschiedliche Produkttypen zu nutzen. In einem nächsten Schritt wurde die Zusammenlegung der Packungsgrößen anvisiert, um die Komplexität von Bestellung, Lagerung, Logistik und Transport deutlich zu reduzieren.
Marktchancen durch Innovation und Nachhaltigkeit
Der Markt hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren deutlich verändert, es kommen sehr viele neue Materiallösungen auf den Markt, die sich stark mit der Recyclingfähigkeit befassen. Dabei sehen die meisten Unternehmen den Materialtausch noch als wichtigstes Ziel an. Leider wird in diesem Zuge häufig die Option außer Acht gelassen, dass ein neues Packungskonzept und ein optimierter Prozess nicht nur deutliche Kostenvorteile bringen können, sondern auch für die eigene Marke einen Innovations- und Nachhaltigkeitsvorsprung gegenüber anderen Marken und Eigenmarken bieten.
Dieser Gedanke muss aber in der Topmanagementebene angestoßen werden, da die Änderungen abteilungs- und verantwortungsübergreifend und nicht bei einem einzelnen Einkäufer, dem Verpackungsentwickler oder dem Produktionsverantwortlichen eines speziellen Verpackungstyps stattfinden müssen.
Gastautor: Peter Désilets, Geschäftsführer der Pacoon GmbH, einer Designagentur für nachhaltige Verpackungslösungen mit Sitz in München und Büro in Hamburg.
Mehr zum Thema nachhaltige Verpackungen und ersten Schritten hin zu EcoDesign: EcoDesign bei Verpackungen (1): Lösungssuche und Strategieentwicklung