Engpässe in der Lieferkette: Wenn Verpackungen knapp werden

Um die Lieferfähigkeit von verpackten Lebensmitteln und anderen Produkten sicherzustellen, fordert unter anderem der Branchenverband IPV eine gute Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette ein. (Bild: Shutterstock / peter jesche)

Zum Jahresausklang präsentieren wir noch einmal unsere meistgeklickten Artikel des Jahres 2021. Platz 7: Lieferengpässe im Sommer


Unterbrochene Lieferketten, knappe Rohstoffe und explosionsartig gestiegene Einkaufspreise. Blickt die Verpackungsindustrie auf einen Krisensommer?

Klopapier, Nudeln und Erbsensuppe. Es waren diese drei Produkte, die symbolisch wurden für das häufig zitierte Phänomen der Hamsterkäufe zu Beginn der Pandemie. Klopapier, Nudeln und Suppen sind längst wieder immer und überall bei uns verfügbar. Aber vielleicht sollte man damit anfangen, leere Dosen, Nudelpackungen und Kunststofffolie zu hamstern, denn längst trifft es unsere Branche. Lieferausfälle und gestiegene Preise sorgen für Engpässe bei Verpackungen.

„Die Verpackungskrise erreicht Deutschland.“ Diese Schlagzeile ging vergangenen Monat durch deutsche Medien. Anlass war eine erneute Warnung der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), die noch einmal auf den Punkt brachte, was vielen in der Branche längst aus ihrem unternehmerischen Alltag klar war: Fehlende Rohstoffe und sprunghaft gestiegene Preise sorgen in der Verpackungsindustrie für teils große Sorgenfalten.

Kaum Entspannung in Sicht

Bereits im März hatten acht von zehn Herstellern von Kunststoffverpackungen angegeben, dass ihre Produktion und damit ihre Lieferfähigkeiten eingeschränkt sind. Zwei Monate später ist der Anteil derer, die mit Einschränkungen in geringem oder mittlerem Umfang rechnen, noch einmal gestiegen. Immerhin: Für die nächsten drei Monate sehen die von der IK befragten Unternehmen einer Seitwärtsbewegung, wenn auch auf einem sehr niedrigen Niveau entgegen.

Die Havarie des Containerschiffs "Ever Given" im Suezkanal hatte Auswirkungen auf die globale Logistikkette.

Die Havarie des Containerschiffs “Ever Given” im Suezkanal hatte Auswirkungen auf die globale Logistikkette. (Bild: Shutterstock / Corona Borealis Studio)

Schuld daran ist nicht zuletzt die Blockade des Suez-Kanals. Viele Rohstoffe aus dem Mittleren Osten und den USA wurden daraufhin nach Asien umgelenkt und fehlen bis heute im europäischen Markt.

Preise sind teilweise explodiert

Die Knappheit führte dazu, dass die Preise von Verpackungsrohstoffen seit Februar um etwa die Hälfte gestiegen sind. Im Kunststoffbereich spricht IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann von einer regelrechten Preisexplosion. LDPE und LLDPE hätten seit Jahresbeginn im Mittel über 60 Prozent zugelegt, ebenso wie EPS.

IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann. (Bild: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen)

(Bild: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen)

„Derartige Preissteigerungen atmet die überwiegend mittelständisch geprägte Industrie nicht einfach weg.“  Dr. Martin Engelmann, IK-Hauptgeschäftsführer

IK Blitzumfrage: Kunststoffpreise steigen auf historische Höchststände

Der Ausblick ist für viele Unternehmen also nicht gerade rosig. Zu diesem Ergebnis kommt auch der IPV Industrieverband Papier- und Folienverpackung in seiner gerade vorgelegten Branchenumfrage. Während einige Verbandsmitglieder zwangsweise größere Mengen bevorraten müssen, haben andere Probleme mit der Produktion. Die unerwarteten Lieferverzögerungen haben Umstellungen des Produktionsplans erforderlich gemacht und vereinzelt zur Zurückstellung von Aufträgen geführt. Schon jetzt sei klar, dass die Rohstoffverknappung und die Verteuerung der Transporte weiterhin Einfluss auf die Preise haben werden.

IPV-Mitglieder blicken besorgt in die Zukunft

Auch Papier und Wellpappe knapp

Große Engpässe gibt es auch im Bereich der Papier- und Wellpappeproduktion. Von dramatischen Zügen spricht ein Hersteller in Bezug auf die Rohstoffversorgung mit Altpapier. Viele Lieferanten seien nicht mehr in der Lage, die zugesagten Mengen zu liefern. „Die Kostenspirale für die Wellpappenindustrie dreht sich weiter – und ein Ende dieser Dynamik ist nicht erkennbar“, erklärt der Vorsitzende des Verbands der Wellpappen-Industrie (VDW), Steffen P. Würth. Kosten, die sich nicht so leicht auf Kunden abwälzen ließen, da sie kaum vermittelbar seien.

Dr. Steffen P. Würth

Dr. Steffen P. Würth, Vorsitzender des VDW

„Einer derartig steigenden Belastung durch die Kostenseite wird jedoch auf Dauer nicht jedes Unternehmen in gleichem Maße standhalten können.“
Steffen P. Würth, VDW-Vorsitzender

 

Die komplette Lieferkette ist gefordert

Die Verbände werben auch deswegen um eine bessere Zusammenarbeit. Um die Lieferfähigkeit von verpackten Lebensmitteln und anderen Produkten sicherzustellen, käme es auf eine gute Zusammenarbeit der gesamten Lieferkette an, so der IPV in einer Mitteilung. Und die IK appelliert an die Kunststoff erzeugende Industrie, Verpackungshersteller nicht hängen zu lassen. Sie müsse alle Hebel in Bewegung setzen, um die Situation so schnell wie möglich zu entschärfen.

Fest steht, das sind keine schönen Aussichten für eine Industrie, die sich zu Beginn der Pandemie noch selbstbewusst gegenseitig auf die Schulter klopfen konnte. Der Freude über die Tatsache, dass Verpackungen endlich als systemrelevant eingestuft wurden, folgt jetzt eine Krise, die ironischerweise noch einmal genau das aufzeigt. Nämlich, wie wichtig Verpackungen sind und wozu es führen kann, wenn sie fehlen.

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