Stellantriebe in der Formatverstellung: Interview mit Jürgen Schuh (SIKO)

Hohe Flexibilität moderner Produktionsanlagen – automatische Formatverstellung im Fokus. (Bild: SIKO GmbH)

Die Kernkompetenz der SIKO GmbH, Buchenbach, liegt in der Lösung unterschiedlichster Messaufgaben: der Längen-, Winkel- und Drehzahlmesstechniksowie dem Messen von Neigungoder Geschwindigkeit. Aufbauend auf diesem Know-how entwickelt und produziert das Unternehmen wegweisende Messgeräteund Positioniersystemeauch für Automatisierungsprozesse im Verpackungsbereich.

Die Anforderungen an die Flexibilität moderner Produktionsanlagen nehmen immer weiter zu. Bei einer großen Produktvielfalt und immer kleiner werdenden Losgrößen rückt vor allem eine optimale Anlagenverfügbarkeit in den Fokus.

Kurze Rüstzeiten sind daher eine Standardanforderung für Produktions- und Verpackungsmaschinen. Manuelle oder überwachte Formatumstellungen stoßen hier oft an ihre Grenzen. Der nächste Schritt ist logischerweise die vollständige Automatisierung der Verstellungen über Kompaktantriebe ohne manuelle Eingriffe.

Zwei Gründe sprechen für eine Automatisierung: Einerseits verringern sich die Umrüstzeiten deutlich, was gerade bei häufigen Produktwechseln interessant ist. Andererseits gibt es häufig Achsen, die schwer zugänglich oder nur durch Entfernen von Verkleidungsteilen zu erreichen sind.

Jürgen Schuh, Vertriebsleiter weltweit der Siko GmbH (Bild: SIKO GmbH)

Jürgen Schuh, Vertriebsleiter weltweit der Siko GmbH (Bild: SIKO GmbH)

pj: Herr Schuh, bei der Automatisierung mit Stellantrieben geht es ausschließlich um Spindelverstellungen, da der Stellantrieb ein rein rotatives System ist. Wie funktionieren kompakte Positionierantriebe zur einfachen Automatisierung vorhandener Verstellachsen?

Jürgen Schuh: Stellantriebe zeichnen sich insbesondere durch ihre kompakte Bauweise aus und können direkt mit der Steuerung verbunden werden. Der Kunde muss auch die mechanische Konstruktion, die er für eine manuelle Formatverstellung vorgesehen hatte, für den Antrieb nicht anpassen.

Einfaches Aufstecken der Hohlwelle an die Spindel ermöglicht die automatisierte Verstellung. In den Maschinenaggregaten ist der Platz oft sehr begrenzt, sodass Geräte gefragt sind, die trotz ihrer geringen Größe hohe Leistung und umfangreiche Funktionalität bieten müssen. Die Kompaktstellantriebe von Siko heben sich dabei von anderen Systemen deutlich ab.

pj: Die Bandbreite bei Formatverstellungen ist ja relativ groß. Welche Leistungsklassen stehen für die unterschiedlichen Anwendungen in der Praxis zur Verfügung?

Mit einem maximalen Nenndrehmoment von 14 Newtonmeter ist der AG24-Positionierantrieb ein echtes Kraftpaket für die Formatverstellung. (Bild: SIKO GmbH)

Mit einem maximalen Nenndrehmoment von 14 Newtonmeter ist der AG24-Positionierantrieb ein echtes Kraftpaket für die Formatverstellung. (Bild: SIKO GmbH)

Mit einem maximalen Nenndrehmoment von 14 Newtonmeter ist der AG24-Positionierantrieb ein echtes Kraftpaket für die Formatverstellung. (Bild: SIKO GmbH)Jürgen Schuh: Bei Verpackungsmaschinen, wo komplette Zuführsysteme für Kartonagen je nach Verpackungsgröße in der Breite eingestellt werden müssen, also ganze Maschinenaggregate bewegt werden, benötigt man relativ hohe Drehmomente, die über zehn Newtonmeter hinausgehen können. Als größerer Siko-Antrieb eignet sich hier der AG24.

Im mittleren Leistungsbereich existiert eine große Bandbreite an Verstellungsanforderungen. Ein Klassiker ebenfalls im Verpackungsbereich sind die sogenannten Kartonaufrichter. Für diese Anwendungen eignen sich Antriebe aus dem Leistungsbereich zwischen 50 und 70 Watt wie der AG25.

pj: Wie funktioniert der Prozessdatenaustauch, und was ist besonders zu beachten?

Jürgen Schuh: Durch diverse Standardschnittstellen ist eine direkte Kommunikation mit der übergeordneten Maschinensteuerung (SPS) möglich. Diese fungiert als Leitstelle, die dem Antrieb die Sollwerte und auch den Startbefehl vorgibt. Die Regelung der vollautomatisierten Positionierung hinsichtlich Zielwert und Geschwindigkeit erfolgt jedoch innerhalb des Antriebs.

Die sogenannten Prozessdaten, also Position, Geschwindigkeit, Drehrichtung, werden dann kontinuierlich bereitgestellt und können auch von der Steuerung ausgelesen werden. Diese Funktion ist wichtig für die Überwachung und Diagnosemöglichkeiten, wenn Unregelmäßigkeiten oder Fehler auftreten.

pj: Welche Möglichkeiten der Parametrierung stehen zur Verfügung?

Kartonaufrichter mit SIKO-Kompaktstellantrieben der Baureihe AG05. (Bild: SIKO GmbH)

Kartonaufrichter mit SIKO-Kompaktstellantrieben der Baureihe AG05. (Bild: SIKO GmbH)

Jürgen Schuh: Der einfachste Parameter ist die Festlegung der Verstellung in Millimeter. Darüber hinaus lassen sich auch Beschleunigungs- und Bremsrampen programmieren, sodass festgelegt wird, wie schnell der Antrieb beschleunigt und wie schnell oder langsam er wieder abbremst. Auch weitere Regelparameter können eingestellt werden, um z. B. unterschiedliche Massen mit unterschiedlichen Trägheitsmomenten richtig positionieren zu können.

Die vielen Möglichkeiten der Parametrierung bieten dem Maschinenbauer sehr viel Flexibilität und Funktionalität. Alle können über die Busschnittstelle variabel eingestellt oder direkt am Stellantrieb über Programmiertools konfiguriert werden, falls der Zugriff über eine Busschnittstelle aufgrund fehlender Verfügbarkeit der Steuerung nicht möglich ist.

pj: Stichwort Predictive Maintenance: Was ist in diesem Zusammenhang darunter zu verstehen?

Jürgen Schuh: Hinter diesem Aspekt verbirgt sich die Diagnosefähigkeit, die in den Stellantrieben steckt. Über diverse Anzeigewerte und Parameter des Antriebs lassen sich Rückschlüsse auf den Betriebszustand sowohl des Antriebs als auch der Anlage generell ziehen, um so frühzeitig Unregelmäßigkeiten oder Wartungsbedarf zu erkennen. Die Diagnosewerte Strom, Temperatur und Spannung geben darüber Auskunft.

Natürlich werden die Daten auch an die übergeordnete Steuerung rückgemeldet, sodass auch hier z. B. die Temperatur kontinuierlich überwacht und entsprechende Maßnahmen eingeplant werden können. Auch im Antrieb gibt es Sicherheitsmaßnahmen, die den Antrieb vom Netz nehmen, wenn Strom oder Temperatur Grenzwerte überschreiten, um Beschädigungen zu vermeiden. Jedoch handelt es sich in diesem Fall nicht mehr um „Predictive Maintenance“, sondern „Immediate Maintenance“, eher „preventive Maintenance“.

pj: Würden Sie abschließend bitte noch einige anspruchsvolle und interessante Beispiele aus der Praxis kurz erläutern?

Kompaktstellantrieb AG05 zur automatisierten Formatverstellung an einer Verpackungsmaschine der Firma ADCO (USA) (Bild: SIKO GmbH)

Kompaktstellantrieb AG05 zur automatisierten Formatverstellung an einer Verpackungsmaschine der Firma ADCO (USA) (Bild: SIKO GmbH)

Jürgen Schuh: Ich möchte hier gar kein Beispiel besonders hervorheben. Denn auch wenn die Bedingungen sehr unterschiedlich sein können, sind doch die Aufgabe und der Nutzen prinzipiell immer gleich: Die Verpackungsmaschinen der Kunden sind mit Spindeln ausgerüstet, die bei einem Produktwechsel auf ein neues Maß verstellt werden müssen.

Bei ADCO in den USA werden z. B. Faltschachteln aufgerichtet, bevor die Ware eingelegt werden kann. Wenn sich nun für ein anderes Produkt oder eine andere Füllmenge das Verpackungsformat ändert, muss die Maschine auf dieses neue Maß eingestellt werden.

Bei der ursprünglich händischen Verstellung wurde per Hand gekurbelt, bis die Einstellung (hoffentlich) stimmte. Mit unseren Stellantrieben erfolgt das alles per Knopfdruck über die Steuerung (SPS) und viel schneller. Es muss nicht einmal der Maschinenkörper geöffnet werden. Das spart Geld und ist absolut prozesssicher, da die hinterlegten Werte und die Vollautomatisierung mögliche falsche Einstellungen, die durch menschliche Bediener passieren könnten, ausgeschlossen werden. Das gleiche Prinzip gilt auch für weitere Verpackungsmaschinenhersteller.

Siko auf der FachPack 2019: Halle 3, Stand 140

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