Biokunststoffe sind im Verpackungsbereich auf dem Vormarsch

Der Verpackungssektor ist und bleibt das mit Abstand stärkste Marktsegment für Biokunststoffe mit derzeit knapp 40 Prozent an der gesamten weltweiten Biokunststoffproduktion (1,6 Millionen Tonnen im Jahr 2016). In den kommenden Jahren bis 2021 wird dieser Anteil auf 44 Prozent und rund 2,5 Millionen Tonnen weiter ansteigen. Was erklärt ihren rasanten Anstieg?

Biokunststoffe erfahren derzeit eine regelrechte Renaissance. Laut der aktuellsten Marktdatenauswertung von European Bioplastics (in Zusammenarbeit mit dem nova-Institut) wird der weltweite Markt für Biokunststoffe in den kommenden Jahren um rund 50 Prozent weiter wachsen, von derzeit 4,16 Millionen Tonnen auf etwa 6,11 Millionen Tonnen im Jahr 2021.

Katrin Schwede

Katrin Schwede

„Wir erwarten in den kommenden Jahren einen starken Anstieg von PEF, einem neuen innovativen Material ähnlich PET, jedoch zu 100 Prozent biobasiert und ausgestattet mit verbesserten Barriereeigenschaften, die es erlauben, die Materialdicke zu reduzieren und somit Ressourcen zu schonen“, so Katrin Schwede, Leiterin Kommunikation bei European Bioplastics, dem europäischen Verband der Biokunststoffindustrie.

Den Trend im Verpackungsbereich bestätigte auch die diesjährige interpack, auf der 2017 vor allem drei Themen dominierten: Innovation, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Neben den mehr als 30 Biokunststoffunternehmen, die ihre innovativen biobasierten und/oder biologisch abbaubaren Materialien und Produkte auf der Messe präsentierten, stellten auch viele konventionelle Verpackungsproduzenten biobasierte oder biologisch abbaubare Alternativen zusätzlich zu ihrem herkömmlichen Verpackungssortiment vor. Diese Unternehmen haben erkannt, dass es sich nicht nur lohnt, biobasierte Verpackungslösungen anzubieten, sondern dass es aufgrund der immer weiter steigenden Nachfrage nach nachhaltigeren Verpackungslösungen vonseiten der Kunden, Handelsunternehmen und Verbrauchern eine unverzichtbare Umstellung ist.

So werden viele Verpackungen bereits heute aus biobasierten Kunststoffen hergestellt, zum Beispiel im Kosmetik- und Reinigungsmittelbereich für Shampoo- oder Waschmittelflaschen, aber auch im Nahrungsmittelbereich bei Getränkeflaschen oder bei Verpackungen für Schokoriegel, Kaffee, Müsli und Tees. Hier finden vor allem Materialien wie PLA, biobasiertes PE oder biobasiertes PET Anwendung.

Biobasierte und biologisch abbaubare funktionale Barrierebeschichtung entwickelt vom Fraunhofer ISC bioORMOCER. Bild: ©Knud Dobberke für Fraunhofer ISC

Biobasierte und biologisch abbaubare funktionale Barrierebeschichtung entwickelt vom Fraunhofer ISC bioORMOCER. Bild: ©Knud Dobberke für Fraunhofer ISC

Wachstumstreiber PLA

Im Bereich der biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffe ist PLA ein wesentlicher Faktor. PLA verfügt über hervorragende Barriereeigenschaften und ist vielseitig einsetzbar, vor allem im Verpackungsbereich. Zudem bieten einige Firmen neue Hochleistungs-PLA-Sorten an, die sehr hohen Temperaturen standhalten können, die dann zwar nicht für die industrielle Kompostierung, aber hervorragend für dauerhafte Anwendungen geeignet sind.

Biologisch abbaubare Verpackungen werden vor allem im Bereich der Frischlebensmittel immer beliebter. Flexible Verpackungslösungen aus PLA, PHA, PBAT, PBS und Stärkeblends sind besonders geeignet für frische Nahrungsmittel wie Obst oder Gemüse, da sie die Haltbarkeit der Produkte verlängern und somit Lebensmittelverschwendung reduzieren. Zudem ist die Verwendung von kompostierbaren Kunststoffverpackungen ein deutlicher Vorteil, wenn die Verpackungen mit verdorbenen Nahrungsmitteln oder Nahrungsmittelresten vermischt sind. Unter diesen Bedingungen ist ein mechanisches Recycling der Verpackung nicht möglich. Die kompostierbare Verpackung kann jedoch zusammen mit den Lebensmittelresten dem organischen Recycling zugeführt werden. Das ermöglicht zum einen die in der EU-Abfallhierarchie bevorzugte Umstellung von der energetischen Verwertung oder gar Deponierung hin zum Recycling. Zum anderen trägt die Verwendung von kompostierbaren Verpackungen und Bioabfallbeuteln dazu bei, mehr Biomüll getrennt zu sammeln und zu wertvollem Kompost oder Biogas zu verarbeiten.

Mehrschichtige Folie aus thermoplastischer Stärke (TPS) und PHA mit hervorragenden Barriereeigenschaften für die Verwendung für Lebensmittelverpackungen. Bild: ©School of Chemical Engineering, University of Queensland

Mehrschichtige Folie aus thermoplastischer Stärke (TPS) und PHA mit hervorragenden Barriereeigenschaften für die Verwendung für Lebensmittelverpackungen. Bild: ©School of Chemical Engineering, University of Queensland

Umdenken der Verpackungswirtschaft

Die Gründe für das zunehmende Umdenken der Verpackungswirtschaft hin zu biobasierten und biologisch abbaubaren Verpackungslösungen sind vielschichtig. Zum einen steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Verpackungen aufgrund des gestiegenen Bewusstseins über die Auswirkungen von fossilen Rohstoffen auf die Umwelt und das Klima. Der entscheidende Vorteil der Biokunststoffe gegenüber herkömmlichen Kunststoffen liegt in ihrem Potenzial, die Abhängigkeit von endlichen fossilen Rohstoffen zu reduzieren, denn bei dem Umstieg von herkömmlichen Kunststoffen auf Biokunststoffe werden fossile Rohstoffe durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt, sodass dadurch der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden kann. Das schont nicht nur das Klima, sondern auch die Ressourcen.

Zum anderen suchen immer mehr Unternehmen nach innovativen Wegen, um der stetig steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Verpackungslösungen nachzukommen, ohne Kompromisse bei Eigenschaften und Profitabilität machen zu müssen. Zu fast jedem herkömmlichen Kunststoffmaterial und für fast jede Anwendung von herkömmlichen Kunststoffen gibt es bereits heute eine gleichwertige (oder sogar bessere) Alternative aus Biokunststoffen. Verpackungen aus biobasierten Kunststoffen bieten das gleiche Qualitätsniveau und technische Eigenschaften wie herkömmliche Verpackungen. Zum Beispiel halten sie Lebensmittel sicher frisch, sind hitzebeständig und bieten optimale Barriereeigenschaften.

Zudem hat die Biokunststoffindustrie in den vergangenen Jahren verstärkt in die Entwicklung neuer innovativer Materialien mit verbesserten Eigenschaften und höherer Funktionalität investiert. Funktionale biologisch abbaubare Beschichtungen bieten beispielsweise eine nachhaltige Alternative zu Mehrschichtverbundverpackungen, da nur noch eine Folie notwendig ist, um frische Nahrungsmittel zu schützen und damit die Menge an Verpackungsmaterial zusätzlich reduziert werden kann.

Einige dieser neuesten Entwicklungen werden am 28. und 29. November 2017 in Berlin auf der 12. European Bioplastics Konferenz vorgestellt, veranstaltet durch European Bioplastics.

Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC wird neue funktionale Beschichtungen für biologisch abbaubare Verpackungen präsentieren, die hervorragende Barriereeigenschaften gegen Wasserdampf, Sauerstoff und Aromen aufweisen und nachweislich für Lebensmittel geeignet sind.

Die Universität von Queensland wird zudem die neuesten Entwicklungen im Bereich der biologisch abbaubaren Multilayer-Verpackungen vorstellen. Das australische Forscherteam entwickelt geschichtete Materialien aus thermoplastischer Stärke (TPS) und PHA für die Verwendung für Lebensmittelverpackungen mit hohen Barriereeigenschaften. Untersuchungen zur Ökobilanz des Materials versprechen ausgezeichnete Werte bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

Unter dem Motto „Making the Difference“ wird sich die zweitätige Konferenz dem Beitrag der Biokunststoffbranche zu einer nachhaltigeren und ressourcenschonenderen Kunststoffwirtschaft widmen. Themenschwerpunkte bilden dabei die aktuellen politischen Entwicklungen auf EU-Ebene, Material- und Produktinnovationen, Entsorgung sowie Einblicke in die Marken- und Verbraucherperspektive.

Mehr Informationen zur 12. European Bioplastics Konferenz unter http://www.conference.european-bioplastics.org.

Verpflichtung der Europäischen Kommission

Nicht zuletzt tragen EU-Vorschriften, wie die Reduzierung von Plastikbeuteln oder die Unterstützung von bio-basierten Materialien in Verpackungen, dazu bei, die Marktentwicklung für Biokunststoffe zu fördern. Das Anfang des Jahres in Deutschland verabschiedete Verpackungsgesetz unterstützt z. B. ausdrücklich die Verwendung von Recyclingmaterial oder Material aus erneuerbaren Rohstoffen für die Herstellung von Verpackungen. Dies ist ein wichtiges Signal für die Biokunststoffindustrie, denn erstmals werden biobasierte und recycelte Materialien als gleichberechtigte Lösungen für nachhaltigere Verpackungen und die Reduzierung unserer Abhängigkeit von fossilen Ressourcen anerkannt. Auch Frankreich verabschiedete 2016 ein Gesetz für Grünes Wachstum und die Energiewende und legte darin fest, dass bestimmte Kunststoffanwendungen, einschließlich dünner Tragetaschen in Supermärkten sowie Obst- und Gemüsebeutel, Verpackungen für Postwurfsendungen und Einweggeschirr, biobasiert und heimkompostierbar sein müssen.

Diese Entscheidungen stellen eine wichtige Chance für die europäische Biokunststoffindustrie dar, die in den vergangenen Jahrzehnten stark in die Entwicklung innovativer Materialien investiert hat und geeignete biobasierte und biologisch abbaubare Materialien für Produkte wie Lebensmittelverpackungen, Beutel und Einweggeschirr verfügbar gemacht hat. Die Verpflichtung der Europäischen Kommission zum Wandel vom linearen Wirtschaftsmodell hin zu einer Kreislaufwirtschaft wird auch in den kommenden Jahren dazu beitragen, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen aus Biokunststoffen im Verpackungsbereich und darüber hinaus weiter steigen wird.