Digitaldruck wird bereits heute bei der Verpackungsentwicklung eingesetzt und verspricht im Zusammenspiel mit innovativem Marketing gute Erfolge. Potenziale und Möglichkeiten sind aber noch längst nicht ausgelotet, und die Transformation hin zur Wirtschaft 4.0 lässt neue Geschäftsmodelle erwarten.
Durch eine langfristige Kooperation des Fachverbands Flexodruck (DFTA) mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) startete bereits am 1. Oktober 2015 der Aufbau des Competence Center Digitaldruck (CCD) in Leipzig. Mit diesem zukunftsorientierten Schritt erweitert die DFTA ihre Kompetenzen und reagiert auf die wachsende Bedeutung des industriellen Digitaldrucks in der Verpackungsbranche. Ziel ist es, den 350 Mitgliedern des Fachverbands eine umfangreiche und aktive Wissens- und Kommunikationsplattform zu bieten sowie gemeinsame Projekte im digitalen Industriedruck zu koordinieren.
Digitale Druckverfahren
Der Begriff Digitaldruck steht für eine Vielzahl von verschiedenen Technologien, denen allen das Alleinstellungsmerkmal gemeinsam ist, digitale Daten aus einem Datenbestand direkt, ohne feste Druckform, auf einen Bedruckstoff zu übertragen. Die beiden industriell bedeutendsten Verfahren sind die Elektrofotografie sowie das Inkjet-Verfahren. Das Elektrofotografie-Verfahren nutzt das elektrostatische Prinzip, um eine rotierende Walze einzufärben und gleichzeitig zu bebildern. Druckstoff sind trockene oder flüssige Toner. Bei jeder Umdrehung wird die Walze neu eingefärbt und kann ein neues Druckbild übertragen. Nach der Farbübertragung wird durch aufgeheizte Walzen die Tonerschicht auf dem Substrat fixiert und liefert exzellente Druckergebnisse. Das Inkjet-Verfahren überträgt Druckstoffe mittels feiner Düsen, die pikoliterfeine Tröpfchen punktgenau auf dem Substrat platzieren. Die Druckköpfe, auf denen tausende solcher Düsen zusammengefasst sind, arbeiten dabei entweder mit Heizelementen, um die Tröpfchen zu generieren, oder mit Druckwellen, die durch Piezoelemente erzeugt werden.
„Der Digitaldruck fordert eine digitale Transformation hin zu einer Wirtschaft 4.0. Er ist ein Fusionstreiber, verschmilzt Marketing mit Technologie zu neuen Vertriebsstrukturen und beschränkt sich dabei nicht auf einzelne Branchen oder Industrien“, betont Prof. Dr.-Ing. Eugen Herzau, Lehrgebiet Verpackungstechnologie, HTWK Leipzig.
Digitaldruck im Einsatz
Digitaldruck wird bereits seit vielen Jahren in der Verpackungsindustrie eingesetzt. Kleine Continuous-Inkjet-Systeme werden für die Kennzeichnung von Flaschen, Dosen oder Kartonverbundverpackungen verwendet. Im Bereich der Etiketten, wie etwa auf Shampooflaschen oder Kosmetiktiegeln punktet in der Regel das Elektrofotografie-Verfahren. Seit einiger Zeit kommt der Inkjet-Direktdruck auf Wellpappe für Faltschachteln, Displays und Faltkisten in sehr kleinen Auflagen und teilweise im industriellen Maßstab zum Einsatz. Das Verfahren realisiert Aufträge, die im Flexodruck unwirtschaftlich wären und erweitert so den Handlungsspielraum vieler Unternehmen. Die Möglichkeiten, mit dieser Technologie neue Märkte mit hohem wirtschaftlichem Volumen erschließen zu können, sind gerade für Hersteller in der Verpackungsbranche relevant und für Anwender ein Argument, sich intensiv mit Digitaldruck auseinanderzusetzen.
Anwendungen im Verpackungsbereich
Die Möglichkeiten des Digitaldrucks in der Verpackungsbranche sind so vielfältig, dass es kaum möglich erscheint, die Potenziale auszuloten. Der extrem vielschichtige Markt an Maschinen- und Technologieanbietern und die Möglichkeiten eines hoch integrierten Marketings sind erst am Beginn einer Entwicklungsphase und werden sich in den nächsten Jahren als neue Geschäftsmodelle etablieren. Einige Beispiele zeigen aber bereits heute, wie der Digitaldruck im Zusammenspiel mit innovativem Marketing Erfolg haben kann.
Beispiel: MyMuesli
Das Internet-Start-up mymuesli vertreibt online individuelles Müsli, das sich die Kunden selbst zusammenstellen können. Im ersten Ladengeschäft des Unternehmens wurde eine Digitaldruckmaschine von Heidelberg installiert, die ein individuelles Druckbild aus verschiedenen Heidelberger Stadtansichten und frei wählbarem Text direkt auf die zylindrische Form der Müslidose drucken kann.
Beispiel: Coca-Cola
Auf die europaweite Kampagne „share a coke with …“ folgt eine Sonderedition aus Sleeve Etiketten mit einzigartigen Motiven. Dazu generiert eine Software aus einer riesigen Bilddatei permanent neue Motive, sodass jedes Druckbild nur einmal existiert.
Beispiel: Scanbare Verpackungen
HP entwickelt eine Vorstufensoftware, die, ähnlich einem QR-Code, scanbare Druckmotive für Verpackungen erstellt. Der maschinenlesbare Code wird dabei mit der Botschaft „Fotografieren Sie mit Ihrem Smartphone eine Verpackung, erhalten Sie sofort zusätzliche Informationen auf Ihrem Gerät“ in das Motiv eingearbeitet.
Technische Lösungen
Durch die hohe technische Komplexität eines Inkjet-Systems und dessen Sensibilität gegenüber kleinsten Veränderungen verfolgen Hersteller digitaler Druckmaschinen den Ansatz, Maschinen zu entwickeln, die einer Blackbox ähneln. Einstellungsmöglichkeiten an den Prozessparametern durch den Bediener werden stark begrenzt, Garantien nur für zertifizierte Bauteile und Verbrauchsmaterialien bis hin zu Druckstoff und Substrat gegeben. Für einen Drucker, der es gewohnt ist, die Rezeptur einer Druckfarbe anzupassen oder die Einstellungen an mechanischen Bauteilen vorzunehmen, ist dies eine völlig neue Erfahrung.
Der Nachteil dieses in sich geschlossenen Konzepts ist, dass sich ein harter Konkurrenzkampf unter den Anwendern gleicher Modelle entwickeln kann, da sie technologisch keine Unterschiede aufweisen. Hier kann sich nur abgrenzen, wer ein hoch innovatives und effektives Marketingkonzept mit passendem Kundenstamm und großen Anstrengungen in der Akquise umsetzen kann. Der Blackbox steht ein kontrastreicher Gegenentwurf gegenüber: die Do-it-yourself-Philosophie. Einige Hersteller gehen mit ihren Kunden (Anwendern wie z. B. Druckereien) enge Kooperationen ein, um ihre Systemkomponenten optimal in bestehende Systeme zu integrieren und das Maximum an Qualität für einen speziellen Anwendungsfall herauszuholen. Die Hersteller öffnen ihre Druckkopfansteuerungen, wie es bei der Kooperation zwischen Heidelberg und Fujifilm während der Entwicklung der Primefire der Fall war, oder geben Development-Kits aus, um die Integration und Feineinstellung der Komponenten durch den Anwender zu erleichtern.
„Der heutige Stand der Technik des Digitaldrucks in der grafischen Industrie ist nur die Spitze des Eisberges. Potenziale liegen nicht nur in der eigenen Branche. Herausforderungen sind nicht nur technischer, sondern auch unternehmerischer Natur“, Simon Lober, Projektkoordination, Competence Center Digitaldruck, DFTA/HTWK.
Potenziale und Herausforderungen
Technisch haben der Digitaldruck und im Speziellen der Inkjet-Druck für die massenhafte Verbreitung in der Verpackungsindustrie noch einige Hürden zu nehmen. Fragen nach der Beständigkeit gegenüber hohen Temperaturen und der mechanischen Beanspruchung, beispielsweise bei Siegel- und Sterilisationsprozessen, sind zu diskutieren. Chemische Anpassungen des Druckstoffs hinsichtlich Druckqualität, Farbeindrücken oder Haftung auf den jeweiligen Substraten sind zu optimieren. Aber auch Zulassungen für Lebensmitteldirektkontakt, hohe Abriebfestigkeiten für Transportverpackungen sowie Datenschutz und -handling sind Aspekte, die bisher nur in engen Rahmenbedingungen realisiert werden konnten. Standardisierung hilft im Digitaldruck nur bedingt weiter. Wichtig sind ein tiefes Verständnis für die Unterschiede zu konventionellen Druckverfahren und ein Businessplan, um eine bestehende Nische zu besetzen oder einen neuen Druckservice in der Verpackungsbranche zu etablieren.
Trends und Visionen
Innerhalb von 20 Jahren wurden bis 2015 über 3.000 digitale Etiketten- und Verpackungsdruckmaschinen weltweit installiert. Dabei hat das Inkjet-Verfahren von 2010 bis 2014 einen rasanten Anstieg gegenüber der Elektrofotografie erlebt – mit steigender Tendenz. Sie erhöhte ihren Marktanteil im gleichen Zeitraum von zwölf auf 35 Prozent. Hybridmaschinen waren und werden wahrscheinlich eine Randerscheinung bleiben. Kannte man diese Technologie 2010 noch nicht am Markt, waren es 2014 lediglich fünf Prozent.
Die typische native Auflösung bei Inkjet-Druckköpfen, die derzeit bei 1.200 x 1.200 dpi liegt, wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht drastisch erhöhen. Bei Piezodruckköpfen fokussiert sich die Entwicklung auf Langlebigkeit und die Steigerung der Präzision von Tröpfchenvolumen sowie deren Positionierung. Druckköpfe mit einem thermischen Aktuator sollen Greyscale-fähig werden und dadurch eine wichtige Funktion erhalten, die ihnen bisher gegenüber Piezodruckköpfen fehlt.