E-Commerce im Lebensmitteleinzelhandel verfügt in Deutschland bislang nur über geringe Marktanteile. In welche Richtung sich der Online-Lebensmittelversand entwickeln könnte, zeigen Online-Kochbox-Anbieter wie „HelloFresh“. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes Logistik- und Verpackungskonzept.
Kochen liegt nach wie vor im Trend. Berufstätige, junge Familien, aber auch aktive, ältere Paare haben häufig zu wenig Zeit, leckere Rezepte für die nächsten Tage zusammenzustellen. Gerade in ländlichen Regionen ist es zudem schwer, alle benötigten Zutaten zu bekommen. An solche Kunden richten sich Online-Lieferdienste von „Kochboxen“. Darin finden ambitionierte Hobbyköchinnen und -köche alle Zutaten exakt portioniert mit einer detaillierten Zubereitungsanleitung.
Einer der bekanntesten Anbieter ist „HelloFresh“ aus Berlin. Im Lauf der bereits siebenjährigen Unternehmensgeschichte wurde der Kulinariaversender zum Verpackungsspezialisten. Die Gründerinnen und Gründer sicherten sich für das Packaging bald die Dienste der Thimm Group aus Northeim. Anfangs stand die Robustheit der Verpackungen im Vordergrund. Mittlerweile achten Thimm und das Unternehmen mit der Limette im Logo auf viele weitere Aspekte.
Der Versandkarton soll auch die Nachbarn beeindrucken
„Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es natürlich auch die Nachbarn neugierig macht, wenn regelmäßig ein ansprechend gestalteter und auffälliger Karton im Hausflur steht.“ Nils Herrmann, Geschäftsführer und COO Deutschland und Österreich bei HelloFresh, nennt einen wesentlichen Aspekt des Verpackungs- und Versandkonzepts. Die Kochboxen werden direkt ins Haus geliefert oder können auf Wunsch des Kunden vom Lieferdienst vor der Haustür abgestellt werden, sollte der Empfänger nicht zuhause sein. Der Karton wirkt dann als Werbefläche. Dafür sorgen das auffällige Unternehmenslogo mit der Limette und Hinweise auf saisonale Aktionen und andere Produktvorteile des Online-Angebotes.
Dass sich Thimm und HelloFresh so intensiv mit dem einwandfreien äußeren Erscheinungsbild der Verpackung auseinandersetzen, hat neben der erwünschten Werbewirkung auch handfeste wirtschaftliche Gründe. So verweist Michael Weber, Leiter Corporate Marketing, bei Thimm, auf dieses Thema angesprochen, darauf, dass es auch darum gehe, Retouren zu vermeiden. Diese seien zwar im Lebensmittel-E-Commerce nur eingeschränkt möglich, man wolle aber auch keine Lebensmittel verschwenden. Außerdem wolle man die Kochbox-Kunden weiter ans Produkt binden: „Gerade beim Versand von Lebensmitteln ist der erste Eindruck wichtig, denn man möchte nichts essen, was in einem völlig unansprechenden Behältnis geliefert wird.“
HelloFresh wurde 2011 in Berlin von Thomas Griesel, Jessica Nilsson und Dominic Richter gegründet. Richter und Griesel sind CEOs. Seit November 2017 ist das Start-up-Unternehmen, an dem „Rocket Internet“ beteiligt ist, börsennotiert. Mittlerweile ist man auch international in Ländern wie Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Australien aktiv. Im Jahr 2017 wurde laut wallstreet-online.de ein Umsatz von mehr als 900 Millionen Euro bei einem Verlust vor Steuern von 95,1 Millionen Euro erwirtschaftet.
E-Commerce-Verbraucher wollen gleich drei Dinge auf einmal
Moderne E-Commerce-Kunden erwarten auch darüber hinaus viel von Verpackungen (das „packaging journal“ berichtete darüber zuletzt in Ausgabe 2/2018). Sie wünschen sich einfache Handhabung, volle Recycelbarkeit und überhaupt möglichst wenig Müll. Natürlich müssen alle Komponenten auch für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen sein. All dies kommuniziert HelloFresh offensiv. Auf der Verpackung selbst und im Internet wird ausführlich über Bestandteile und Wiederverwertungsmöglichkeiten informiert.
Seit dem Sommer 2017 hat HelloFresh auf eine neue, zweite Verpackungsgeneration umgestellt. In Kooperation mit Thimm wurde eine kompaktere, stabilere, kostengünstigere Einstofflösung aus Wellpappe gefunden. Insgesamt gibt es drei, auf dem Standard FEFCO 0201 basierende Größen von Versandkartons. Der durchschnittliche Kartoneinsatz dafür reduzierte sich nach Angaben von HelloFresh um 38,8 Prozent, das Durchschnittsgewicht um 28 Prozent. Das verwendete FSC-zertifizierte Papier besteht zu etwa 80 Prozent aus Recyclingmaterial.
Wie erreicht die Tomate unbeschädigt ihr Ziel?
Wie aber wird der Inhalt im HelloFresh-Karton geschützt? Wie schafft es der Versender, dass eine Tomate nicht völlig zerdrückt beim Kunden ankommt? Um dies herauszufinden, lohnt ein Blick auf eine beispielhafte Kochboxsendung. Zu erkennen ist darin ein dreistufiges Pack- und Schutzsystem, das das Unternehmen dem „packaging journal“ folgendermaßen beschreibt: Zunächst dient die äußere Hülle, der stabile Versandkarton, als Schutz vor Transportschäden. Darin findet sich pro gewähltem Gericht eine Papiertüte mit allen benötigten Zutaten vom Gemüse über Gewürze und Backwaren bis hin zu Speisen wie Reis oder Nudeln. Die mit zwei Papiersiegeln verschlossenen Tüten verhindern, dass die einzelnen Zutaten im Karton herumfliegen.
Der „Cool Pouch“ kühlt und sichert die Zutaten
Direkt ins Auge sticht beim Öffnen des Kartons der „Cool Pouch“. In diesem großen, innen mit einer dicken Schicht Isolationswolle aus 80 Prozent recyceltem Material aus PET-Flaschen gefüllten Beutel finden sich – samt einiger Kühlpacks – alle zu kühlenden Zutaten wie Fleisch- und Milchprodukte.
Zum Schluss dient das Packmuster selbst dem sicheren Transport der enthaltenen Ware. Nils Herrmann beschreibt es beispielhaft so: „Hier wird darauf geachtet, dass die Tomate eben nicht neben beispielsweise der Dose Kichererbsen liegt, die die Tomate beschädigen könnte.“
Wirtschaftlichkeits- und auch Nachhaltigkeitsaspekte führen dazu, dass die Experten von HelloFresh und Thimm die Verpackungen immer weiter optimieren. Jüngstes Beispiel: Empfindliche Plastikbecker für Joghurt oder Crème fraîche werden künftig der Vergangenheit angehören. Da sie im Cool Pouch transportiert werden, wurden sie bisher vor den harten Kühlpacks geschützt, indem der Plastikbecher zusätzlich in einen robusteren Pappbecher gestellt wurde. Gleichzeitig fixierten die Kühlelemente die Becher. Der zusätzliche Pappbecher wird künftig eingespart. Joghurt wird dann in unempfindlicheren Pouches ausgeliefert, wie Verbraucher sie bereits von den Dressings für Fertigsalate kennen.
HelloFresh-Kunden wählen über die Internetseite oder eine Smartphone-App bis mittwochnachts die Gerichte aus, die sie in der kommenden, samstags beginnenden Woche zubereiten wollen. Zur Auswahl stehen jede Woche sechs vegetarische und vier Fleischgerichte. Zusammengestellt werden alle Pakete in der Produktions- und Logistikzentrale in Verden/Aller. Produzenten und Lieferanten liefern die benötigten Zutaten jeweils nach Bedarf frisch in die Zentrale. Gelagert wird nur wenig. Angeliefert werden die am Morgen des Vortags zusammengestellten Kochboxen dann je nach Bestellung montags bis freitags vormittags mit den Lieferdiensten „DPD Fresh“ oder „Liefery“.