Ende November 2023 stellte die EU-Kommission mit dem Green Deal eine neue Verordnung vor. Eine Reduzierung der wachsenden Mengen an Verpackungsabfällen ist zentraler Punkt der Verordnung. Außerdem definiert die EU klarere Rahmenbedingungen für den Einsatz von Biokunststoffen.
Insgesamt steckt sich die EU drei große Maßnahmen ab, mit denen sie die Probleme angehen will. Zum einen soll die Nachfrage nach Primärrohstoffen gesenkt werden. Zum anderen sieht die Verordnung die Steigerung der Recyclingkapazitäten in Europa und schließlich mehr Klarheit beim Einsatz von biobasierten, biologisch abbaubaren und kompostierbaren Kunststoffen vor.
Aktuell beträgt der Anteil von Biokunststoffen an der weltweiten Produktion von Kunststoffen noch rund ein Prozent, aber Daten von European Bioplastics und dem Nova-Institut sagen voraus, dass sich die Produktionskapazität bis 2027 steigern wird. Wie bei so vielen anderen Themen rund um die Verpackung lohnt es sich auch hier, einen Blick auf den Umgang unterschiedlicher Teilnehmer entlang der Wertschöpfungskette mit dem Material zu werfen.
Nicht nur schwarz und weiß
Aufseiten der Verbraucherinnen und Verbraucher wächst die Nachfrage nach alternativen Verpackungen zu solchen aus fossilen Rohstoffen stetig. Biokunststoffe erscheinen da als nachhaltige Alternative. Die Verpackungen bestehen vollständig oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen und Biomasse und sind teilweise biologisch abbaubar oder kompostierbar.
Biokunststoffe sind dabei Polymerwerkstoffe, die entweder aus biobasierten Rohstoffen, zum Beispiel Zuckerrohr oder Maisstärke, bestehen und/oder biologisch abbaubar sind. Eine dieser beiden Voraussetzungen muss erfüllt sein, damit es sich um einen Biokunststoff handelt. Das Material für biobasierte Kunststoffe wird also aus Biomasse gewonnen, wohingegen biologisch abbaubare Kunststoffe auch auf petrochemischen Rohstoffen basieren können.
Auch wenn die verwendeten Rohstoffe nicht in Konkurrenz zum Nahrungsanbau stehen müssen, zeigt sich hier eine Schwierigkeit. Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass biobasierte Rohstoffe zwar weniger klimawirksames CO2produzieren, mit ihnen allerdings je nach Anbaumethode das Risiko einer höheren Versauerung und Eutrophierung einhergeht. Problematische Faktoren wie dieser sind für Verbraucherinnen und Verbraucher aktuell nicht einfach erkennbar.
Hinzu kommt, dass es keine einheitliche Definition der Begriffe gibt, mit denen Verpackungen aus Biokunststoff ausgezeichnet sind. So gibt es beispielsweise keinen Mindestanteil an biobasiertem Material, den eine Verpackung aufweisen muss, um sich Biokunststoff zu nennen. Verbraucherinnen und Verbraucher können also nicht eindeutig nachvollziehen, was für eine Verpackung sie kaufen bzw. wie sie nach Gebrauch und bei der Entsorgung damit umgehen sollen.
Unklarheit bei Verbrauchern
Die Auszeichnung als Biokunststoff kann also irreführend am Point of Sale sein und auch den Umgang der Konsumenten und Konsumentinnen mit der Verpackung bei der Entsorgung beeinflussen. Eine wiederkehrende Sorge in diesem Zusammenhang ist, dass eine Verpackung, die als biologisch abbaubar oder kompostierbar ausgezeichnet ist, den Anschein erweckt, dass man sie einfach in der Umwelt entsorgen kann. Fraunhofer Institut Umsicht weist hier daraufhin, dass Biokunststoffe nicht konzipiert seien und auch nicht so gedacht werden dürfen, um in der Umwelt entsorgt zu werden.
Insgesamt müssen Biokunststoffe nicht zwangsläufig umwelt- oder klimafreundlicher sein als fossile Kunststoffe. Wie so häufig steht und fällt dieses Urteil mit der Kreislaufführung der Materialien. Würden Biokunststoffe konsequent im Kreislauf geführt, könnten sie laut WWF umweltfreundlich sein. Aktuell besteht hier neben der häufig irreführenden Kennzeichnung sicherlich eines der Hauptprobleme. Da das Aufkommen der Stoffe noch gering ist, gibt es keine getrennte Sammlung, und die Verpackungen werden aussortiert und landen in der energetischen Verwertung. Einige Sortieranlagen halten den Platz frei, um Ströme für Verpackungen aus Biokunstoffen zu etablieren.
In der Landwirtschaft funktioniert der biologische Abbau von Mulchfolien hingegen bereits gut. Anders sieht es bei der Kompostierung von Biokunststoffen im industriellen Maßstab aus. Kunststoffe, die als biologisch abbaubar ausgezeichnet sind, sollten zur Klarheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher genaue Angaben dazu enthalten, in welcher Umgebung und welchem Zeitraum sich die Verpackung abbaut. Zertifizierungen wie ok compost vom TÜV Austria oder DIN compostable bestätigen die Kompostierbarkeit der Verpackung im industriellen oder heimischen Kompost. Insgesamt kann das Fehlen von Hinweisen zu Eigenschaften, richtiger Nutzung und Entsorgung zu Problemen führen. Wenn nicht klar erkenntlich ist, wie hoch der Anteil an biobasiertem Material an der Verpackung ist, kann ein „bio“-Claim zu Verwirrung führen.
Ausblick
Was soll sich nun ändern? Die neue Verordnung hebt hervor, dass sich Claims im Zusammenhang mit Biokunststoffen auf messbare und exakte Anteile an biobasiertem Material im Produkt beziehen müssen. Die Verpackungen sollten außerdem genaue Informationen zu den Eigenschaften, der richtigen Nutzung und Entsorgung für Verbraucherinnen und Verbraucher enthalten. Gerade wenn die Verpackungen als biologisch abbaubar ausgezeichnet sind, sollten die Umgebung und der Zeitraum, in dem sich die Verpackung zersetzt, in Wochen, Monaten oder Jahren genau angegeben werden.
Um zu verhindern, dass Biokunststoffe in der Umwelt landen, benennt die EU genau, welche Produkte in industriell kompostierbaren Verpackungen verpackt werden sollen. Darunter sind Teebeutel, Kaffeepads, Obst- und Gemüseaufkleber und sehr leichte Kunststofftüten. Besonders wichtig ist auch hier wieder die Kommunikation. Die genannten Verpackungen sollen genau ausweisen, dass sie den EU-Standards zu biobasierten Kunststoffen und deren industrieller Kompostierung entsprechen. Insgesamt soll beim Einsatz der Kunststoffe darauf geachtet werden, dass sie einen Nutzen für die Umwelt haben.
Auch bei der Gewinnung der Rohstoffe steht der Schutz der Umwelt im Vordergrund. Die genutzte Biomasse soll aus nachhaltigen Quellen stammen, besonders anfallende Abfälle und Nebenprodukte nutzen und der Umwelt nicht schaden. Biokunststoffe scheinen also nicht mehr wegdenkbar zu sein, und daher braucht es einen nachhaltigen und bewussten Umgang mit den Materialien, Verpackungen und genutzten Claims. Dass eine Verpackung in der Umwelt landet, weil sie das Label „bio“ trägt, ist keine Option.
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