Marketing und Design sind seit jeher fester Bestandteil der Verpackungswelt. Schon in der Antike haben Stempel auf Amphoren ausgewiesen, woher ein Produkt stammt und vor allem wer es hergestellt hat. Dass aber eine etablierte Marketing- und Designagentur einen eigenen Zweig ausschließlich für das Verpackungsdesign ins Leben ruft, das kommt eher selten vor. Genau das aber hat die Hamburger Mutabor Design GmbH Anfang dieses Jahres gemacht.
Mutabor Packaging GmbH heißt die neue Unit der Hamburger Agentur, die damit ihre jahrelange Expertise im Verpackungsbereich in eine eigene Form gießt. Die Leitung übernimmt Ipek Molvali, die bereits seit 2015 in der Designagentur arbeitet. Die gelernte Marketing-Fachfrau verfügt über 15 Jahre Berufserfahrung in dem Bereich und hat in dieser Zeit bereits Kunden wie Bahlsen, Bosch, Rewe, Edeka, Henkel oder Krombacher betreut. Als geschäftsführende Gesellschafterin plant sie, den Fokus auf Nachhaltigkeit und die soziale Verträglichkeit von Verpackungen zu legen.
Damit liegt sie ganz auf der Linie des Mutterhauses, nach der nicht die Bedürfnisse eines Unternehmens, aber auch nicht mehr die des einzelnen Verbrauchers im Mittelpunkt des Designs stehen dürfen. Stattdessen sollte die Verpackung von der gesamten Gesellschaft her gedacht werden. Society Centered Design nennt man diesen Ansatz in der Hamburger Agentur. Die Idee: Wenn sich ein Produkt positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirkt, dann muss es zwangsläufig einen Wettbewerbsvorteil aufweisen und sich damit am Markt durchsetzen. So verwundert es also nicht, wenn die frisch gekürte Geschäftsführerin sagt: “Packaging muss Verantwortung übernehmen. Bei Mutabor entwickeln wir Designlösungen, die sich positiv auf die Umwelt und die Gesellschaft auswirken.”
Auch Moritz Carstens, der in der neuen Unit als leitender Kreativdirektor mitwirkt, sieht nachhaltiges Design als eine Notwendigkeit für gelungene Verpackungen: “Es ist erschreckend zu sehen, wie viel Müll durch Verpackungen entsteht und wie lange es dauert, bis gewisse Materialien wie Kunststoff abgebaut werden. Wir versuchen, unsere Kunden dahin gehend zu beraten, dass nachhaltige Entscheidungen in Produktionsprozessen und beim Endprodukt getroffen werden.” Carstens studierte Freie Kunst sowie Kommunikationsdesign und bringt zehn Jahre Erfahrung mit in die neue Unit, unter anderem erworben durch Arbeiten für Coca-Cola, Hansaplast oder Osram.
Langjährige Erfahrung in der Branche
Was aber hat die Agentur bisher an Erfahrungen im Verpackungsbereich vorzuweisen, dass es nun eine eigene GmbH eigens für das Verpackungsdesign bräuchte? Seit Gründung im Jahr 1998 ist da einiges zusammengekommen. Bereits 2001 vereinheitlichten die Hamburger um die beiden Gründer Johannes Plass und Heinrich Paravicini das bis dahin international unterschiedliche Design der adidas-Verpackungen. Zuvor verfügte der Sportkleidungsgigant weder über eine kontinentsübergreifende Markenfarbigkeit noch über ein einheitliches Corporate Design am Point of Sale. Diese Negativvielfalt hatte auch Auswirkungen auf die Produktion: Schon für die Socken des Unternehmens mussten an die 100 verschiedenen Verpackungen produziert werden. Das Redesign der Verpackungen zielte auf einen hohen, global einheitlichen Wiedererkennungswert ab, den adidas bis heute unter anderem in Form schwarzer Verpackungen für Sportprodukte und blauer Verpackungen für Alltagsprodukte beibehält.
Kurz darauf, 2002, entwickelte Mutabor das Verpackungsdesign für das damals gegründete Hamburger Teehaus Samova, das dieses Design bis heute beibehält. Die eckigen Teedosen, in denen das Produkt verpackt wird, bestechen durch einen klaren, aufgeräumten Stil mit Logo auf dem Siegeletikett und einer nach Sorte variierenden, dezenten Farbgebung.
Zuckersüße Kooperation
Die für die neue Packaging Unit entscheidende Partnerschaft war aber die mit dem deutschen Gebäckproduzenten Bahlsen. “Wir haben 2017 eine neue Corporate Identity für die Dachmarke von Bahlsen entwickelt. Eine weitere Aufgabe war, eine Packaging Vision für die Produktmarke Bahlsen zu erschaffen. Aus diesem Team ist die heutige Packaging Unit entstanden“, berichtet Molvali.
Diese erste Zusammenarbeit zwischen dem Hamburger Designbüro und dem Traditionsgebäckproduzenten 2017 fand in Form eines sogenannten Designsprints unter Führung einer Berliner Marketingstrategieberatung statt. Dabei empfahl Mutabor eine Markenneugestaltung, die unter anderem eine aktualisierte Corporate Font und die Modernisierung des charakteristischen Bahlsen-“Tet”-Markenlogos beinhalten sollte.
Eine weitere Kooperation zwischen Mutabor und Bahlsen fand 2020 statt, als die Agentur die Sonderedition “Eye Candy” für die Hannoveraner Gebäckproduzenten entwarf. Acht mit Frucht- statt Rohrzucker gesüßte Kekse wurden in einer Faltschachtel verpackt, deren Form sich als Hommage an die allerersten, um die Jahrhundertwende entstanden Bahlsen-Verpackungen anlehnte. Ummantelt wurden diese Schachteln von acht eigens von zeitgenössischen Illustratoren entworfenen Grafiken, in denen die Künstler sich mit dem Thema Zucker auseinandersetzten. Statt in den Müll zu wandern, konnten diese Verpackungen als Poster wiederverwendet werden. Aus Zucker für die Zunge wurde Zucker für das Auge. Eye Candy.
"Eine Verpackung muss eine Geschichte erzählen"
Nun also die eigene Packaging Unit. Neben dem Leitsatz, dass beim Design einer Verpackung letztlich auch die Gesellschaft mitgedacht werden muss, sieht der leitende Kreativdirektor Carstens hier auch das Storytelling als elementaren Bestandteil: “Eine Verpackung muss eine Geschichte erzählen.” Wie aber erzählt eine Verpackung eine Geschichte? “Jede Marke hat eine Geschichte zu erzählen, und Verpackungen bieten eine Bühne für Storytelling. Wir kreieren Brandstorys, die sich im Gegensatz zu reinen Produktversprechen schneller und langfristiger einprägen. Und die Geschichten kann man über die Verpackung hinaus in allen Markentouchpoints weitererzählen.” So etwa geschehen, wie bereits geschildert, bei der Konzeption des Bahlsen-Designs.
Der Dienstleistungsumfang der Mutabor Packaging GmbH beschränkt sich dabei nicht nur auf das optische Design. “Unsere Schwerpunkte sind Branding, Storytelling, Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Rahmen von Packaging. Wir können sowohl die Konzeption als auch die technische Umsetzung übernehmen – teils inhouse, teils mit Partnerunternehmen”, so Molvali. Ein Schwerpunkt der neuen Unit liege auf der Verpackung von Lebensmitteln, wie etwa in der bisherigen Bahlsen-Kooperation. In Stein gemeißelt ist aber nichts, so die Geschäftsführerin: “Wir beschränken uns aber nicht. Wichtig ist, dass wir uns mit dem Produkt identifizieren können.”
Nachhaltigkeit über das Design kommunizieren
Zu einer gelungenen Verpackung gehört mehr als allein ein ansprechender Aufdruck und eine gut erzählte Story. Gerade beim Thema Nachhaltigkeit steht die ganze Materialität der Verpackung im Vordergrund. Der Einsatz beispielsweise von Rezyklaten kann eine Herausforderung für das Design darstellen, etwa wenn es um die Färbung des Produkts geht. Auch andere Materialien wie Biokunststoff oder Papier in bisher ungewohnten Anwendungen könnten beim Verpackungsdesign für rauchende Köpfe sorgen. Dem sieht Molvali allerdings selbstsicher entgegen: “In unserer neuen Unit beschäftigen wir uns mit allen Facetten der technischen Entwicklung und Gesetzgebung. Produktioner sind von Anfang an in die Projekte involviert, sodass bei der Entstehung des Designs auch schon Produktionsprozesse berücksichtigt werden können.”
Diese Zuversicht der Geschäftsführerin erstreckt sich auch auf die Verbraucher. “Die Konsumenten sind oft bereit, für nachhaltigere Produkte mehr auszugeben. Als Designer und Berater sehen wir es als unsere Aufgabe, unsere Kunden dazu zu bringen, dass nachhaltige Entscheidungen getroffen und die Käufer über das Verpackungsdesign richtig informiert werden“, so Molvali.
Neben der Nachhaltigkeit als Verkaufsargument sieht man in der neuen Unit aber noch einen Faktor als elementar für die Kaufentscheidung an: den sogenannten Unboxing-Moment, also die unmittelbare Interaktion des Kunden mit der Verpackung. “In dem Moment, wenn ich ein Produkt erhalte, beginnt der Unboxing-Moment. Das kann alles sein, von einer einfachen Pizzabestellung bis hin zur Luxusarmbanduhr. Die Kunst ist, diesen Moment markenadäquat so zu gestalten, dass der Käufer von dem Produkt begeistert ist und das Produkt dieses Versprechen auch erfüllt”, erläutert Designer Carstens das Phänomen. Die Verpackung als letzter physischer Touchpoint in Zeiten des Onlinehandels.
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