Noch einmal drehte es sich in unserem packaging journal TV live um Nachhaltigkeit. In der zweiten Runde des Live Talk haben wir die Diskussion mit Dr. Stefan Kunerth, Technical Operations Director Westeuropa bei der Coca-Cola Company, Martin Sauter, Leiter Vertrieb bei der Gerhard Schubert GmbH, und Verpackungsberaterin Carolina Schweig fortgeführt. Getränkeverpackungen standen dieses Mal im Fokus.
Die Getränke der Coca-Cola Company werden in einer Vielzahl von unterschiedlichen Gebinden angeboten: aus Glas oder recyceltem PET, als Mehrweg- oder Einwegflasche, in vielen Größen und mit unterschiedlich hohe Bepfandungen. In der Nachhaltigkeitsstrategie des Getränkekonzerns spielen die Verpackungen eine wichtige Rolle.
„Nachhaltigkeit bedeutet für uns vor allem, dass wir die von uns in den Markt gebrachten Verpackungen im Kreislauf halten“, sagt Stefan Kunerth, der im April die neu geschaffene Position des Technical Operations Director Westeuropa übernommen hat und damit für 13 Länder – darunter Deutschland, Großbritannien und Frankreich – zuständig ist. „Das bedeutet: Entweder werden sie als Mehrwegflaschen möglichst oft wiederbefüllt, oder sie sind als Einwegverpackungen recyclingfähig, können gesammelt und zurückgeführt werden.“
Alle Marken sollen auf rPET umgestellt werden
Das ambitionierte Ziel bei den Einwegflaschen: Alle Marken sollen auf rezykliertes PET umgestellt werden. In diesem Jahr sind die ersten drei Marken dran. „Die Marke Vio ist nur der Anfang, um unsere Reise hin zu 100 Prozent rPET zu beginnen.“ Man setze aber schon seit Jahren rPET in Flaschen ein und habe die Anteile sukzessive erhöht. Ende 2021 wird der Anteil an recyceltem Material bei den PET Einwegpfandflaschen in Deutschland bereits bei rund 70 Prozent liegen.
Egal ob Einweg oder Mehrweg: 99,9 Prozent der von Coca‑Cola in den Markt gebrachten Flaschen und Dosen sind bepfandet. „In Deutschland kommen 97 Prozent unserer bepfandeten Gebinde zurück und werden recycelt. Damit sind wir im europäischen Vergleich schon sehr gut aufgestellt“, sagt Kunerth.
Ein wichtiger Aspekt des Verpackungsdesigns ist die Optimierung der Verpackungsgewichte. Nicht nur bei den PET-Flaschen wurde in den letzten Jahren das Material reduziert, auch bei Glas gebe es heutzutage Möglichkeiten, sie leichter und dennoch robust zu gestalten. „Wir befassen uns viel mit dem Thema Materialeinsparung. Aber wenn ich zu viel Material einspare und eine Mehrwegflasche nicht mehr die Anzahl der erwünschten Umläufe schafft, dann geht der Effekt im Sinne von Nachhaltigkeit verloren.“
Verbraucher müssen Nachhaltigkeit wertschätzen
Carolina Schweig sieht die Nachhaltigkeitsstrategie kritisch. „Die Frage ist, wofür steht Coca-Cola und wie ist das runtergebrochen auf die Verpackungsebene? Es geht ja nicht um die Paperbottle auf der einen, um die Plantbottle auf der anderen Seite, um Rezyklat oder Mehrweg, das dann eventuell nicht die nötige Umlaufzeit hat. Es wäre besser, von oben durchzudeklinieren und zu sagen: Mit der Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir Klimagase reduzieren. Dann sind die Lösungen klarer, auch für den Markt. Wir reden ja bei Nachhaltigkeit über ein Wirtschaftsprinzip. Es geht also darum, nachhaltige Geschäftsfähigkeiten aufzubauen, die auch in 20 Jahren noch funktionieren.“ Wichtig dabei: Alle Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit müssten so effizient sein, dass Verbraucher sie verstehen, würdigen und mit ihrem Einkauf wertschätzen.
„Wir bewegen uns in unterschiedlichsten Handlungsfeldern, und es gibt nicht nur die Verpackung, sondern auch die Produkte. In allen Bereichen haben wir bereits klare Aktionspläne, die wir global definiert haben und die wir auch lokal runterbrechen. Natürlich gibt es unterschiedliche Ansätze, die wir verfolgen und ausprobieren. Das ist aber die Verantwortung jedes Herstellers, genau dies zu tun. Wir machen sehr deutlich, wofür wir stehen: Über das Thema Verpackung versuchen wir, mit unterschiedlichen Maßnahmen den negativen Einfluss auf das Klima, den CO2-Ausstoß, aber auch den Wasserverbrauch und den Ressourceneinsatz zu reduzieren. Dazu gehört, dass wir die Anteile an recyceltem PET erhöhen, aber gleichzeitig auch Investitionen in unser Mehrwegsystem tätigen.“ Stefan Kunerth
Umlaufzeiten erhöhen
Die Umlaufzeiten in Mehrwegsystemen müssten erhöht werden, meint Carolina Schweig: „Es geht auch hier um Effizienz und die Frage: Warum stecke ich Kraft und Zeit in die Verbesserung von Einwegverpackungen, nur um das Recycling ein wenig zu erhöhen, wenn im Bereich Mehrweg mit gleichem Aufwand viel höhere Effizienzen erreicht werden könnten?“
Für den Getränkekonzern haben beide Systeme – Einweg wie Mehrweg – ihre Existenzberechtigung. Es sei daher ein Gebot der Stunde, beide Systeme zu optimieren, meint Stefan Kunerth. „Wir investieren beispielsweise erhebliche Summen – in den letzten zwei Jahren um die 150 Millionen Euro – in unsere Mehrwegsysteme und haben neue Ein-Liter- und jetzt auch 0,4-Liter-Mehrweggebinde in Glas auf den Markt gebracht. Und mit einer Mehrwegquote von über 35 Prozent in unserem Portfolio müssen wir uns im alkoholfreien Erfrischungsgetränkemarkt in Deutschland nicht verstecken.“
Verpackungsprozesse optimieren, Material sparen
Nachhaltigkeit ist auch ein zentrales Thema bei der Firma Gerhard Schubert. „Die Nachhaltigkeitsdiskussion ist heute überwiegend eine Materialdiskussion“, sagt Vertriebsleiter Martin Sauter. „Für uns geht es aber um die Flexibilität im Verpackungsprozess, dabei spielen natürlich auch die verwendeten Materialien eine große Rolle. Wir fokussieren uns aber neben dem Material auf nachhaltige, intelligente Verpackungsprozesse und ganz besonders auf das Thema Verpackungsdesign. Es reicht ja nicht, einfach nur das Material von Plastik auf Kartonage umzustellen.“
Beispiel Verpackungsgröße: Nachhaltige Verpackungen mit weniger Materialeinsatz sind gefragt. Doch einsparen bedeutet oft auch, eine Verpackung kleiner zu gestalten.
„Da der Distributionsweg heute immer noch in erster Linie der stationäre Handel ist, wollen Hersteller natürlich am Point of Sale Aufmerksamkeit erregen, daher spielt eine gewisse Packungsgröße im Verhältnis zum Produkt und auch zum Preis eine große Rolle. Einer unserer Kunden verpackt seine Milchportionspackungen ungeordnet geschüttet in einem Karton. Das Schüttverfahren benötigt eine gewisse Verpackungsgröße, damit der Prozess maschinell funktioniert. Wir haben nun eine Variante entwickelt, bei der durch Automatisierung eine vorgegebene Ordnung aus dem Füllprozess im Verpackungsprozess beibehalten wird. Damit passt der gleiche Inhalt in eine 40 Prozent kleinere Verpackung.” Martin Sauter
Für einen anderen Kunden hat Schubert die Verpackung für Kaffeekapseln optimiert. „Wir haben eine Schachtel mit einem Wiederverschlussmechanismus für ein genestetes Format für 16 Kapseln entwickelt, die im Volumen um 20 Prozent reduziert werden konnte. Im Regal spielt sie ihren Vorteil durch eine größere Höhe trotzdem aus. Man muss also mit einer kleineren Verpackung nicht unbedingt Aufmerksamkeit am Point of Sale verlieren.“
Mehr Selbstbewusstsein bei der Kommunikation
Material und Transportvolumen reduzieren sei auf jeden Fall der richtige Weg, meint auch die Verpackungsberaterin.
„Das ist im Sinne der Circular Economy und sollte häufiger gemacht und kommuniziert werden. Beispielsweise sind Verschlüsse von Kosmetikverpackungen oft deutlich größer als sie für die Funktionalität sein müssten. Wenn man Material am Verschluss einspart, sollte man das kommunizieren und dabei die Nachhaltigkeit hervorheben. Das kann dann durchaus ein Alleinstellungsmerkmal sein. Also: nicht nur über Verzicht reden, sondern ein neues, nachhaltigeres Design mit Stolz kommunizieren.“ Carolina Schweig
Schubert gehe mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie bereits einen richtigen Weg, so Carolina Schweig. „Es findet ein echtes Neudenken in Sachen Verpackung statt. Für den Onlinehandel bekommt man so beispielsweise dann echte nachhaltige Versandverpackungen, die nicht die Verpackung der Verpackung der Verpackung benötigen.“
Unverpackt und Refillsysteme sind beliebt
Neue Erlebnisse am Point of Sale versprechen Refill-Systeme, die immer beliebter werden. Reis, Nudeln oder auch Reinigungsmittel können so vom Verbraucher selbst abgefüllt werden. Mit der wiederverwendbaren Flasche Coca-Cola zapfen geht aber noch nicht, oder?
„Mit unserer neuen Freestyle-Technologie können Kunden tatsächlich am Automaten aus Konzentraten ihr ganz persönliches Getränk zusammenmischen. Noch bekommt man die Becher am Automaten, es gibt aber in Großbritannien bereits Tests mit wiederbefüllbaren Flaschen, die der Kunde mitbringt. Die verpackungslose Darreichung unserer Produkte ist also für uns schon heute ein Bestandteil des Geschäfts.“
Prototyp Papierflasche: ein Versuch
Bei der Diskussion um Nachhaltigkeit und Substitution von Kunststoff kommt man derzeit im Getränkebereich nicht am Thema Papierflasche vorbei. Auch Coca-Cola testet sie. Wer aber glaubt, dass es Cola und Co. künftig überall in der Papierflasche geben wird, dürfte enttäuscht werden. Stefan Kunerth: „Unsere Papierflasche ist ein Prototyp, und wir beleuchten damit nur eine weitere Facette, wie Getränke verpackt werden könnten. Das Papier kommt zwar aus nachhaltigen Ressourcen, aber derzeit ist noch eine Innenschicht aus Kunststoff nötig. Es ist eben nur ein Entwicklungsschritt, mit dem wir testen, welche Möglichkeiten sich mit dieser Art von Verpackungsmaterial eröffnen könnten. Der erste Markttest in sehr kleinem Maßstab soll zeigen, ob ein solches Konzept beim Konsumenten ankommt und überhaupt in der Supply Chain funktioniert. Wir werden daran weiterarbeiten und sehen, ob eine solche Verpackung vielleicht in Zukunft für weitere Getränkearten geeignet ist und ebenso unseren Ansprüchen an Nachhaltigkeit und CO2-Emissionen, an Wasserverbrauch und nachhaltiges Sourcing der Rohstoffe genügt wie unsere anderen Verpackungen. Aber derzeit sagen wir: Es könnte ein Weg sein.“
Nur dadurch, dass große Player wie Coca-Cola Innovationen vorantreiben können, habe man die rPET Flasche oder die wiederbefüllbare PET-Flasche am Ende marktfähig gemacht. Heute nutzen viele andere diese Technologie. Stefan Kunerth: „Wir haben diese Verantwortung und auch die Verpflichtung, Neues auszuprobieren, auch das ist für uns ein Teil der Nachhaltigkeitsstrategie: neue Dinge entwickeln, schauen, ob sie funktionieren, und transparent damit umgehen.“
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