Verpackungen aus Karton sind nachhaltig und bei Verbrauchern beliebt. Ob europäischen Markenartiklern und Händlern nachhaltige Verpackungen ähnlich wichtig sind, ließ „Pro Carton“ untersuchen. „Pro Carton“-Präsident Roland Rex ordnet die Ergebnisse ein. #
Roland Rex ist Präsident von „Pro Carton“. Er ist Leiter des Bereichs Kundenfokus und Geschäftsentwicklung der Weig-Gruppe aus Mayen. Sein Fazit zur Nachhaltigkeitsstudie: „Was auf den ersten Blick als besser erscheint, kann aus Nachhaltigkeitssicht lediglich die zweitbeste Lösung sein.“
pj: Herr Rex, das Marktforschungsinstitut Smithers Pira hat im Auftrag von „Pro Carton“ europäische Markenartikler und Händler zur Bedeutung der Nachhaltigkeit von Verpackungen befragt. Warum haben Sie diese Umfrage initiiert und welches Fazit ziehen Sie für sich aus den Ergebnissen?
Roland Rex: Die Konsumenten haben verstanden, dass Verpackungen aus Karton die nachhaltigste Verpackungsform darstellen. Wir haben uns gefragt: Sehen das diejenigen, die über die Verpackungsart und den Packstoff entscheiden, auch so?
Das Ergebnis hat uns nicht wirklich überrascht: Ja, Verpackungsentscheider bei Markenartiklern und Händlern in den fünf größten Volkswirtschaften Europas wissen um die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Packstoffentscheidung. Sie bestätigen, dass die Faltschachtel große Vorteile bietet. Ein tolles Ergebnis!
pj: Bei nahezu allen Kriterien für Nachhaltigkeit schneiden Faltschachteln im Vergleich mit anderen Verpackungsstoffen sehr gut ab. Bei der Wiederbefüllbarkeit und Rückgabemöglichkeit hat hingegen Glas die Nase vorn. Sehen Sie Möglichkeiten, dass Karton diesen „Produktnachteil“ noch ausgleichen können wird?
Roland Rex: Wiederbefüllbarkeit ist nicht grundsätzlich nachhaltiger. Glas ist schwer und voluminös, auch bei der Rückführung in den Kreislauf. Beim funktionalen Recycling sind beispielsweise der lebensmitteltechnische und der wirtschaftliche Gesamtaufwand sehr hoch. Eine wesentlich leichtere Faltschachtel hat zusammengelegt ein geringes Volumen und kann kostengünstig der stofflichen Wiederverwertung zugeführt werden. Was auf den ersten Blick als besser erscheint, kann aus Nachhaltigkeitssicht lediglich die zweitbeste Lösung sein.
pj: Kartonverpackungen für Lebensmittel können in puncto Lebensmittelsicherheit problematisch sein. Hier ziehen die Anwender häufig Kunststoff oder Glas vor. Neuartige Beschichtungen oder Verbundmaterialien ermöglichen gleichwohl lebensmittelsichere Kartonverpackungen. Wie bewerten Sie diese in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte?
Roland Rex: Dies ist ein ganz wesentlicher Punkt. An oberster Stelle steht der Schutz der Konsumenten. Glas wird in dieser Hinsicht als optimal bewertet. Bei Plastikverpackungen wurde in jüngster Vergangenheit mehr und mehr deutlich, dass diese gewisse Schadstoffe abgeben, die dann in das Lebensmittel gelangen können. Bei Kartonverpackungen gibt es Lösungen, die solche Übergänge weitgehend verhindern.
Verbundlösungen sind in der Tat schwieriger zu entsorgen und zu recyceln. In der Regel kommen sie nicht von der Kartonindustrie selbst. Inzwischen bieten aber mehrere Kartonhersteller vollständig recycelbare Barrierelösungen für Kartonverpackungen an. Diese speziellen Kartonsorten können wie alle anderen im bekannten Papierkreislauf entsorgt und wiederverwendet werden.
pj: Während die Recyclingfähigkeit der überragende Produktvorteil von Faltschachteln ist, haben flexible Kunststoffe bei Gewicht und Materialeinsatz und harte Kunststoffe bei Festigkeit und Stabilität die Nase vorn. Glauben Sie, dass Kartonverpackungen diese Nachteile künftig noch ausgleichen können?
Roland Rex: Kartonverpackungen werden vermutlich nie so leicht sein können wie Plastikverpackungen. Aber dieser „Gap“ kann verringert werden: Die Kartonindustrie arbeitet an sogenannten „Lightweighting-Projekten“. Die Flächengewichte sollen unter Beibehaltung der technischen Parameter reduziert werden. Viel Potenzial gibt es in Bezug auf Design und besser aufeinander abgestimmte Verpackungskomponenten. So kann eine anders konstruierte Umverpackung dazu beitragen, dass die Produktverpackung leichter werden kann, weil sie nicht mehr die Stabilität des Gesamtsystems mittragen muss.
Plastikverpackungen werden immer aus fossilen Rohstoffen hergestellt – mit Ausnahme von Bioplastik. Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten dürfte es eigentlich überhaupt keine Plastikverpackungen geben – egal, wie leicht oder schwer sie sind.
pj: Die Faltschachtel ist im Vergleich mit anderen Verpackungsstoffen die vielseitigste Verpackungsart für komplexe Vertriebswege. Das wird außer in Spanien und Italien fast überall so gesehen. Die spanischen Unternehmen bewerten hingegen den Getränkekarton als besonders vielseitig, während dieser Aspekt in Frankreich und Großbritannien gar keine Rolle spielt. Sind die Spanier „Ausreißer“ oder zeigt die dortige Industrie neue Verwendungsmöglichkeiten für Getränkekartons auf?
Roland Rex: In der Tat gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede in einzelnen Märkten, was Funktionalität und Innovation anbelangt. Dies bewirkt eine sehr unterschiedliche Sichtweise, auch in Bezug auf die Vielseitigkeit einer Verpackungslösung. In Deutschland und anderen Ländern sind Getränkekartons seit Jahrzehnten etabliert. Ihre Vorteile werden bereits als selbstverständlich hingenommen. Insofern sind die Spanier keine „Ausreißer“, sondern es zeigt sich vielmehr, dass es noch mehr Potenzial für nachhaltige Kartonverpackungen gibt.
pj: Kommen wir zu den Marktaussichten: Gerade die deutschen Markenartikler und Händler glauben nicht daran, dass der Bedarf an nachhaltigen Verpackungen in den kommenden fünf Jahren stark wachsen wird. Anders in Großbritannien: Hier prognostizieren weit über 80 Prozent der Unternehmen ein zumindest ziemlich starkes Wachstum. Worauf führen Sie diese Differenzen zurück?
Roland Rex: Das ist in der Tat ein auf den ersten Blick überraschendes Ergebnis. Aber es gilt zu bedenken, dass wir in Deutschland schon deutlich nachhaltiger denken und handeln als viele andere Länder. Auf diesem hohen Niveau ist weiteres starkes Wachstum schwieriger. Das stofflich sinnvolle Recycling steht in Großbritannien aus unserer Sicht erst am Anfang. Wertvolle Sekundärrohstoffe werden noch zu oft deponiert. Dort propagieren die großen Einzelhandelsketten in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit, agieren selbst teilweise aber entgegengesetzt. Das erklärt recht eindeutig das unterschiedlich beurteilte Wachstumspotenzial.
pj: Laut Umweltbundesamt wurden im Jahr 2014 insgesamt 8,1 Millionen Tonnen Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton verwendet. Die allermeisten Verpackungen sind somit papierbasiert und werden zu Recyclingrohstoff oder Abfall. Kunststoffverpackungen brachten es auf 2,7 Millionen Tonnen, Glas auf drei Millionen Tonnen. Bestünde die nachhaltigste Verpackungslösung nicht in der Vermeidung von Verpackungsabfall?
Roland Rex: Absolut richtig! Nur: Verpackungen erfüllen heute eine ganze Bandbreite von Aufgaben und sind somit der Garant für ein gut funktionierendes Wirtschafts- und Versorgungssystem.
Wenn der richtige Packstoff gewählt wurde – ich denke hier natürlich an Karton –, dann handelt der Konsument sogar ökologisch verantwortlich. Kartonverpackungen werden ursprünglich aus Fasern nachhaltig bewirtschafteter Wälder in Europa hergestellt. Diese Wälder wachsen flächenmäßig Jahr für Jahr, binden den Kohlenstoff aus dem CO2 und tragen somit zur Klimaverbesserung bei. Durch das mehrfache Recyceln der Fasern werden natürliche Ressourcen geschont. All diese positiven Umweltaspekte gibt es bei Plastikverpackungen nicht. Und zu guter Letzt: Karton erzeugt keinen Plastikmüll.
Vereinigung der europäischen Karton- und Faltschachtelindustrie
„Pro Carton“ ist die Vereinigung der europäischen Karton- und Faltschachtelindustrie. Ziel von „Pro Carton“ ist es, auf die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Verpackungsmedien Karton und Faltschachtel hinzuweisen. Die Studie „Die Bedeutung der Nachhaltigkeit von Verpackungen“ wurde erstellt von der Beratungsagentur Smithers Pira. Befragt wurden Unternehmen in Großbritannien, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich. Sie steht auf der Homepage von „Pro Carton“ zum Herunterladen bereit.