Seit mehr als 70 Jahren sorgen die Maschinen der Wilhelm Rasch Spezialmaschinenfabrik unter anderem dafür, dass empfindliche Schokoladenhohlfiguren in ein perfekt sitzendes Folienkleid gewickelt werden. Die Geschäftsführerin ist Tina Gerfer, die Enkelin des Firmengründers. Sie hat das Unternehmen modernisiert und erfolgreich durch schwierige Zeiten geführt. Gleichzeitig bewahrt sie Traditionen und schließt Verträge auch schon einmal per Handschlag ab.
Die Spezialmaschinenfabrik wurde von Tina Gerfers Großvater Wilhelm Rasch und seinem Geschäftspartner Otto Römmling 1950 in Köln gegründet. Der Ingenieur Rasch hatte die Idee, wie zerbrechliche Schokohohlkörper maschinell in bedruckte Folie eingewickelt werden können. Heute erhalten Weihnachtsmänner, Osterhasen, Comicfiguren oder WM-Maskottchen aus Schokolade auf der Rasch Spezial-Hohlkörperverpackungsmaschine maßgeschneiderte Hüllen aus Aluminiumfolie. Die Maschinen sind aber längst über die Hohlkörperverpackung hinausgewachsen und hüllen auch Marzipan, Radiergummis, Seifen oder Ramadan-Gebäck ein. Das Anlagenportfolio reicht vom Alleskönner RU (Rasch Universal-Verpackungsmaschine) über hoch spezialisierte Wickelmaschinen und Temperiermaschinen bis hin zu kompletten Verpackungsanlagen mit Zuführ- und Abtransportsystemen.
Das Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitern ist vor zwei Jahren vom Stammsitz in Köln-Bickendorf einige Kilometer weiter ins benachbarte Hürth gezogen. Seit 2008 leitet Tina Gerfer den Spezialmaschinenbauer. „Mein Großvater hat mich schon früh auf die Rolle an der Spitze des Unternehmens vorbereitet. Von ihm habe ich nicht nur die soziale Verantwortung gelernt, er hat mir auch beigebracht, wie wichtig Resilienz und Durchhaltevermögen sind.“ Nach seinem Tod im Jahr 1982 übernahm zunächst ein Onkel die Geschäftsleitung und Tina Gerfer entschied sich für eine Ausbildung an der Europäischen Wirtschafts- und Sprachenakademie EWS.
“Untypisch für eine Akademikerfamilie, habe ich auf ein Studium verzichtet. Ich fand Menschen immer spannend und wollte unbedingt Sprachen lernen. Das hilft mir heute sehr, und ich spreche mit Kunden fast häufiger Spanisch und Englisch als Deutsch.“
Tina Gerfer, Geschäftsführerin, Wilhelm Rasch GmbH
Ihr Tag beginne meist um fünf Uhr, erzählt die Geschäftsführerin. „Da lese und beantworte ich E-Mails. Da wir ja Kunden überall auf der Welt haben, erreiche ich je nach Zeitzone manche eben am frühen Morgen.“
Insolvenz als Chance gesehen
2013 stand der Fortbestand des mittelständischen Unternehmens auf der Kippe. „Wir hatten damals einen Großauftrag mit fünf baugleichen Maschinen, aber eine schwache Eigenkapitalquote, sodass die Finanzierung sehr schwierig wurde und ich persönlich haften musste. Schließlich haben wir uns für ein Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entschlossen und mussten einen externen CRO (Chief Restructuring Officer) als Interimsmanager in die Geschäftsführung aufnehmen. Das war ein schwerer Schritt, aber ich würde immer wieder so entscheiden. Ich habe in der Zeit gelernt, dass die Insolvenz in Eigenverwaltung kein Stigma ist und man offen damit umgehen sollte.
Erstaunlicherweise haben alle unsere Kunden sehr verständnisvoll reagiert. Es gab einen großen Vertrauensvorschuss, auch weil sich herausstellte, dass mein Großvater vielen seiner Kunden in ähnlichen Situationen geholfen hatte. Wir haben es dann geschafft, innerhalb von zwei Jahren alle Verbindlichkeiten zu regeln. Und – was mir persönlich besonders wichtig war – wir konnten alle Mitarbeiter halten, mussten keine Kündigungen aussprechen. Außerdem ist kein Kunde und auch kein Lieferant abgesprungen. Das ganze Verfahren war eigentlich eine Chance, die uns auch attraktiver für eine Übernahme machte.“
2018 entschloss sich Tina Gerfer, das Unternehmen an die Mohrbach Gruppe zu verkaufen. „Wir waren ja ein Unternehmen ohne Nachfolger, denn meine Tochter hat schon früh signalisiert, dass sie kein Interesse an der Geschäftsführung hat. Wir mussten also den Standort und die Zukunft der Mitarbeiter sichern. Jetzt sind wir Teil der Mohrbach Gruppe und strategisch breiter aufgestellt. Wichtig ist, dass Mohrbach aus der Branche kommt und kein reiner Investor ist. Wir können somit den Charakter des Familienunternehmens erhalten.“ Zu dem rheinland-pfälzischen Spezialisten für Hochleistungs-Kartonverpackungsmaschinen Mohrbach gehört neben der Wilhelm Rasch Spezialmaschinenfabrik noch die Tochtergesellschaft Heripack Verpackungsmaschinen mit Sitz in Meschede.
Nachhaltigkeit gehört zur Philosophie
Tina Gerfer ist stolz darauf, dass Nachhaltigkeit schon immer zur Unternehmensphilosophie gehörte. „Unsere Maschinen bieten eine lange Lebensdauer. Total Cost of Ownership stand bei uns schon immer im Vordergrund. Vor 15 Jahren sind wir dafür noch belächelt worden, aber heute ändern sich die Dinge, weil Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt ist.“ Rasch Maschinenbau garantiere für Produktionssicherheit und Verfügbarkeit, für den Servicefall stehen immer Mitarbeiter bereit. „Wir modernisieren ständig, pflegen aber auch die Tradition, wir sind bodenständig und gerne altmodisch. Bei mir gilt zum Beispiel der Handschlag als Vertrag. Natürlich machen wir schriftliche Verträge, doch ich stehe immer zu meinen mündlichen Absprachen.“
Seit einigen Jahren engagiert sich Tina Gerfer zudem in der IHK Köln, seit März 2020 gehört sie zum Gremium der neun Vizepräsidentinnen und -präsidenten der Kammer. „Als Mittelstand haben wir eine Stimme, die wir auch erheben sollten, um etwas zu verändern. Meine ‚Lieblingsthemen‘ sind das Lieferkettengesetz, das ich in dieser Form sehr schwierig finde, und das große Thema Mobilität. Außerdem brenne ich für das Thema Ausbildung. Die duale Ausbildung bei uns in Deutschland ist ein tolles System.“
Und noch ein wichtiges Thema liegt Tina Gerfer am Herzen. „Ich bin natürlich für Gleichberechtigung. Es ist ja traurig, dass wir überhaupt noch darüber reden müssen. Frauen sollten ein eigenes Selbstverständnis haben und nach ihren eigenen Neigungen arbeiten, durchsetzungsstark sein und gegen alle Plattitüden angehen. Es sollte uns selbstverständlich möglich sein zu arbeiten, auch wenn wir Kinder haben, oder eben auch nicht. Und wir sollten all dies ohne schlechtes Gewissen tun. Ich kann Frauen nur raten, sich nicht zu verbiegen und nicht darüber nachzudenken, ob das, was sie tun, eine Männerdomäne ist.“