Brände, Deckungslücken und steigende Risiken: Die deutsche Recycling- und Abfallwirtschaft steht zunehmend unter Druck. Eine neue Studie zeigt, wie die Versicherungslage den Aufbau einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bedrohen könnte. Branchenvertreter fordern dringende politische Maßnahmen.
Während Politik und Industrie ehrgeizige Ziele zur Förderung der Kreislaufwirtschaft verfolgen, geraten die Unternehmen, die sie tragen sollen, in existenzielle Schwierigkeiten. Wie eine aktuelle Studie des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler e. V. (BDVM) zeigt, gehört die Abfall- und Recyclingbranche zu den am stärksten von einer akuten Versicherungskrise betroffenen Sektoren. Zwei Drittel der befragten Versicherungsmaklerinnen und -makler sehen ernsthafte Probleme bei der Versicherbarkeit der Branche – ein Wert, der kaum noch von anderen Wirtschaftsbereichen erreicht wird.
Hohe Risiken, sinkende Kapazitäten
Schon seit Jahren schrumpfen die Versicherungskapazitäten für elementare Gefahren wie Feuer, Explosionen oder Naturereignisse. Neue Investitionen, etwa in Photovoltaikanlagen oder Ladeinfrastruktur, gelten in vielen Fällen als zusätzliche Risikofaktoren. Die Folgen sind drastisch: Steigende Prämien, höhere Selbstbehalte und verschärfte Bedingungen belasten die Unternehmen – in einer Branche, die ohnehin mit komplexen Risikoprofilen operiert.
„Besonders betroffen sind zentrale Wirtschaftsbranchen wie die Abfallwirtschaft und das Recycling“, warnt BDVM-Präsident Thomas Billerbeck. „Wenn Unternehmen keine ausreichende Absicherung mehr finden, gefährdet das den gesamten Wirtschaftsstandort.“
Lithium-Batterien verschärfen die Lage
Ein besonderes Risiko geht von falsch entsorgten Lithium-Batterien aus. Brände in Recyclinganlagen und Entsorgungsfahrzeugen, verursacht durch beschädigte Akkus, nehmen seit Jahren zu – trotz verstärkter Brandschutzmaßnahmen und dem Ausbau automatischer Löschsysteme. Laut Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), habe sich das Brandrisiko in der Branche in den vergangenen Jahren verzehnfacht.
Besonders problematisch ist die zunehmende Menge akkubetriebener Einweg-E-Zigaretten, die ohne geregelte Rücknahmesysteme in die Entsorgung gelangen. Nach Schätzungen des bvse handelt es sich um rund 80 Millionen Stück jährlich – ein zusätzlicher Risikofaktor für Brände und Schadensfälle.
Die Konsequenzen sind gravierend: Viele Recyclinganlagen, die durch Brände zerstört wurden, werden aufgrund der schlechten Versicherbarkeit nicht wieder aufgebaut. Die Folge: Lücken in der regionalen Entsorgungsinfrastruktur, die letztlich auch die Umsetzung der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie gefährden.
Politische Lösungen gefordert
Die Recyclingbranche sieht dringenden Handlungsbedarf. Branchenvertreter fordern in einer Mitteilung des bvse unter anderem:
die Einführung eines Batteriepfands,
eine herstellerfinanzierte Fondsabsicherung im Schadensfall,
eine Kennzeichnungspflicht für Batterien,
ein Verbot oder zumindest ein Pfandsystem für Einweg-E-Zigaretten.
Zudem brauche es Anreizsysteme für die sichere Rückführung von Geräten mit Lithium-Ionen-Batterien. Nur so ließen sich die Risiken in der Entsorgung beherrschbar machen – und die Recyclingunternehmen wieder besser versichern.
„Ohne sichere und versicherbare Entsorgungsstrukturen wird die Transformation zur Kreislaufwirtschaft nicht gelingen“, betont Eric Rehbock. Präventionsmaßnahmen allein reichten nicht aus, wenn sie von Versicherern nicht honoriert und von der Politik nicht flankiert würden.
Zeit zu handeln
Die BDVM-Studie mache deutlich: Die Versicherungslücke in der Recyclingwirtschaft ist kein temporäres Problem, sondern ein strukturelles Risiko. Ein funktionierendes Recyclingsystem – Grundpfeiler jeder Kreislaufwirtschaft – könne nur bestehen, wenn Unternehmen auch im Schadensfall abgesichert sind.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass das Rückgrat der Kreislaufwirtschaft durch untragbare Risiken ausgedünnt wird“, mahnt Rehbock.
Quelle: Mitteilung des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse)