HolyGrail 2.0 und der unsichtbare digitale Code

Scannen des Codes auf der Flasche
Viktoriia Hnatiuk(Shutterstock.com
Der unsichtbare digitale Code auf Verpackungen und seine Auswwirkungen, zeigte sich im HolyGrail-Projekt. Daran knüpft nun der europäische Markenverband AIM mit HolyGrail 2.0 an und prüft die Wasserzeichen-Technologie nicht nur für die bessere Sortierung von Verpackungsabfällen.

Die Suche nach dem digitalen „Heiligen Gral“ startete im Jahr 2016: Die Digimarc Corporation aus Oregon (USA) präsentierte eine neue Kennzeichnungstechnologie am Markt. Dieser DW-Code – die Kurzform für das Wasserzeichen „Digital Watermark Code“ – machte den klassischen Barcode überflüssig. Der neue Code versteckt sich im Farbdruck der Verpackungen und verändert oder stört damit nicht das Design der Verpackung. Mittels einer einfach zu implementierenden Digimarc-Software wird er in die vorhandenen Druckdateien integriert. Es werden keine speziellen Farben oder Druckverfahren benötigt.

Hier sieht man wie der unsichtbare digitale Code fuktioniert

Henkel setzt die neue Technologie in Deutschland bereits in einem Pilotprojekt mit zwei Vernel-Produkten um. (Bild: Henkel)

Anfänge des HolyGrail-Projekts

Zur selben Zeit begann die Ellen MacArthur Stiftung mit der Förderung eines Vorhabens zur Einführung verbesserter Kennzeichnungsmethoden: Das sogenannte HolyGrail – Projekt lief von 2016 bis 2019. Die Referenz zum angeblich Wunder bewirkenden „Heiligen Gral“ sollte die hohen Ansprüche des Vorhabens unterstreichen. Ziel des Projekts war im weitesten Sinn die Reduzierung von Kunststoffabfall durch Stärkung der Kreislaufführung von vorwiegend aus dem Verpackungsbereich stammenden Kunststoffen. Zugleich sollte die Qualität der gewonnenen Regranulate zum verstärkten Wiedereinsatz im Verpackungsbereich verbessert werden.

Die Einbeziehung der Kennzeichnungstechnologie von Digimarc lag nahe, zumal inzwischen in den DW-Code die sogenannte GTIN (Global Trade Item Number) implementiert wurde, hinter der sich die weltweit eindeutige Artikelnummer (im deutschsprachigen Raum als EAN-Code bekannt) verbirgt. So erklärten sich 29 internationale Firmen unter Leitung des Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble (P&G) aus Ohio (USA) bereit, die neue Kennzeichnungstechnologie zu erproben. Dementsprechend wurden 2019 neue Kennzeichnungen auf Verpackungen einiger Marken von P&G wie Lenor oder Fairy – sowie weiterer Produkte von L’Oréal, Carrefour, Henkel, Nestlé und PepsiCo aufgebracht und getestet.

Wasserzeichen als „digitaler Recyclingpass“

Neben den Vorteilen für die Verpackungsgestaltung, die Abwicklung der Prozesse in Logistik, Warenkontrolle und beim Verkauf im Handel sollten die neuen Eigenschaften des Kennzeichnungssystems auch für die Erzielung eines effizienten Recyclingprozesses der Verpackungen genutzt werden. Denn durch eine optimale Identifizierung der Recyclingmaterialien beim Sortieren der Abfälle in den Entsorgungsbetrieben können die Verwertung von Kunststoffabfall und der Wiedereinsatz des geeigneten Rezyklats für Verpackungen verbessert werden.

Digitale Wasserzeichen funktionieren wie ein unsichtbarer Barcode auf der Verpackung.

Digitale Wasserzeichen funktionieren wie ein unsichtbarer Barcode auf der Verpackung. (Bild: AIM European Brands Association)

Die nächste Phase: HolyGrail 2.0

An die Erfolge des ersten HolyGrail-Projekts knüpft nun seit letztem Jahr der europäische Markenverband AIM (Association des Industries de Marque) an. Unter seiner Schirmherrschaft sollen in einer nächsten Phase – „HolyGrail 2.0“ – die Vorhaben in größerem Maßstab und Umfang umgesetzt werden. Über 85 Unternehmen und Organisationen beteiligen sich aktiv an der neuen Initiative. Dabei sollen bis 2030 folgende Ziele erreicht werden:

  • 100 Prozent aller eingesetzten Kunststoffverpackungen sollen wiederverwendbar, leicht recycelbar oder kompostierbar sein.
  • 55 Prozent aller eingesetzten Kunststoffverpackungen müssen effektiv recycelt werden.
  • 90 Prozent aller Kunststoffflaschen sollen gesammelt werden.
  • Alle Kunststoffflaschen müssen im Durchschnitt 30 Prozent Recyclinganteil haben.

Dafür wird unter anderem eine industrielle Versuchsanlage in Betrieb genommen, die die Funktionsfähigkeit der Wasserzeichen-Technologien für die bessere Sortierung der Verpackungsabfälle überprüfen und die betriebswirtschaftliche Beurteilung im Industriemaßstab durchführen soll.

Wieder mit an Bord ist die Henkel AG & Co. KGaA. Das Düsseldorfer Unternehmen tritt als Vorreiter. Der unsichtbare digitale Code kommt bei ihnen für ein besseres Verpackungsrecycling zum Einsatz. So strebt man bei den eingesetzten Flaschen für Flüssigwaschmittel künftig z. B. einen Rezyklatgehalt von bis zu 50 Prozent an. Dabei soll die Codierung zum besseren Erkennen des Flaschenmaterials und effizienteren Sortieren in die richtige Werkstoffgruppe führen. Damit kann auch die unnötige Entsorgung von Kunststoff auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen verhindert werden.

Der digitale Code und seine Vorteile für Handel und Logistik

Neben der Industrie, in der man erwartet, Unternehmensprozesse sowie Marketingmaßnahmen mithilfe der neuen Kennzeichnungstechnologie zu verbessern, werden auch Einzelhandel und Logistik bei HolyGrail2.0 einbezogen. Dort wird durch die Möglichkeit der unsichtbaren Deklarierung von Gütern ebenfalls mit zahlreichen positiven Effekten gerechnet. Da die mit dem DW-Code bedruckte Verpackung maschinenlesbar ist, lässt sie sich von Kassensystemen mit Imagescannern und anderen feststehenden Kamerasystemen, die allerdings im Zuge der Rekonstruktion im Handel auf DW-Codierungen eingestellt werden müssen, erkennen. Außerdem ist vorgesehen, die Technologie auch für das Kassieren mittels Rotlichtscanner an den Check-out-Kassen einzusetzen. So könnte Personal eingespart und Wartezeiten verkürzt werden. Aber auch an den normalen Kassen wird der Unterschied beim Kassieren spürbar werden: Die unsichtbaren Strichcodes werden schneller gefunden und sind herkömmlichen Barcodes überlegen, da die Produkte aus jeder Richtung gescannt werden können. Auch für den Verbraucher ergeben sich Vorteile, denn der DW-Code kann mittels Smartphone ausgelesen werden. Digitale Zusatzinformationen können so leicht abgerufen werden.

Netto führt maschinenlesbares Verpackungssystem ein

Der Edeka-Discounter Netto setzt als erster Händler in Europa auf das neue maschinenlesbare DW-Code-System, das künftig die gesamte Prozesskette vom Verpacken des Produkts bis zum Recycling der Verpackung umfassen wird.

Netto digitalisiert die Prozesskette mit Digimarc

Eine „unsichtbare“, in das Design integrierte und maschinenlesbare Kennzeichnung, die Verkaufs- und Abpackprozesse effizienter macht und Konsumenten Mehrwert bringt von Netto Marken Discount

„Der unsichtbare Code kann bereits den Abpackprozess beim Produkthersteller durch Steuerung der Maschine oder die Logistik im Lager erleichtern“, berichtet der Hannoveraner Verpackungsberater Adolf Ahrens. „Im Einzelhandel wird, wie bereits beschrieben, der Prozess erleichtert, und die Zusatzinformationen für den Kunden mithilfe des Smartphones werden ebenfalls dankbar angenommen werden. Schließlich profitiert die Entsorgungswirtschaft von diesem Code, da er exakte Informationen über das verwendete Verpackungsmaterial beinhaltet.“

Der Vorteil: Das Sortieren der Verpackungen aus den Gelben Tonnen wird vereinfacht und ein hochwertiges Recycling ermöglicht. Bisher hat Netto etwa 2.000 Artikel mit dem DW-Code ausgestattet. Bis Ende März 2021 sollen alle Eigenmarkenartikel umgerüstet sein. Das macht die Technologie auch für weitere Unternehmen interessant. So testet die Walmart-Kette ebenfalls den unsichtbaren Code.