Die Forschungs- und Beratungsgesellschaft SenseCatch wendet Neurowissenschaften und Verhaltenspsychologie auf das Marketing und die Messung von Kundenerlebnissen an und hat im Auftrag von UPM Raflatac untersucht, wie Etikettenpapiere und Veredelungen die Wahrnehmung von Wein beeinflussen.
Marketingexperten sind sich einig, dass das Design von Weinetiketten ein Schlüsselfaktor für die Entscheidungsfindung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Geht man davon aus, dass der Käufer durchschnittlich 15 Sekunden mit der Betrachtung des Weins im Regal verbringt, muss das Etikettendesign visuell hervorstechen und die Aufmerksamkeit des Konsumenten sofort auf sich ziehen. Es muss daher so gestaltet sein, dass es den Wunsch weckt, die Flasche in die Hand zu nehmen.
Ab diesem Moment kommt der Tastsinn ins Spiel: Neurowissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass im Gehirn taktile Informationen verarbeitet werden, indem sie eine visuelle Darstellung einer Textur erzeugen und so genaue Erwartungen entstehen lassen. Wenn ein Etikett zwar schön anzusehen, aber haptisch nicht attraktiv ist, entsteht ein Gefühl der Unstimmigkeit, das dazu führen kann, dass ein Produkt nicht gekauft wird.
Mit Neuromarketing ist es möglich, die tatsächlichen Entscheidungsmechanismen zu verstehen, da es Techniken anwendet, die einen wissenschaftlichen Zugang zu unbewussten Ebenen ermöglichen. Das wichtigste Instrument ist der Eye-Tracker, mit dem die Aufmerksamkeit und das visuelle Verhalten der Menschen mit absoluter Genauigkeit analysiert werden können. Darüber hinaus gibt es weitere Technologien und Software wie den Face Reader, der Mikroausdrücke des Gesichts kartiert und zu verstehen hilft, welche Art von Emotion empfunden wird.
Die Consumer Journey nachvollziehen
Für die Studie wurden 32 Etiketten der gleichen Form und Größe hergestellt, bei denen sechs Papiersorten von UPM Raflatac und fünf Veredelungen von Kurz kombiniert wurden. Die Etiketten wiesen die gleiche grafische Gestaltung auf und enthielten die gleichen Informationen, unterschieden sich jedoch hinsichtlich der Papiereigenschaften (Farbton, Mattheit, Dicke, Rauheit und Haptik) und der Veredelung (Farbe, Dicke, Relief – Embossing/Debossing – und Glanz). Die Etiketten wurden von Krämer Druck unter Echtbedingungen industriell gedruckt, damit sie genauso aussahen wie später auf den Flaschen im Verkaufsregal. Es wurde die gesamte „Consumer Journey“ nachvollzogen, von der Betrachtung des Regals und Auswahl des Weins bis hin zur Verkostung des Produkts.
Die Testgruppe bestand aus 30 deutschen weißweintrinkenden Konsumentinnen und Konsumenten im Alter von 25 bis 56 Jahren. Vor dem Regal erregten Etiketten aus dunklem Papier mit einer metallischen, glänzenden, silber- oder goldfarbigen Veredelung oder aus hellem Papier mit einer bronzefarbigen Veredelung am meisten Aufmerksamkeit. Ebenso verhielt es sich mit Etiketten aus rauem Papier, mit sichtbarer Textur und Reliefprägungen mit Glanzeffekt, die schon beim Ansehen Erwartungen auf eine interessante Haptik weckten. Als die Probanden die Flaschen einzeln betrachten und berühren konnten, nahmen sie die Weißweine mit weißen Etiketten und einer haptischen Dimension durch Prägung oder Baumwollpapier sowie glänzenden Dekorationen in Gold oder Bronzefarbe als qualitativ besonders hochwertig wahr.
Die Ergebnisse der Studie haben die Wechselwirkung zwischen Seh- und Tastsinn und die Funktion des Etiketts belegt – nicht nur im Hinblick auf eine Kaufentscheidung, sondern auch wenn es darum geht, beim Konsumenten die Vorstellung des Verkostungserlebnisses entstehen zu lassen. Dunkle Farben werden als hochwertig und elegant wahrgenommen, aber mit einem starken Wein in Verbindung gebracht, weshalb sie sich, vor allem in Verbindung mit einem rauen und matten Papier, besser für Rotwein eignen. Fazit: Das Etikett verkauft die erste Flasche, der Hersteller alle anderen.