Wie sich die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) in der Praxis umsetzen lässt, war Thema einer gemeinsamen digitalen Veranstaltung von BDE und DGAW. Die Fachverbände präsentierten klare Forderungen an Politik, Wirtschaft und Gesetzgeber – mit Fokus auf Rechtsklarheit, Rezyklateinsatz und praktikable Anreize.
Die Kreislaufwirtschaft steht vor einem Umbruch: Mit der neuen Verpackungsverordnung der EU (PPWR) sollen einheitliche Vorgaben für Verpackungsdesign, Wiederverwendbarkeit und Rezyklateinsatz europaweit verbindlich werden. In einer digitalen Diskussionsrunde mit über 300 Teilnehmenden haben der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) und die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) nun konkrete Anforderungen formuliert, um die Ziele der Verordnung realistisch und effizient umzusetzen.
PPWR braucht konkrete Umsetzung statt unklarer Vorgaben
Neben dem Zielkorridor der PPWR war vor allem die Frage entscheidend, wie daraus rechtsverbindliche und praktikable Vorgaben für die Unternehmen entstehen können. Rechtsanwalt Lars S. Otto habe betont, ohne präzise Konkretisierungen auf nationaler Ebene würden viele der Regelungen juristisch ins Leere laufen.
Einigkeit bestand darin, dass eine praxisnahe Ausgestaltung essenziell sei – nicht nur im Sinne der Recyclingziele, sondern auch zur Investitionssicherheit.

Die Ziele der PPWR sind ambitioniert und richtig. Entscheidend ist jetzt, dass daraus keine bloßen Papiervorgaben werden. Wir brauchen klare, rechtssichere Rahmenbedingungen – damit Unternehmen investieren und Kreislaufwirtschaft in der Praxis funktioniert.
Dr. Andreas Bruckschen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDE
Kritik an Fondsregelung: „Bürokratiearme Alternativen prüfen“
Ein besonders kontrovers diskutierter Aspekt war die geplante Fondsregelung in § 21 des deutschen Verpackungsgesetzes. Diese sieht vor, finanzielle Anreize für recyclingfreundliches Verpackungsdesign über einen zentralen Fonds zu steuern – eine Lösung, die innerhalb der Branche auf Skepsis stößt.
Jens Nießmann von Reclay Systems regte an, stattdessen eine differenzierte Entgeltspreizung einzuführen, die ohne neue bürokratische Strukturen auskomme und trotzdem die gewünschten Lenkungseffekte erziele. Auch Stefan Böhme vom BDE fordert, bestehende Entsorgungsstrukturen nicht zu gefährden und die EPR möglichst wettbewerblich und effizient auszugestalten.
Designstandards und Rezyklatverfügbarkeit als zentrale Hebel
Die Frage der Designstandards sei laut Gunda Rachut von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zentral. Sie habe erklärt, die künftige Konformitätserklärung biete eine große Chance, müsse aber mit einem europaweit einheitlichen Standard für recyclingfreundliches Verpackungsdesign verbunden sein.
Gleichzeitig sei laut Dr. Anno Oexle (DGAW) auch der Zugang zu hochwertigen Rezyklaten kritisch. Ohne funktionierende Märkte mit verlässlicher Qualität und ausreichender Verfügbarkeit werde es schwer, die Quoten der PPWR tatsächlich zu erfüllen, so seine Einschätzung.
Die Verbände betonten, dass die Branche bereit sei, Verantwortung zu übernehmen – allerdings brauche es klare und realistische Rahmenbedingungen. Dr. Bruckschen und Dr. Oexle forderten gemeinsam von der Politik, die nötigen Weichen „schnell, fundiert und mit Blick auf die Praxis“ zu stellen.
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