Mit der europäischen Verpackungsverordnung kommt Großes auf die Branche zu. Viele Unternehmen haben sich schon damit beschäftigt, aber viele Fragen sind auch noch offen. Kompetente Antworten gab es jetzt in der packaging journal Masterclass, die wir vor kurzem gemeinsam mit unserem Partner interzero Recycling Alliance in Berlin, Hamburg, München und Köln veranstaltet haben.
Die europäische Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfall (Packaging & Packaging Waste Regulations, kurz PPWR) rückt näher. Noch in diesem Monat wird mit der Zustimmung zur finalen Version im Rat der Europäischen Union vermutlich die letzte Hürde genommen. Dann wird es nach einer Übergangsfrist spätestens 2026 ernst für alle, die Verpackungen herstellen und inverkehrbringen.
Welche neuen Pflichten, aber auch Chancen im Rahmen der PPWR auf Hersteller, Erzeuger und Onlinehändler zukommen, erfuhren rund 500 Teilnehmer in der packaging journal Masterclass. Wir hatten dazu eingeladen ins Berliner Studio 14 – Die rbb Dachlounge, in das Hamburger Designhotel Le Méridien, das Hotel Marriott im Münchner Westend und den Kölner Filmpalast. Die Experten, darunter der Rechtsanwalt für Umwelt- und Energierecht Dr. Markus W. Pauly und Dr. Jan-Henrik Kempkes von der interzero Recycling Alliance, erläuterten, was sich hinter den 71 Artikeln der Verordnung verbirgt. Moderiert wurden alle vier Veranstaltungen von packaging journal Chefredakteur und Moderator Jan Malte Andresen.
Mit der PPWR definiert die EU die Regeln für Recycling und Verpackung neu, denn die Verordnung wird signifikante Änderungen für Unternehmen mit sich bringen. Dass zum aktuellen Gesetzestext noch ein erhöhter Erklärungsbedarf besteht, zeigte sich an den Fragen der Masterclass-Teilnehmer. Da ging es beispielsweise darum, wie Hersteller mit ihren Zulieferern und anderen Partnern entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten können, um die Anforderungen der PPWR effizient zu erfüllen. Oder in welcher Weise Hersteller die Einhaltung der PPWR entlang ihrer Lieferkette sicherstellen müssen, etwa bei Zulieferern und Materiallieferanten. Unklarheit gab es auch darüber, ob ein Erzeuger nur ein Hersteller von Verpackungen ist oder auch der Hersteller von Verpackungsmaterial, aus dem später Erstverpackungen hergestellt werden. Verwirrung herrschte demnach schon bei der Definition, wer Hersteller und wer Erzeuger ist und warum ein Unternehmen durchaus auch beides sein kann.
“Zwei Dinge stehen immerhin fest: Der Erzeuger ist auf jeden Fall derjenige, der die Konformitätserklärung abgeben muss, die dann EU-weit gilt. Das ist ein Meilenstein im Gesetz. Der Hersteller ist derjenige, der Verpackungen erstmalig in Deutschland inverkehrbringt. Daher wird er auch derjenige sein, der die Herstellerverantwortung nach außen repräsentieren muss – in Form von Systembeteiligungen bzw. der Teilnahme am Herstellerregister. Für die Details brauchen wir aber noch entsprechende Auskünfte aus Brüssel, denn Begriffe, die wir in diesem Zusammenhang gelernt haben, sind überholt. Zum Beispiel, dass der Hersteller derjenige ist, der die Ware in die Verpackung füllt oder dass der Importeur bzw. Inverkehrbringer immer derjenige ist, der die wirtschaftliche Verantwortung beim Grenzübertritt hat. Das können wir vergessen. Also müssen wir viele Begriffe neu lernen, und haben derzeit keinen Grund, uns zurückzulehnen in der Annahme, andere werden es schon machen. In der Lieferkette sind jetzt alle gefragt.“
Dr. Markus W. Pauly, Kanzlei Pauly, Spezialkanzlei für Umwelt- und Energierecht
PPWR als Innovationstreiber
Die Masterclass-Teilnehmer interessierten sich auch für die Auswirkungen der PPWR auf den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU und wie die Verordnung die Innovationsstrategien von Herstellern im Bereich nachhaltiger Verpackungsdesigns beeinflusst. Rechtsanwalt Pauly: „Die PPWR stellt die Wirtschaft erst einmal vor große Herausforderungen. Aber sie ist auch ein Innovationstreiber. In Deutschland sind wir bei vielen Themen schon sehr weit vorne, zum Beispiel, wenn es um Recyclingfähigkeit von Verpackungen geht. Wenn es uns gelingt, hier Maßstäbe zu setzen, dann entwickelt sich das Thema sogar als Wettbewerbsvorteil. Unternehmen müssen zwar erst einmal investieren, aber die Vorteile sind nicht zu unterschätzen, denn an dem Thema kommt schließlich keiner mehr vorbei.“
Dr. Jan-Henrik Kempkes, Head Of Legal And Regulatory Affairs bei der interzero Recycling Alliance ergänzt: „Das Thema rund um die PPWR ist den Kunden durchaus bewusst, aber noch auf einer starken Metaebene. Daher sind auch Veranstaltungen wie die Masterclass wichtig, um die Kenntnisse zu vertiefen und dann peu à peu in die Startphase zu gelangen. Das Grundinteresse ist auf jeden Fall da.“ Momentan sei es wichtig für die Unternehmen der Branche, zunächst die eigene Position zu bestimmen. „Das heißt für Unternehmen, sie müssen langsam in die Bestandsaufnahme gehen, ihre Aufgaben definieren und sich entsprechend aufstellen. Das ist die vordringlichste Aufgabe, und natürlich politisch weiter interessiert zu bleiben und mitzuwirken, wo es möglich ist“, so Kempkes.
Interessiert waren die Masterclass-Teilnehmer aber nicht nur an den Pflichten, die mit der PPWR auf sie zukommen, sondern auch an den Chancen, die das Gesetz bietet.
“Wir werden einen großen Vorteil haben, indem wir auf dem Weg zum einheitlichen Binnenmarkt jetzt wichtige Schritte in die richtige Richtung gehen. Wenn eine Verpackung in Deutschland EU-konform und PPWR-konform ist, dann gilt das für ganz Europa. Der Binnenmarktgedanke steht deutlich im Fokus und Hindernisse werden mit dem Gesetz abgebaut. Das Gesetz kann dabei auch ein Innovationstreiber sein. Sicherlich haben wir neue Pflichten, die zu bestimmten Fristen erfüllt werden müssen. Die Politik will aber damit erreichen, dass die Wirtschaft aktiv wird. Und daher hat die gesamte Lieferkette nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa die Chance, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen.”
Dr. Jan-Henrik Kempkes, Head Of Legal And Regulatory Affairs bei der interzero Recycling Alliance
Die PPWR hat ein enormes Interesse bei den Interessengruppen geweckt. Die Europäische Kommission veranstaltet daher am 16. Dezember von 9 bis 18 Uhr ein Webinar über die neue Verordnung. Die interaktive Sitzung bietet noch einmal allen Interessierten die Möglichkeit, die neuesten Informationen über den Inhalt, die Umsetzungsschritte und Antworten auf Fragen zu erhalten. Die Veranstaltung wird auf der Website der Kommission übertragen und kann per Webstreaming verfolgt werden.