Papierverpackung für Eiscreme: nachhaltig oder Augenwischerei?

Bild von einer Eisverpackung und einem Schokokuchen mit Eis.
Unilever verpackt seine Eismarke Carte D’Or in Großbritannien jetzt in einer beschichteten Papierverpackung. (Bild: Unilever)

Unilever hat seine Eismarke Carte D’Or in Großbritannien auf eine papierbasierte Verpackung von Huhtamaki umgestellt. Damit will das Unternehmen in UK jedes Jahr mehr als 900 Tonnen Neuplastik einsparen. Ob der Papierbehälter wirklich nachhaltiger ist als die zuvor verwendete Kunststoffverpackung, bleibt offen und hat in den sozialen Medien für Diskussionsstoff gesorgt.

Das Papier für die von Huhtamaki produzierte neue Verpackung stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und ist PEFC-zertifiziert (Programme for the Endorsement of Forest Certification). Sowohl Becher als auch Deckel können nach Angaben des Herstellers dem normalen Haushaltspapierrecycling zugeführt werden. Doch auch diese Papierlösung kommt ohne einen Anteil Kunststoff nicht aus. Eine Innenbeschichtung soll sicherstellen, dass Geschmack und Qualität des Produkts nach der Umstellung nicht beeinträchtigt werden und die Verpackung zudem stabil und haltbar bleibt. Während die dünne Beschichtung die Recyclingfähigkeit nicht beeinflussen soll, ist eine zusätzliche Kunststoffversiegelung des Deckels derzeit nicht recycelbar, so das Unternehmen. Ein Expertenteam arbeite aber bereits an der Umstellung auf eine vollständig recycelbare Lösung.

Seit einigen Jahren bereits sind Papierverpackungen im Lebensmittelbereich auf dem Vormarsch. Während Experten aus Industrie, Politik und Wissenschaft den Trend zur Substitution von reinen Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde kritisch sehen, greifen Verbraucher gerne zu, wenn Produkte in Papier verpackt sind. Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) hat im letzten Jahr untersucht, wie sich die Umstellung von Kunststoffverpackungen auf Papierverbunde auf die Kreislaufwirtschaft auswirkt. Häufig wird der Materialmix aus Papier und Kunststoff mit „weniger Plastik“ beworben und dem Verbraucher damit eine besondere Umweltfreundlichkeit suggeriert. Laut GVM-Studie bereitet der steigende Anteil von Materialmix-Verpackungen trotz des hohen Faseranteils von meist über 70 Prozent aber häufig Probleme beim Recycling. Besonders bedauerlich sei es, wenn gut recyclingfähige Kunststoffverpackungen ersetzt werden.

Kritik am Ersetzen recyclingfähiger Verpackungen

In einer Reaktion auf die Meldung im packaging journal schreibt die Verpackungsberatung FuturePackLab, ein Netzwerk aus Forschern, Markenexperten, Designern, Material- und Verpackungstechnikern und Rechtsanwälten, gerade die Vorbildfunktion eines Konzerns wie Unilever sei hierbei problematisch. Eine Meldung wie die von Carte D’Or suggeriere, dass eine derartige Umstellung der Weg für eine nachhaltigere Verpackung sei. Gerade Start-ups vertrauten häufig auf die Großen und würden Papier ebenfalls zur präferierten Verpackungslösung machen.

Die Meldung von Carte D’Or hat weitere kritische Reaktionen hervorgerufen. So schreibt ein Follower auf LinkedIn, dass man hier wohl eine recyclingfähige PP-Verpackung nur aus Gründen des Marketings durch eine Papierverbundverpackung ersetzt hat. Ein anderer meint, 93 Prozent weniger Kunststoff höre sich erst einmal toll an, heiße aber: Papier-/Kunststoffmischverbund mit sieben Prozent Plastikanteil. Nun komme es vor allem darauf an, über welche Ströme eine solche Verpackung gesammelt werde. Denn ob Blaue oder Gelbe Tonne, davon werde der nächste Schritt der Verwertung bestimmt. Ein anderer Leser meint: „Hier hilft nur konsequente Aufklärung. Leider wird es wohl schwierig, mit entsprechenden Kampagnen genauso viele Verbraucher zu erreichen wie Unilever mit ihrer irreführenden Less-Plastic-Deklaration.“

“Dem aufmerksamen Leser ist eventuell entgangen, dass diese Verpackung in Großbritannien zum Einsatz kommt. Seit dem 1. April wird im Vereinigten Königreich eine Kunststoffsteuer von 200 GBP/t auf Kunststoffverpackungen erhoben, die nicht mindestens 30 Prozent recyceltes Material enthalten und entweder in Großbritannien hergestellt oder in das Land importiert werden. Mit dieser Lösung spart sich Unilever die Plastiksteuer, da das Unternehmen mit der Polypropylenbox keine 30 Prozent Rezyklatanteil nachweisen kann. Kunststoffeinsparung ist erklärtes Ziel von Unilever, da können sie also einen Haken dran machen.“

Sonja Bähr, Tilisco-Verpackungsexpertin

Was die Recyclingfähigkeit von papierbasierten Verbunden angeht, so gilt: Je besser sich die Kunststoffschicht vom Karton in der Pulpe lösen lässt, desto besser ist die reine Faserausbeute. Sonja Bähr: „Mit rund sieben Prozent Kunststoffanteil ist das immerhin eine smartere Lösung im Sinne eines guten Recyclings als all die funktionalen Papiere oder Barrierepapiere, die gerade als Ersatz für Kunststoffbeutel z. B. für Smarties und Ritter Sport eingesetzt werden. Hier geht ein Großteil der Polymere beim Recycling mit der Faser ins Rezyklat und wirkt qualitätsmindernd.“

Die Nachfrage nach kunststofffreien Verpackungslösungen ist trotz aller Kritik ungebremst. Hersteller reagieren darauf: Huhtamaki hat jüngst die Umrüstung seines deutschen Standorts Alf von Kunststoffen auf Smooth-Moulded-Fiber(SMF)-Produkte angekündigt. Die automatisierte Produktionsstätte soll jährlich bis zu 3,5 Milliarden Faserprodukte herstellen und wäre damit die erste groß angelegte Produktionsanlage dieser Art in Europa.

www.unilever.com

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