Quo vadis, Kunststoffverpackung?

Paprika in Folie
Paprika in Folie (Bild: Dutch Scenery/shutterstock.com)

Wenn sich Hersteller, Anwender, Kunden und Experten zur diesjährigen K-Messe treffen, wird es hier und dort auch die eine oder andere Sorgenfalte geben. Die Kunststoffverpackungsindustrie hat es gleich mit mehreren Problemen zu tun. Über Herausforderungen und Chancen in der jetzigen Situation haben wir mit Dr. Jürgen Bruder gesprochen, dem Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen.

pj: Herr Dr. Bruder, die Kunststoffverpackungsindustrie kämpft momentan gleich an mehreren Fronten. Wir haben eine angespannte Wirtschaftssituation, wichtige Exportmärkte geraten ins Wanken, der Verbraucher sieht die Kunststoffverpackungen zunehmend kritisch. Was würden Sie denn als die größte Herausforderung der Branche sehen?

Dr. Jürgen Bruder, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

Dr. Jürgen Bruder, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. (Bild: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen)

Dr. Jürgen Bruder: Die größte Herausforderung ist natürlich das globale Problem der fehlenden Abfallwirtschaft-Infrastruktur in vielen Ländern mit dem Problem der Meeresvermüllung als der schlimmsten Folge. Und solange dieses Problem nicht gelöst ist, werden wir uns auch mit dieser kritischen Diskussion weiter auseinandersetzen müssen.

pj: Das heißt, wenn es woanders Abfallsysteme nach unserem Vorbild gäbe, dann wären wir einen ganzen Schritt weiter?

Dr. Jürgen Bruder: Da wären wir einen deutlichen Schritt weiter. Das heißt natürlich nicht, dass bei uns alles perfekt ist. Wir haben auch noch Hausaufgaben zu machen und an verschiedenen Stellen Verbesserungen durchzuführen. Design für Recycling, Recyclateinsatz, das wären nur zwei Stichworte, die auch für die Verpackungsindustrie relevant sind. Aber das globale Problem der Meeresverschmutzung ist hauptursächlich verantwortlich für das schlechte Image beim Verbraucher.

Grafik Recyclingziel 2025

pj: Und nun haben also alle, die mit Kunststoffverpackungen zu tun haben, damit zu kämpfen. Wie kann es denn gelingen, Vertrauen beim Verbraucher zurückzuerobern? Ist das überhaupt noch möglich?

Dr. Jürgen Bruder: Ja, wir arbeiten daran. Sowohl kommunikativ als auch inhaltlich. Wir haben ja gemeinsam mit PlasticsEurope die Kommunikationsoffensive zu Kunststoffverpackungen gestartet: mit einem Newsroom und vielen anderen Dingen und dafür auch extra Geld in die Hand genommen. Wir werden das sicherlich weiterführen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, hier mit Fakten aufzuklären und immer wieder auch die Funktionalität von Kunststoffverpackungen hervorzuheben.

Gleichzeitig entwickelt sich die Branche weiter, um zum Beispiel Kunststoffverpackungen recyclingfähig zu gestalten, was ja nicht bei allen der Fall ist. Wir haben uns als Verband auch Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Demnach sollen bis 2025 eine Million Tonnen Kunststoffrecyclate im Verpackungsmarkt eingesetzt werden.

Ferner sollen bis zu diesem Zeitpunkt alle Konsumverpackungen aus Kunststoff zumindest zu 90 Prozent recycling- oder mehrwegfähig sein. 90 Prozent deswegen, da sich das Monitoring ja nur auf den Markt beziehen kann und wir natürlich auch viele Importe haben, für die wir keine Garantie abgeben können.

Grafik Recyclingziel 2025: Verbesserte Recylingfähigkeit

pj: Es wird also nicht langweilig für Sie. Nun kann man natürlich als jemand, der in dieser Branche zu tun hat, alle viere von sich strecken und abwarten. Man kann aber Veränderungen auch aktiv gestalten…

Dr. Jürgen Bruder: Ja, das tun wir. Wir haben in diesem Jahr den Leitfaden „Eco Design von Kunststoffverpackungen“ veröffentlicht, der ein Gemeinschaftswerk des runden Tisches ist. Das ist ein hervorragendes Kompendium, das alle bisherigen Tools, die zum Eco Design für Kunststoffverpackungen verfügbar sind, zusammenfasst. B

asierend auf vier Kernstrategien wurde ein Managementleitfaden entwickelt. Gleichzeitig enthält der Leitfaden aber auch Hinweise für Verpackungsingenieure, die diese Strategien umsetzen sollen. Das alles ist entstanden in Zusammenarbeit mit großen Markenartiklern, Recyclern, aber auch der Verbraucherzentrale.

Wir arbeiten sehr eng zusammen mit den Recyclern, um in bestimmten Produktgruppen voranzukommen. Wir haben einen Arbeitskreis PET-Schalen und führen dort inzwischen den zweiten Großversuch durch, um die PET-Schalen recyclingfähig zu gestalten bzw. sie auszusortieren und aus den aussortierten Schalen marktfähige Produkte zu machen, um hier eine stabile Business-Lösung zu finden.

Außerdem nehmen wir uns gemeinsam mit Recyclern bestimmte gewerbliche Verpackungen vor und überlegen, wie wir den Einsatz von Rezyklaten erhöhen können. Das passiert gerade bei Verpackungen außerhalb des Food-Bereichs, da es ja dort Restriktionen gibt.

Schale mit Himbeeren

(Bild: Irina Mos/shutterstock.com)

pj: Wo liegen denn die Chancen in diesem Wandel im Bereich der Kunststoffverpackungen?

Dr. Jürgen Bruder: Die sind sehr groß, und wir sehen, dass Unternehmen mit Innovationen kommen, die dann auch einen Wettbewerbsvorteil bringen. Ganz positiv möchte ich mal die Innovationen hervorheben, die im Bereich der Verbundfolien laufen.

Das hätte vielleicht vor fünf Jahren keiner so vermutet, dass es möglich ist, aus den Verbundfolien, die aus mehreren Kunststoffen bestehen, Verbundfolien zu generieren, die letztlich aus einem Material bestehen. Also aus verschiedenen Typen Polyethylen oder PP, wo man mit orientiertem Material die Barriereschichten, die bisher aus verschiedenen Materialien bestanden, nachstellt und es so schafft, recyclingfähige Verbundfolien zu generieren.

Der Prozess läuft, es gibt die ersten positiven Ergebnisse, und ich bin zuversichtlich, dass da in den nächsten ein bis zwei Jahren noch sehr viel mehr kommen wird, was die einzelnen Anwendungsbereiche betrifft. Das braucht Zeit, aber da ist die Branche auf einem sehr guten Weg und zeigt ihre Innovationsfähigkeit.

Grafik Verpackungsproduktion nach Segmenten

pj: Lassen Sie uns auch noch über die konjunkturellen Entwicklungen sprechen. Wenn wir in Ihren Konjunkturtrend gucken, dann sehen wir zwar ein Umsatzplus, aber eben auch ein Minus bei Wirtschaftslage und Export.

Dr. Jürgen Bruder: Der Einbruch im Verpackungsbereich ist im Moment nicht durch die Konsumverpackung verursacht worden, sondern durch die gewerblichen Verpackungen. Das wiederum hat seine Ursache in der Schwäche der Automobil- und Chemieindustrie, wohin die gewerblichen Verpackungen natürlich überwiegend geliefert werden.

pj: Und wie begegnet man wegbrechenden Exportmärkten? Großbritannien ist natürlich das Thema. Der angedachte Brexit-Temin liegt gerade mal eine Woche nach dem Ende der K-Messe. Was raten Sie Ihren Mitgliedern?

Dr. Jürgen Bruder: Wir haben das diskutiert, und wir haben eine Reihe von Firmen mit Tochtergesellschaften auf der Insel. Die haben sich eingedeckt, um erst mal über die nächsten Wochen zu kommen, in denen keiner weiß, wie das Chaos dann aussieht. Man kann sich nicht auf alles einrichten, aber zumindest was Zulieferungen betrifft, um weiter produzieren zu können, ist eine Überbrückung gewährleistet.

Natürlich ist der Exportverlust, der möglicherweise eintritt, schon ein Thema. Ungefähr zehn Prozent des Exports gehen nach Großbritannien, während die Importe aus UK vernachlässigbar sind und kein Problem darstellen, sollten sie wegfallen.

Hören Sie das Interview des packaging journal, geführt von Jan Malte Andresen mit Dr. Jürgen Bruder:

pj: Ende des Jahres ist für Sie persönlich Schluss als Hauptgeschäftsführer. Wenn Sie Ihrem Nachfolger den Sessel frei räumen, was geben Sie ihm mit auf den Weg?

Dr. Jürgen Bruder: Gute Frage, darüber habe ich im Detail noch gar nicht nachgedacht. Natürlich sollte die Verbandsarbeit fortgeführt werden, die wir gerade in den letzten Jahren aufgebaut haben. Sie ist darauf ausgerichtet, nicht nur irgendwie zu bewahren, sondern in die Zukunft zu schauen und auf die veränderten Rahmenbedingungen aktiv und nicht reaktiv einzugehen, also aktiv zu sein und hier mitzugestalten.

pj: Dann schauen wir zum Ende doch noch in die Zukunft: Wird es Ihrer Meinung nach auch weiterhin und in Zukunft Kunststoffverpackungen geben?

Dr. Jürgen Bruder: Na ganz sicher! Da gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass die Kunststoffverpackungen oft die beste Variante sind, um Produkte und insbesondere Lebensmittel zu verpacken und vor dem Verderb zu schützen. Das liegt an ihrer Funktionalität, aber auch ihrem ökologischen Fußabdruck. Das zeigen viele Ökobilanzen, auch wenn mitunter nicht gerne darauf geschaut wird von den Medien oder von der Politik. Wichtig ist immer auch der Blick auf den gesamten Lebenszyklus.

Aber, und das ist der große Unterschied zu den Jahren davor, die Verpackung muss kreislauffähig sein und gestaltet werden: Das ist in bestimmten Anwendungen schwierig, aber das ist die Herausforderung, der wir uns stellen und wo wir – siehe Verbundfolien oder PET-Schalen – auf einem guten Weg sind.

www.kunststoffverpackungen.de

IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen auf der K 2019: Halle 8A, Stand F11-1