Schutzrechte 5: 125 Jahre deutsche Gebrauchsmuster

Das deutsche Gebrauchsmuster feiert ein Jubiläum: Seit 125 Jahren hat dieses zweite technische Schutzrecht neben dem Patent seinen festen Platz im Mosaik der gewerblichen Schutzrechte. Dies soll Anlass für zwei Beiträge zum Thema sein. Als erstes werden die Hintergründe von der Entstehung und Entwicklung des Gebrauchsmusters beleuchtet.

Das erste Gebrauchsmustergesetz vom 1. Juni 1891 bestimmte in § 1: „Modelle von Arbeitsgeräthschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Theilen derselben werden, insoweit sie den Arbeits- und Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen, als Gebrauchsmuster nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt“.

Das Gebrauchsmustergesetz bot jedenfalls erstmals eine rechtliche Grundlage für den Gebrauchsmusterschutz im Deutschen Kaiserreich, wo im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs durch die fortschreitende Industrialisierung die Notwendigkeit für den Schutz von geistigem Eigentum erkannt wurde. Gewerblich anwendbare Erfindungen sollten mit einem „Deutschen Reichs-Gebrauchsmuster“ geschützt werden. Ein Ziel der Gesetzgeber war es auch, das Patentamt von der Prüfung von Erfindungen zu entlasten, die in wachsender Zahl beim Patentamt eingingen. Das zum 1. Oktober 1891 in Kraft getretene Gebrauchsmustergesetz machte das neue Schutzrecht schnell populär: die wöchentlich erscheinenden „Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Patentamt” veröffentlichten bereits zwei Wochen später die ersten in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmuster. Die Ausgabe der „Mittheilungen“ vom 10. November 1891 zeigte erstmals eine Statistik über die im Vormonat eingereichten 916 Anmeldungen.

Die „beliebteste“ Klasse war Klasse 34 „Hauswirthschaftliche Geräthe“ mit 99 Eintragungen, gefolgt von Klasse 3 „Bekleidungsindustrie“ (57) und Klasse 33 „Hand- und Reisegeräthe“ sowie Klasse 44 „Kurzwaaren“ (jeweils 52). Diese statistische Erhebung gibt aber auch Auskunft über die regionale Herkunft der damaligen Anmelderschaft, wie das Deutsche Patent- und Markenamt in einer aktuellen Mitteilung aus Anlass des Jubiläums informiert. Von den 916 Anmeldungen des ersten Monats kam die Hälfte (456) aus dem Königreich Preußen, davon allein jede dritte Anmeldung aus Berlin (153). Die andere Hälfte der Anmeldungen verteilte sich auf die übrigen deutschen Bundesstaaten, allen voran die Königreiche Sachsen (158) und Bayern (94). Aus dem Ausland waren 50 Anmeldungen beim Kaiserlichen Patentamt eingereicht worden, was einem Anteil von 6 Prozent entspricht. Zum Vergleich: 2015 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt 14.277 Gebrauchsmuster angemeldet, davon 28 Prozent aus dem Ausland. Die anmeldestärksten Bundesländer waren Nordrhein-Westfalen (26 Prozent), Bayern (23 Prozent) und Baden-Württemberg (18 Prozent).

Ungeprüftes Schutzrecht mit begrenzter Schutzdauer

Das Gebrauchsmuster war und ist auch heute noch ein ungeprüftes Schutzrecht damals mit einer maximalen Schutzdauer von sechs Jahren ab Anmeldung, während es heute zehn Jahre sind. Mit dem neuen Schutzrecht zielte der Gesetzgeber vor allem auf kleinere und mittlere Gewerbetreibende ab, die ihre Erfindungen schnell und kostengünstig schützen lassen wollten. Dem Begriff „Modell“ im Gesetzestext von 1891 haftete das Erfordernis einer körperlichen Ausgestaltung an: Ein gebrauchsmusterfähiger Gegenstand musste daher räumlich bestimmbar sein. Das Gesetz von 1891 wurde 1936 reformiert. Die neuen gesetzlichen Regelungen bestimmten, dass die Gebrauchsmusteranmeldung einen Schutzanspruch und anstelle einer „Nach- oder Abbildung des Modells“ eine Zeichnung enthalten müsse. Stattdessen konnten aber auch weiterhin Modelle eingereicht werden, die in einem eigens dafür bestehenden Modelllager im Patentamt verwahrt wurden.

Selbst bei Inkrafttreten einer Neufassung am 1. Januar 1987 blieb das Erfordernis der Raumform weiter bestehen und wurde erst aufgegeben im Zuge der Verabschiedung des Produktpirateriegesetzes vom 7. März 1990, als auch § 1 Absatz 1 GebrMG seine neue Fassung erhielt. Seither ist Gebrauchsmusterschutz für alle technischen Erfindungen mit Ausnahme der reinen Verfahrenserfindungen möglich.

Im nächsten Beitrag wird es um die gerade im internationalen Vergleich einzigartigen Vorteile des deutschen Gebrauchsmustersystems gehen. Die strategischen Optionen, die sich aufgrund dieser Vorteile für den Schutzrechtsinhaber ergeben, erfahren in der Praxis häufig noch nicht die gebotene Aufmerksamkeit.

Autor: Hans-Peter Gottfried (Patentanwalt, Dresden)