Sind Schutzrechte wie Patente und Marken eher Fluch oder Segen? In der neuen packaging journal Serie „Beständige Schutzrechte – sichere Investitionen“ sollen sowohl der passive Umgang mit fremden Schutzrechten als auch der effektive und offensive Einsatz eigener Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Marken oder Designschutz beleuchtet werden.
Wer hat nicht schon mal davon gehört oder es selbst gesehen: Da betritt eine Gruppe die Halle, alles schaut gebannt, welches Ziel sie anstrebt, und dann erreichen auch schon der Gerichtsvollzieher, der Patentanwalt und noch ein paar Leute vom Wettbewerber den Messestand. Die Neuentwicklung, der Stolz des Unternehmens, verschwindet unter großen Planen. Ein peinliches Schauspiel vor großem Publikum, das wohl jeder gern auf seinem Stand vermeiden möchte.
Oder es wird die Besichtigung einer neuen Anlage per Gerichtsbeschluss verfügt und die ungebetenen Gäste stehen plötzlich vor dem Betriebstor. Dürfen die nun rein und was muss ihnen gezeigt werden? Das Besichtigungsverfahren, seit einigen Jahren etabliert, wird in der Praxis immer öfter eingesetzt. Wer auf diesem Gebiet sattelfest ist, kann solchen Szenarien vermeiden oder den Schaden für das Unternehmen mindern.
Schutzrechte nutzen
„Der kompetente Umgang mit gewerblichen Schutzrechten von der Entwicklung bis zur Markteinführung einer Innovation bringt Vorteile im Wettbewerb“, betont Hans-Peter Gottfried, Patentanwalt in Dresden. In der packaging journal Serie wird er über schutzrechtliche Aspekte auf dem Lebensweg einer Innovation detailliert informieren, strukturiert nach den Phasen Entwicklung, Produktion und Markteinführung.
Die geplanten Beiträge sollen auch praktische Hinweise zum Verhalten im Verletzungsfall geben, sowohl für den Verletzer, als auch das Unternehmen, das sich gegen einen Verletzer zur Wehr setzen muss. Auch einstweilige Maßnahmen werden vorgestellt – so wie die eingangs beschriebenen Maßnahmen auf der Messe oder das Besichtigungsverfahren.
Die Entwicklungsphase
In der Phase der Entwicklung einer Innovation geht es in erster Linie darum, Schutzrechte Dritter zu kennen, aus denen dann im späteren Verlauf bei Produktion und Vertrieb erhebliche Risiken für das Unternehmen erwachsen können, und ein geeignetes Verhalten abzuleiten.
Das Wissen um derartige Schutzrechte ist ungeachtet ihrer tatsächlichen Schutzwirkung immer vorteilhaft. Sie können Anregungen für eigene Entwicklungen bieten und nach eingehender Analyse können möglicherweise Umgehungslösungen geschaffen werden – wiederum ein Anreiz für Innovationen. Eine Analyse der Daten im jeweiligen amtlichen Register gibt Auskunft darüber, ob das Schutzrecht überhaupt noch wirksam ist oder vielleicht bald seine Wirkung verlieren wird. Derjenige, der das früh erkennt, erzielt einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb.
Kosten-Nutzen-Verhältnis im Blick haben
Wie immer bei wirtschaftlichen Aktivitäten kommt es natürlich auch bei der Arbeit mit gewerblichen Schutzrechten auf Effizienz an, darauf, ein vorteilhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erreichen. Die relativ hohen Kosten, die für den Erwerb und den Erhalt von Schutzrechten anfallen, sind strategisch sinnvoll einzusetzen.
Bereits in der Phase der Entwicklung sind regelmäßig Lizenzfragen zu klären, ganz gleich, ob es sich um eine Lizenznahme oder ein Reserveschutzrecht für eine perspektivische Kreuzlizenzierung handelt. Fragen des Geheimnisschutzes sind bei Innovationen und in der Entwicklung generell von großer Bedeutung. Dies betrifft sowohl noch nicht als Schutzrecht angemeldete und nicht veröffentlichte Lösungen als auch das Know-how, das überhaupt nur so lange einen Wert besitzt, wie die Geheimhaltung gelingt. Um den Geheimnisschutz sicherzustellen, stehen sowohl personelle als auch technische Fragen im Vordergrund. Eine im Unternehmen etablierte Kultur der Geheimhaltung und feste Regeln erleichtern die Durchsetzung im Einzelfall deutlich.
Der Bereich des Arbeitnehmererfindungsrechts bietet ebenfalls sowohl Chancen als auch Risiken. Eine ungenügende Beachtung dieser gesetzlichen Regelungen kann viel später noch unerwartete Kosten in beträchtlicher Höhe verursachen. Andererseits gibt es bereits etablierte Verfahren und Möglichkeiten, die relativ aufwendige Handhabung der gesetzlichen Regeln zum Nutzen des Unternehmens und des Erfinders gleichermaßen zu vereinfachen. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, auch hierfür feste innerbetriebliche Regeln zum Umgang mit Erfindungen von Arbeitnehmern festzulegen. Dies hilft, auf beiden Seiten kostspielige oder enttäuschende Fehler zu vermeiden.
Nicht zuletzt ist es die Phase der Entwicklung, in der neue Lösungen entstehen, die in eigene Schutzrechte münden können. Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig und auch hier sind strategische Entscheidungen gefragt, um einen optimalen Schutz zu günstigen Kosten zu erreichen. Dabei spielen neben der Schutzrechtart sowohl der zeitliche als auch der räumliche Faktor eine Rolle, insbesondere die Frage, welche Länder oder Regionen für ein Schutzrecht in Betracht kommen und wann die Entscheidung dafür fallen muss.
Die Produktionsphase
Noch in der Produktionsphase kann, gerade wenn es sich um Weiterentwicklungen eigener Erzeugnisse handelt, auch ein Patentschutz von Bedeutung sein. Von besonderem Gewicht ist aber die fortbestehende Geheimhaltung des Know-hows. Handlungsbedarf besteht beispielsweise beim Umgang mit Besuchern im Betrieb, die Zugang zu Produktionsanlagen und vielleicht sogar zur Entwicklungsabteilung oder dem Musterbau erhalten.
Ein Nebenschauplatz, der aber Berührungspunkte mit gewerblichen Schutzrechten aufweist, ist das Wettbewerbsrecht mit seinen zahlreichen Facetten. Diese gilt es ebenso zu beachten, sei es bei der Entwicklung oder um das Werbekonzept für den Vertrieb festzulegen.
Die Frage der Weiterentwicklung eines Erzeugnisses stellt ebenfalls besondere Anforderungen in Bezug auf die Fragen gewerblicher Schutzrechte. So ist stets zu prüfen, ob eine Weiterentwicklung zu einem eigenen Schutzrecht führen könnte oder ob sich etwa das weiterentwickelte und entsprechend veränderte Produkt aus dem bestehenden Patentschutz heraus entwickelt hat und gar nicht mehr unter das bisherige Patent fällt. Es wäre dann, obwohl neuester Entwicklungsstand, schutzlos gegen Nachahmung.
Besonderes Augenmerk ist gerade bei technischen Erzeugnissen, auch im industriellen Bereich, auf die ästhetische Gestaltung und einen darauf gerichteten flankierenden Schutz durch ein eingetragenes Design bzw. Geschmacksmuster zu legen. Auch der Markenschutz ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Besonders interessant sind Überschneidungen zwischen beiden Schutzrechtsarten die in die dreidimensionale Marke münden.
Herausragende Bedeutung und zugleich Motivation für einen offensiven und sorgsamen Umgang mit Schutzrechten besitzt die Durchsetzungsrichtlinie der EU von 2004, mit der überaus drastische Sanktionen gegen Schutzrechtsverletzer eingeführt wurden und deren Vorgaben auch Eingang in alle deutschen Gesetze gefunden haben, die sich mit gewerblichen Schutzrechten befassen. Die wirtschaftlichen Folgen einer Schutzrechtsverletzung sind deshalb häufig sogar existenzgefährdend für das betroffene Unternehmen.
Die Markteinführung
Die Übersicht wird abgerundet durch Hinweise zur Phase der Markteinführung und die dabei besonders bedeutsamen Schutzrechte. Hier stehen in erster Linie die Markenrechte im Vordergrund, deren wichtigste Nebenfunktion die Werbefunktion darstellt. Auch hier sind strategische Entscheidungen wichtig, beispielsweise hinsichtlich der vorausschauenden Markenanmeldung im Ausland. Ebenso vorausschauend sollte die Markenstrategie die Kompetenzen der Patent- oder Rechtsabteilung und der Marketingabteilung bündeln, ein einvernehmliches Zusammenarbeiten ist für den Erfolg unerlässlich.
Ein wichtiges Feld beim Umgang mit Marken in der Praxis ist auch die obligatorische rechtserhaltende Markenbenutzung. Diese lässt sich mit relativ einfachen Maßnahmen absichern, um bei Bedarf auf eine Nichtbenutzungseinrede gut vorbereitet zu sein. Die rechtserhaltende Benutzung steht auch in einem Spannungsfeld mit der Weiterentwicklung oder der Modernisierung einer Marke.
Autor: Hans-Peter Gottfried (Patentanwalt, Dresden)