Einwegprodukte aus Kunststoff sind in die Diskussion geraten. Wenn die EU-Mitgliedsstaaten die Einwegplastik-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben, sollen Einweg-Kunststoffprodukte wie Plastiktrinkhalme verschwinden. Alternativen sind aber in Sicht. SIG hat jetzt den nach eigenen Angaben ersten marktreifen Papiertrinkhalm vorgestellt.
In Kraft treten soll die Einwegplastik-Richtlinie etwa im Jahr 2021, wenn die EU-Mitgliedsstaaten ihre Rechtsrahmen angepasst haben. Fachverbände wie die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) bemängeln die nach ihrer Ansicht übereilte Entscheidung und verweisen darauf, dass die beschlossenen Maßnahmen am eigentlichen Problem des Plastikmülls in den Weltmeeren vorbeigingen. Gleichwohl sucht die Industrie bereits nach Alternativen zu Einwegprodukten aus Kunststoff.
SIG präsentiert jetzt die nach eigenen Angaben erste marktreife Alternative zum Plastikstrohhalm. Gemeinsam mit Nestlé werde man noch im ersten Quartal des laufenden Jahres einen Trinkhalm aus Papier auf den Markt bringen, kündigte das Linnicher Unternehmen an. Nach und nach sollen die Produktionskapazitäten dann erhöht und die Trinkhalme für eine größere Auswahl an Verpackungsformaten verfügbar sein.
Warum hat sich SIG überhaupt mit Trinkhalmen befasst? Der System- und Lösungsanbieter für aseptische Verpackungen stellt solche Produkte überhaupt nicht her. Der Ansatz sei gewesen, den Kunden einen Mehrwert zu bieten, „indem wir sie dabei unterstützen, den Wünschen von Verbrauchern und Gesetzgebern zu entsprechen“, erläutert SIG-Chief-Market-Officer Markus Boehm.
Halm bleibt 30 Minuten in Flüssigkeiten stabil
SIG stellt beispielsweise die Kleinformatgetränkepackungen her, aus denen man unterwegs bequem mit dem mitgelieferten angeklebten Trinkhalm seinen Durst stillen kann. Entsprechend ging man eine enge Entwicklungskooperation mit dem Trinkhalmlieferanten ein. Dabei entstand mit dem Papiertrinkhalm eine „innovative und exklusive Lösung“, freut sich SIG. Noch in diesem Jahr soll die FSC-Zertifizierung erfolgen.
Papier und Flüssigkeiten, das passt zunächst einmal schlecht zusammen. Das von SIG präsentierte Produkt bleibt trotzdem mindestens 30 Minuten in Flüssigkeiten stabil. Dafür sorgt seine Konstruktion. Er besteht aus drei Schichten Papier, die durch zwei Lagen Haftmittelemulsion verbunden werden, wie das Unternehmen dem packaging journal verriet. Der Premieren-Papiertrinkhalm bringt es auf diese Weise auf einen trotzdem noch schlanken Durchmesser von sechs Millimetern. Er sei robust genug, um die geschlossenen Trinkhalmlöcher der aseptischen Kartonpackungen zu durchstoßen.
Umverpackung ist vorerst noch aus Polypropylen
Vorerst ist die Umverpackung der Trinkhalme noch aus Polypropylen und nicht aus Papier. Dies habe ganz praktische Gründe, erläutert die SIG-Unternehmenskommunikation: „Derzeit können Umverpackungen aus Papier noch nicht mit den installierten Trinkhalm-Applikatoren verarbeitet werden.“
Um zu verhindern, dass die Kunststofftrinkhalmhüllen nach dem Entnehmen als Abfall in der Gegend herumfliegen, wurden sie so konzipiert, dass sie nach dem Herausnehmen des Halmes an der Packung haften bleibt. Getränkeverpackung und Trinkhalm-Umverpackung können dann dem Recycling zugeführt werden. Durch die Fixierung der Umverpackungen werde das Herausnehmen der Trinkhalme nicht komplizierter, beruhigt SIG: „Die Blister sind leicht zu öffnen, sodass der Trinkhalm sehr leicht zu entnehmen ist.“
Essbare Trinkhalme halten deutlich länger
Aufmerksame Zuschauer der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ erinnern sich beim Thema „Trinkhalme“ möglicherweise noch an „EatApple“. Drei junge Berliner, die im April 2017 das Unternehmen Wisefood gegründet hatten, präsentierten dort einen essbaren Trinkhalm aus Pflanzenfasern. Das Konzept gefiel den Show-Investoren nicht.
Nach einer intensiven Überarbeitung der Rezeptur im Oktober 2018 gibt es den essbaren Trinkhalm weiterhin, und er ist unter dem neuen Namen „Superhalm“ sogar in manchen Supermärkten zu finden. Der vegane „Superhalm“ sei eine nachhaltige Alternative zum Plastikstrohhalm, betont Wisefood-Geschäftsführer Konstantin Neumann: „Man kann unsere Superhalme genauso verwenden wie normale Halme und kann sie nach dem Gebrauch einfach aufessen. Wenn man das nicht möchte, können sie auch einfach im Biomüll entsorgt werden.“
Hergestellt wird der Superhalm nach Angaben des Unternehmens aus Langenbernsdorf in Sachsen im Wesentlichen aus Apfeltrester und Weizen. Für den besseren Geschmack werden das Süßungsmittel Stevia und Zitronensäure zugesetzt.
Superhalm soll „Standardwerkzeug“ von Barkeepern werden
Standardmäßig gibt es ihn in Natur- und Schwarzfarbtönen sowie in zwei Längen von 205 und 225 Millimetern. Auch beim Durchmesser stehen zwei Varianten zur Auswahl: fünf und acht Millimeter.
Kontinuierlich verbessert hat das Wisefood-Team – mittlerweile hat das Start-up acht Beschäftigte – die Haltbarkeit des Superhalms in Flüssigkeit. Erst nach einer Stunde beginne der Halm damit, sich in Kaltgetränken aufzulösen, betont Maximilian Lemke vom Wisefood-Vertrieb auf Nachfrage. Die Haltbarkeit übersteige dabei die von Papierhalmen deutlich. Wichtig ist dem Unternehmen auch, dass der essbare Halm den Geschmack der Getränke nicht verändere.
„Wir wollen das Standardwerkzeug für Barkeeper und Co. werden.“
Konstantin Neumann, Geschäftsführer der Wisefood GmbH
Die Zielgruppe des Superhalms liegt derzeit noch nicht bei Verpackungsherstellern, sondern bei den Nutzerinnen und Nutzern. Entsprechend gibt es die Trinkhalme für Endkunden in Gebinden à 50 Stück oder für die Gastronomie in Großpackungen mit 1.200 Halmen.
Eine Einzelverpackung der Trinkhalme, um sie beispielsweise an Getränkepackungen kleben zu können, sei perspektivisch denkbar, werde derzeit aber nicht konkret umgesetzt, sagt Maximilian Lemke.