Produktschutz und Fälschungssicherheit werden immer wichtiger. Ein Unternehmen aus Münster hat eine Methode entwickelt, um Produkte mit winzigen Partikeln zu markieren. Die Partikel können unter anderem in Druckfarben, Lacke, Kleber oder direkt in Fasern eingebracht werden. Einer der Anwender ist der Palettenpool-Betreiber EPAL.
Produktfälschungen verursachen hohe volkswirtschaftliche Schäden. Entsprechend unternehmen Hersteller erhebliche Anstrengungen, um ihre Produkte fälschungssicher zu machen. Barcode-Markierungen, QR-Codes, RFID-Etiketten, künstliche DNA, Gravuren, Hologramme und vieles mehr werden derzeit dafür verwendet. Besonders aktiv ist die Pharmaindustrie. Denn ab dem 9. Februar 2019 müssen Arzneimittel laut der EU-Fälschungsschutzrichtlinie mit einer einmaligen Seriennummer gekennzeichnet werden und eindeutig rückverfolgbar sein.
Viele der existierenden Sicherheitsmerkmale sind auf dem Produkt sichtbar. „Sichtbarer Produktschutz hat den Vorteil, dass er leicht zu integrieren ist. Für Fälscher sind sichtbare Markierungen allerdings weder Abschreckung noch Hürde“, gibt Alex Deitermann, Mitgründer und Geschäftsführer der Tailorlux GmbH aus Münster, zu bedenken.
Viele Lösungen seien wenig praxistauglich. Oft sei der Authentifizierungsprozess sehr kompliziert und zeitraubend. Fälschungssicherungen mit chemischen, biologischen oder radioaktiven Markern können toxikologisch bedenklich sein oder halten Säuren oder hohen Temperaturbelastungen nicht stand.
Markierungspigmente in alle Produktbestandteile integrierbar
Die Tailorlux-Gründerinnen und -Gründer wollten den Fälschungsschutz schneller, sicherer und einfacher machen, als sie das Unternehmen 2009 aus der Universität Münster ausgründeten. Dies führte zum mittlerweile patentierten Produkt „Tailor-Safe“: Markierungspigmente werden verdeckt direkt in die Produkte integriert. „So entsteht ein einzigartiger optischer Fingerabdruck, der fälschungssicher, digitalisierbar und gerichtsverwertbar ist. Der Anspruch ist, dass keine zusätzlichen Gerätschaften nötig sind und die Lösung in bestehende Prozesse integrierbar ist“, erläutert Alex Deitermann.
„Für Fälscher sind sichtbare Markierungen weder Abschreckung noch Hürde.“
Implementierbar sind die optischen Markierungen in nahezu alle Produktbestandteile, mit Ausnahme von flüssigem Glas und Metall. Am häufigsten werden Kunststoffe, Kleber, Tinten oder Lacke markiert. Auch die Integration in Druckfarben ist praktikabel. Es sei sogar möglich, die Markierungen so gut zu „verstecken“, dass sie nur forensisch mit Massenspektrometeruntersuchungen nachweisbar seien, sagt Deitermann.
Vorkehrungen hat Tailorlux außerdem getroffen, um die Tailor-Safe-Pigmente selbst fälschungssicher zu machen. Sie werden quasi „verschlüsselt“. Das Lichtwellenspektrum wird jeweils einzigartig kodiert und kann nur mit spezifischen Schlüssel-Schloss-Sensoren beim Kunden entschlüsselt werden. Während normale Farbsensoren möglicherweise noch das Vorhandensein von Farbpigmenten anzeigen können, erkennen die mit einem speziellen Kryptografiemodul ausgestatteten Kundengeräte, ob die gemessenen Reflexionen korrekt kodiert sind und vom echten Produkt stammen.
Authentifizierung direkt in der Produktionslinie
Die Markierungspigmente verändern die Eigenschaften der zu schützenden Produkte nicht, weil sie nur in extrem geringen Konzentrationen beigemengt werden. Zudem sind die anorganischen, keramischen Leuchtstoffe chemisch „inert“. Sie reagieren mit keinen anderen Substanzen und sind toxikologisch unbedenklich. Das ist besonders für die Verwendung in der Lebensmittel- und Pharmabranche wichtig.
Für den Authentifizierungsprozess existieren verschiedene Möglichkeiten. Urheber geschützter Produkte wollen fortlaufend während der Herstellung und Weiterverarbeitung die Sicherheitsmerkmale prüfen. So wird gewährleistet, dass nur Originalprodukte in den Versand gelangen. Für eine erste Prüfung in der Produktion bietet Tailorlux leicht integrierbare Prüfsensoren als kostengünstige Inline-Variante direkt in Produktionslinien an. Die bei der Messung gewonnenen Daten können über die variable Schnittstelle dokumentiert und direkt an weitere Systeme übermittelt werden.
Für die Realisierbarkeit einer „echten Rückverfolgbarkeit“ auf Basis faktischer Daten stehen internetfähige Sensoren zur Verfügung, die mittels einer speziellen „App“ praktisch an jedem Tablet, Laptop, PC oder an Scannerkassen betrieben werden. Alle Messdaten werden zentral auf einem Server gespeichert und stehen den Kunden mittels Schnittstellen oder Visualisierungssoftware für die Dokumentation der Integrität des betreffenden Produkts zur Verfügung.
Zwei Produktschutzelemente in EPAL-Gitterboxen
Tailor-Safe-Lösungen werden bereits in vielen Branchen eingesetzt. Seit fünf Jahren setzt beispielsweise die „European Pallet Association“ (EPAL) aus Düsseldorf ein Gütesiegel für ihre Palettengitterboxen ein. Darauf sind gleich zwei Tailor-Safe-Produktschutzelemente enthalten. Für EPAL bedeute diese Lösung einen weiteren Meilenstein, um die Originalität der Produkte zu sichern, resümiert die Palettenvereinigung. Auch vier DAX-Unternehmen zählen zum Kundenkreis des münsterschen Unternehmens, halten sich öffentlich aber bedeckt über die konkreten Schutzmaßnahmen.
Direkt in die Kunststoffgehäuse ihrer Produkte habe der Werkzeughersteller Jokari aus Werne und der Berliner Akkuproduzent „Greenpack“ Tailor-Safe eingebracht. Jeder einzelne Greenpack-Akku gibt jetzt per unsichtbarem Pigment Auskunft über seine Echtheit. Wichtig ist für Greenpack besonders, dass die Kennzeichnung auch noch nach einem Brand sicher identifiziert werden kann und so wirksam gegen ungerechtfertigte Reklamationen schützt.
Weiteres Potenzial in Recycling- und Pharmabranche
Seit mehreren Jahren zeigt die Textilindustrie starkes Interesse an unsichtbaren Produktmarkierungen. Hersteller wie „Dibella“ aus Bocholt möchten beispielsweise nachweisen, dass sie tatsächlich nur hochwertige, nachhaltig produzierte Baumwolle verarbeiten. Tailorlux hat deshalb eine Markierung, die auf das Siegel „Cotton-made-in-Africa“ verweist, direkt in die Fasern in Dibella-Hoteltextilien eingebracht. Alternativ kann die Markierung auch beim Färben, Bedrucken und bei der Nachbearbeitung der Fasern implementiert werden.
Weiteres Zukunftspotenzial der Tailor-Safe-Sicherheitsmarkierungen sieht Alex Deitermann im Recyclingmarkt. Die Markierungen könnten zur rascheren Identifikation von Inhaltsstoffen und Eigenschaften beitragen und so die Materialsteuerung und die Wiederverwertung unterstützen.
Deitermanns weiteres Augenmerk richtet sich auf den Pharmamarkt. Denkbar sei künftig die Markierung von Medikamenten über die Verpackung hinaus direkt in der Pille. Gefälschte Medikamente könnten dann wesentlich sicherer erkannt werden als bisher.