Wann sind Verpackungen recyclinggerecht? Das definiert der „Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen“ nun genauer. Die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) hat das 18-seitige Dokument zum 1. September 2019 veröffentlicht.
Der Mindeststandard richtet sich an die Dualen Systeme. Nach Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes sind sie aufgerufen, die das Design für recyclingdreundliche Verpackungen zu honorieren. Ihre Kunden, die „Inverkehrbringer“ von Verpackungen, sollen geringere Beteiligungsentgelte für entsprechend vorbildliche Verpackungen bezahlen.
„Verpackungen, deren Wertstoffe durch ein hochwertiges Recycling in den Kreislauf zurückgeführt werden und aus denen wieder neue Produkte und Verpackungen entstehen, müssen finanziell begünstigt werden“, beschreibt ZSVR-Vorstand Gunda Rachut den Grundgedanken des Anreizsystems. Es bestehe Handlungsbedarf: „Leider sehen wir aufgrund der ‚Plastikdiskussion‘ auch viele kontraproduktive Entwicklungen.“
Der Mindeststandard stellt klar, dass gerade Materialgemische, die im Moment sehr zunehmen, oftmals wenig bis gar nicht recyclingfähig sind.“
Gunda Rachut, Vorstand Zentrale Stelle Verpackungsregister
Bewertungskriterien für jede Materialfraktion
Der Mindeststandard, der künftig jährlich aktualisiert werden soll, benennt für jede Materialgruppe und jede Materialfraktion Kriterien für die Recyclinggerechtigkeit. Es wird beschrieben, was als „Gutmaterial“ zu verstehen ist, was Ausschlussgründe für eine gute Wiederverwertbarkeit sind und welche Wertstoffe gut recycelt werden können. Bei Kunststoffen wird etwa davon ausgegangen, dass vor allem das namensgebende Hauptpolymer wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) umso besser recycelbar ist, je höher sein Anteil ist.
Außerdem definiert das Dokument „Recyclingunverträglichkeiten“ sowie Faktoren, die die automatische, sensorgestützte Sortierung eines Materials in den Sortieranlagen erschweren. Nicht recyclinggerecht wären in diesem Sinne beispielsweise Verpackungen aus dunklem Plastik oder nahezu vollflächig etikettierte oder metallisierte Materialien. Auch Mehrschichtverpackungen lassen sich in der Regel schlecht automatisch sortieren.
Der Kölner Entsorgungsdienstleister Reclay Systems hat indes Anfang Oktober Näheres zum Prämienmodell für recyclinggerechte Verpackungen bekanntgegeben. Für nachgewiesenermaßen gut recycelbare Verpackungen soll den Inverkehrbringern ein Prozent des gesamten Lizenzvolumens gutgeschrieben werden. Schöpfe der Kunde die Prämie nicht oder nur teilweise aus, solle der verbleibende Betrag gespendet werden, kündigt Reclay Systems an. Unterstützt werden sollen dann Umweltprojekte gemeinnütziger Organisationen. „Damit bringt die Recyclingprämie nur Vorteile“, schlussfolgert das Unternehmen.
Entsorger bieten Software-Tools an
Damit sich Verpackungsentwickler in den neuen Anforderungen zurechtfinden, bieten Entsorger wie Der Grüne Punkt oder Bellandvision ihren Kunden umfangreiche Informationsmaterialien an und führen Workshops durch. Bellandvision hat außerdem ein Online-Bewertungstool für die Recyclingfreundlichkeit konkreter Verpackungen entwickelt. Auch Der Grüne Punkt bietet mit dem „ReyclingCOMPASS“ ein solches Angebot.
Auch Interseroh bietet Unternehmen nun eine Online-Hilfe an, um die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu beurteilen. Der Online-Test „Check for Reycling“ gibt Hinweise darauf, wie gut sich Produktverpackungen getrennt erfassen, sortieren und zu neuen Produkten wiederverwerten lassen.
Fachverbände: nicht nur auf hochwertiges Recycling versteifen
Die einschlägigen Fachverbände begrüßen weitgehend den nun vorliegenden Kriterienkatalog. Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) beispielsweise spricht von einer „wichtigen Hilfestellung für Produktentwickler und Hersteller“. Eric Rehbock, bvse-Hauptgeschäftsführer warnt in einem Medienbericht allerdings davor, sich allein auf hochwertiges werkstoffliches Recycling zu konzentrieren. Um die hohen Recyclingquoten zu erfüllen, müsse auch die Wiederverwertung minderwertigerer Wertstoffe wie beispielsweise von Mischkunststoffen zu einfachen Produkten intensiviert werden.