ZSVR warnt vor Rechtslücke und Risiko für duales System

Die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) bewertet einen von der EU-Kommission ins Spiel gebrachten nationalen Spielraum bei der Herstellerdefinition der künftigen Verpackungsverordnung (PPWR) kritisch. Ein zeitweises Abweichen vom einheitlichen EU-Herstellerbegriff zwischen dem 12. August 2026 und dem 1. Januar 2027 sei europarechtlich kaum haltbar und könne das deutsche System der haushaltsnahen Verpackungsentsorgung finanziell destabilisieren.

Aktuell gilt im deutschen Verpackungsgesetz, dass als Hersteller derjenige Wirtschaftsbeteiligte gilt, der eine befüllte Verpackung erstmals in Deutschland in Verkehr bringt. Bei Importware ist das in der Regel der ausländische Lieferant, der die rechtliche Verantwortung beim Grenzübertritt trägt. Mit der PPWR verschiebt sich diese Rolle: Hersteller ist künftig derjenige, der die Lieferkette in dem Mitgliedstaat eröffnet, in dem die Verpackung zu Abfall wird – bei Importen also typischerweise das inländische Handelshaus, das die Ware an Endkunden verkauft.

Importanteil als systemrelevanter Faktor

Eine Auswertung der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung im Auftrag der ZSVR zeige, dass der Anteil gefüllter Importe an der Marktmenge systembeteiligungspflichtiger Verpackungen im Mittel bei rund 40 Prozent liegt; bei Eisenmetallen sind es gut 50 Prozent. Besonders relevant seien dabei Leichtstoffverpackungen, die in hohem Maß zur Finanzierung der dualen Systeme beitragen.

Derzeit finanzieren rund 80 Prozent der Verpackungsmengen das System der haushaltsnahen Sammlung und Verwertung. Fiele dieser Anteil unter 70 Prozent, sieht die ZSVR die Grundlage für den wirtschaftlichen Betrieb der dualen Systeme als gefährdet an. Im Worst-Case-Szenario könnte der finanzierende Anteil nach der Herstellerverlagerung bei Importen auf unter 50 Prozent sinken.

Zweifel an nationalen Übergangsregelungen

Die PPWR ist am 11. Februar 2025 in Kraft getreten und gilt nach einer Übergangsfrist ab dem 12. August 2026 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Die ZSVR betont, dass die Herstellerdefinition in Artikel 3 Absatz 15 PPWR damit direkt anwendbares EU-Recht sei und sich national nicht verschieben lasse. Ein Vorschlag, auf nationaler Ebene die Anwendung dieser Definition bis zum 1. Januar 2027 hinauszuschieben und in der Zwischenzeit an abweichenden Regelungen festzuhalten, stünde im Widerspruch zum Vorrang des Unionsrechts.

Auch eine Herleitung über Artikel 46 PPWR, der die Übertragung der erweiterten Herstellerverantwortung auf Organisationen regelt, hält die ZSVR für systematisch nicht tragfähig. Die Verordnung sei gerade darauf ausgelegt, Rollen und Pflichten der Wirtschaftsbeteiligten europaweit zu harmonisieren; Spielräume für zeitlich begrenzte nationale Sonderwege bei den Definitionen seien nicht vorgesehen.

Gefahr eines „vollzugsfreien Raums“

Aus Sicht der ZSVR würde eine parallele Geltung von EU-Verordnung und nationalem Übergangsrecht zu einer widersprüchlichen Rechtslage führen. Unternehmen könnten sich dann darauf berufen, dass ihr Verhalten zumindest einer der beiden Rechtslagen entspricht. Ordnungswidrigkeiten wären schwer nachweisbar, da sowohl Rechtswidrigkeit als auch Vorwerfbarkeit in Frage stünden. Ein wirksamer Vollzug der Herstellerpflichten im vierten Quartal 2026 erscheint der ZSVR daher kaum realisierbar.

Für international tätige Unternehmen käme hinzu, dass sie für jeden Mitgliedstaat prüfen müssten, ob dort die unmittelbare PPWR-Definition gilt oder eine nationale Übergangsregelung greift. Dies könnte dazu führen, dass parallele Rechtsregime einkalkuliert und entsprechende Rückstellungen gebildet werden müssten.

ZSVR sieht duales System in Deutschland akut gefährdet

Im Ergebnis warnt die ZSVR, dass eine nationale Verschiebung der Herstellerdefinition einen vollzugsfreien Zeitraum schaffen würde. Unternehmen könnten ihre Systembeteiligungspflichten faktisch aussetzen, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen. Angesichts eines betroffenen Importanteils von knapp 40 Prozent an den systembeteiligungspflichtigen Verpackungsmengen – bei einem bereits ab 10 Prozent als kritisch bewerteten Unterdeckungsrisiko – sieht die ZSVR die Finanzierung des dualen Systems in Deutschland in diesem Szenario massiv bedroht. Im Extremfall könnte das System nach Einschätzung der ZSVR im vierten Quartal 2026 aufgrund einer Unterfinanzierung zusammenbrechen.

Quelle: ZSVR