Zwischen Skepsis und Verantwortung: Verbraucherpräferenzen für Lebensmittelverpackungen

Plastik, biobasiert, heimkompostierbar – oder doch Papier? Es gibt immer mehr Alternativen zu herkömmlichem Kunststoff. Doch was bevorzugen Verbraucherinnen und Verbraucher? Vertrauen sie den Angaben zu plastikfreien Verpackungen oder sind sie skeptisch? Und wie steht es mit dem Umweltbewusstsein? Diesen Fragen ist die Hochschule Geisenheim nachgegangen.

In Deutschland werden etwa 60 Prozent des frischen Obstes und Gemüses in Plastik verpackt, was zu einer enormen Menge an Plastikmüll führe (NABU, 2020), wie es aus dem Rheingau heißt. Vor diesem Hintergrund wachse das Interesse an plastikfreien Verpackungsalternativen – nicht nur aufgrund des öffentlichen Drucks, sondern auch durch die sich wandelnden Präferenzen der Verbraucher. Bisherige Forschungen hätten gezeigt, dass Verbraucherpräferenzen nicht nur von den Materialeigenschaften wie Aussehen und Umweltfreundlichkeit, sondern auch von psychologischen Faktoren wie Umweltbewusstsein und „grüner Skepsis“ geprägt werden. Allerdings fehlten umfassende Studien, die eine breite Palette von Plastikalternativen – einschließlich neuer Materialien – untersuchen. Zudem wurde „grüne Skepsis“ bisher vor allem im Zusammenhang mit Werbung und der Nachhaltigkeits-Kommunikation von Unternehmen erforscht, kaum aber im Bereich der „grünen Verpackung“, heißt es weiter.

Die Hochschule Geisenheim ging daher der Frage nach, welche allgemeinen Vorlieben Verbraucher für verschiedene Verpackungsmaterialien haben, am Beispiel von Topfkräutern. Topfkräuter werden typischerweise in Plastikfolie und Plastiktöpfen verkauft. Inzwischen gibt es auch die Variante mit Papiertrichtern oder einer Mischung aus Plastik und Papier. Die Studie bezog auch neue und noch nicht für Topfkräuter marktreife Verpackungen mit ein. Darüber hinaus untersuchte sie, welche unterschiedlichen Verbrauchergruppen sich basierend auf ihrem Wahlverhalten herausbilden und welche Rolle grüne Skepsis, Umweltbewusstsein und soziodemografische Faktoren bei der Gestaltung dieser Vorlieben spielen.

Umweltbewusstsein und grüne Skepsis im Kaufverhalten

Das Umweltbewusstsein und die „grüne Skepsis“ spielten eine zentrale Rolle bei der Kaufentscheidung für umweltfreundliche Produkte. Umweltbewusstsein bedeutet, dass Menschen sich der Umweltprobleme bewusst sind und bereit sind, entsprechend zu handeln, zum Beispiel durch den Kauf nachhaltiger Verpackungen, so die Hochschule Geisenheim. Allerdings sei dieser Zusammenhang komplex: Menschen mit einem hohen Umweltbewusstsein neigten dazu, positive Reaktionen auf ökologisch vorteilhafte Verpackungen zu zeigen, während diejenigen mit geringerem Bewusstsein solche Angebote eher ablehnen. Auf der anderen Seite könne „grüne Skepsis“, also Zweifel an der Wirksamkeit und Echtheit umweltfreundlicher Produkte, Menschen davon abhalten, nachhaltige Verpackungen zu akzeptieren, selbst wenn sie umweltbewusst sind. Interessanterweise könne ein starkes Umweltbewusstsein dennoch die negativen Effekte der Skepsis abmildern, indem es das Vertrauen in nachhaltige Lösungen stärke.

Online-Experiment zu Verpackung von Topfkräutern

Für die Studie wurden 250 Verbraucher und Verbraucherinnen aus Deutschland online befragt. Dabei wurde gezielt darauf geachtet, dass die Befragten hinsichtlich Geschlecht, Alter und Region einen Querschnitt der deutschen Bevölkerung darstellten. Zur Erfassung der Verbraucherpräferenzen für verschiedene Verpackungsmaterialien wurden den Befragten fiktive Produktszenarien präsentiert, in denen sie zwischen Produkten mit unterschiedlichen Eigenschaften, wie z.B. Preis, Verpackungsmaterial oder Produktionsweise, wählen konnten. Durch die Analyse dieser Entscheidungen können Forschende herausfinden, welche Eigenschaften den Verbraucherinnen und Verbrauchern am wichtigsten sind und welche Kombinationen von Merkmalen am meisten bevorzugt werden. Diese Methode ahme reale Kaufentscheidungen nach, indem sie die Teilnehmenden zwingt, Abwägungen zwischen verschiedenen Produktmerkmalen zu treffen, ähnlich wie dies beim tatsächlichen Einkauf der Fall wäre.

Im Experiment wurden vier wesentliche Eigenschaften ausgewählt, die die Kaufentscheidungen der deutschen Verbraucher und Verbraucherinnen bei frischen Topfkräutern beeinflussen könnten: das Material der Folienverpackung, das Material des Topfes, der Preis und die biologische Produktion. Für das Folienverpackungsmaterial wurden vier Ausprägungen betrachtet: Plastik, Papier, Folie auf Maisstärkebasis und Zellulosefolie. Beim Topfmaterial gab es ebenfalls vier Wahlmöglichkeiten: Plastik, biobasierter Kunststoff, heimkompostierbares Material und die Option ohne Topf, bei der der Wurzelballen in einem Folientrichter verpackt war. Die Preise reichten von günstigen bis zu höheren Optionen (1,49 Euro bis 2,99 Euro), während für die biologische Produktion zwei Ausprägungen vorhanden waren: das EU/Deutsche Bio-Siegel und keine biologische Kennzeichnung.

„Möglichst kein Plastik – dafür Papier und heimkompostierbare Materialien“

Die Ergebnisse des Experiments zeigten, dass der Preis, sowie Material des Topfes bei den Kaufentscheidungen der Verbraucherinnen und Verbrauchern die wichtigste Rolle spielte. Beide Eigenschaften wurden fast gleich hoch bewertet und machten jeweils etwa ein Drittel der Entscheidung aus. Als etwas weniger entscheidend erwiesen sich das Material der Folienverpackung und die biologische Produktionsweise, wobei letztere die geringste Wichtigkeit besaß.

Die Verbraucher und Verbraucherinnen bevorzugten günstigere und biologische Produkte. Insbesondere Papier und Folien auf Maisstärkebasis wurden bei der Verpackung dem Plastik vorgezogen. Beim Material der Töpfe war die heimkompostierbare Variante am beliebtesten, gefolgt von der Option, nur den Wurzelballen in Folie zu verpacken, während Plastik die geringste Beliebtheit hatte. Diese Vorlieben spiegeln das zunehmende Umweltbewusstsein der Verbraucher wider.

Diese Präferenzen seien jedoch nicht homogen. Die Untersuchung identifizierte drei unterschiedliche Verbrauchergruppen, welche sich auch in der Ausprägung des Umweltbewusstseins und der grünen Skepsis unterschieden: die umweltbewussten, die preisbewussten und die grünen Skeptiker.

  • Umweltbewusste Verbraucher: Diese Gruppe, welche knapp 62 Prozent der Befragten ausmachte, legt den größten Wert auf Nachhaltigkeit und war bereit, für umweltfreundliche Verpackungen mehr zu zahlen. Sie bevorzugten biologisch abbaubare und „no-pot“-Lösungen, die es ermöglichen, ohne Topf auszukommen, und schätzten biologisch produzierte Produkte.
  • Preisbewusste Verbraucher: Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die preisbewussten Verbraucher, welche knapp 25 Prozent ausmachten, hauptsächlich auf die Kosten. Für sie waren vor allem der günstige Preis und die Praktikabilität entscheidend. Diese Gruppe war weniger bereit, für nachhaltige Alternativen einen Aufpreis zu zahlen, was auf ihre grüne Skepsis und ein niedriges Umweltbewusstsein zurückzuführen ist.
  • Grüne und skeptische Verbraucher: Diese Gruppe von ca. 13 Prozent zeigte ein komplexes Verhalten, bei dem sowohl Umweltbedenken als auch Skepsis gegenüber umweltfreundlichen Behauptungen eine Rolle spielten. Sie wählten Verpackungen, die sie als kostengünstig betrachten, und bevorzugten Materialien wie Papier und „no-pot“.

Was bedeutet das für die Praxis?

Bei dem Online-Experiment gaben die Befragten ihre Kaufintention an. Es ist jedoch bekannt, dass sich diese nicht immer auch im realen Kaufverhalten so widerspiegeln, da Routinen und andere alltagspraktische Bedingungen auch eine große Rolle spielen, so die Hochschule Geisenheim. Trotzdem zeige die Studie, dass allgemein betrachtet Verbraucher und Verbraucherinnen eine klare Präferenz für plastikfreie Verpackungsmaterialien wie Papier und heimkompostierbare Materialien anstelle von traditionellem Plastik hätten. Die Erkenntnisse legten damit nahe, dass es sich lohne, in die Entwicklung und Vermarktung nachhaltiger Verpackungslösungen zu investieren, die den Präferenzen der Verbraucher entsprächen. Dabei sei es wichtig, die Kommunikation auf die spezifischen Werte und Bedürfnisse der verschiedenen Verbrauchersegmente abzustimmen. Zudem sei es entscheidend, Vertrauen in nachhaltige Produkte zu schaffen, um „grüne Skepsis“ zu überwinden. Die Erkenntnisse verdeutlichten die Notwendigkeit, die Verfügbarkeit von plastikfreien Verpackungen zu erhöhen und gleichzeitig die Kommunikation transparent und glaubwürdig zu gestalten, um den Übergang zu nachhaltigeren Verpackungslösungen zu fördern.

Gefördert wird das Forschungsprojekt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Quelle: Hochschule Geisenheim, Ansprechpersonen: Dr. Anne-Katrin Kleih und Prof. Dr. Kai Sparke