Biokunststoff: EU-Regelwerk auf dem Prüfstand

Eine Vielzahl Einweggeschirr aus Biokunststoff
(Bild: Prostock-studio / shutterstock)

In Deutschland traten dieses Jahr bereits zahlreiche Regelungen mit umfangreichen Implikationen für die gesamte Kunststoffindustrie in Kraft. Zurzeit wird in Brüssel an einer Revision der EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Directive, PPWD) gearbeitet, die weitere Veränderungen mit sich bringt. Welche Rolle sollten europäische Regelwerke und nachgeordnetes nationales Recht Biokunststoffen bei der Herstellung einer europäischen Kreislaufwirtschaft zuweisen?

Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe bilden die Materialgruppe der Biokunststoffe. Sie sind ein wichtiger Baustein bei der Transformation von einer linearen, auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft, die auf erneuerbare Ressourcen setzt.

Quelle: European Bioplastics, nova-Institut (2019)

Zurzeit hat Biokunststoff einen Anteil von rund einem Prozent an den über 368 Millionen Tonnen Kunststoff, die jährlich produziert werden. Mit 47 Prozent bilden Verpackungen nach wie vor den mit Abstand größten Anwendungsbereich (Biokunststoffe: 0,99 Millionen Tonnen). Alternativen aus Biokunststoff existieren für nahezu jedes konventionelle Kunststoffmaterial beziehungsweise -produkt. Die Anzahl von Biokunststoffen, die erfolgreich die Marktreife erlangt haben, nimmt stetig zu. Die globalen Produktionskapazitäten von Biokunststoffen werden sich zudem in den nächsten fünf Jahren weiter vergrößern und diversifizieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein klarer gesetzlicher Rahmen, der durch mehr Transparenz politische Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene verlässlicher macht und damit die Planungssicherheit für die Biokunststoffindustrie erhöht.

EU-Einwegkunststoff-Richtlinie verfehlt Ziel

Bereits im Vorjahr ist damit begonnen worden, auf der Bundesebene zahlreiche Verordnungen und Gesetze zu erlassen, um die Regelungen der Einwegkunststoff-Richtlinie der EU (Single-use Plastics Directive, SUPD) bis zu ihrem Inkrafttreten am 3. Juli 2021 umzusetzen. Die Richtlinie beinhaltet unter anderem ein Verbot von ausgewählten Einwegprodukten aus Kunststoff, strengere Regelungen hinsichtlich der Herstellerverantwortung sowie eine Kennzeichnungspflicht für diverse Kunststoffeinwegprodukte. Auch wenn die ursprüngliche Intention der SUPD, die durch Kunststoffabfall verursachten Beeinträchtigungen in der Natur zu reduzieren, grundsätzlich zu unterstützen ist, verfehlt sie in weiten Teilen ihr Ziel.

Gleiches gilt für die nationalen Regelungen zu deren Umsetzung. Denn die EU-Direktive verbietet gewisse Einwegprodukte aus Kunststoff mit dem Hinweis, dass geeignete und gleichzeitig nachhaltigere Alternativen bereits verfügbar wären. Sie unterlässt es allerdings, diese Alternativen genauer zu benennen. Bei den bislang diskutierten Alternativmaterialien, wie zum Beispiel Bambus, Stroh oder Bagasse, ist es zumindest fraglich, ob nach deren Weiterverarbeitung die finalen Produkte bedenkliche Zusatzstoffe enthalten, die den bestehenden Regelungen zur Lebensmittelsicherheit entgegenstehen.

Eine weitere Schwachstelle der neuen Beschränkungen beim Einweg ist der Verzicht auf eine Unterscheidung zwischen konventionellen Kunststoffen und Biokunststoffen, obwohl Letztere eine beachtliche Reihe an ökologischen Vorteilen aufweisen. Auch die Umsetzung der SUPD in den einzelnen Mitgliedsstaaten verläuft äußerst unterschiedlich, sodass man bereits früh von einem legislativen Flickenteppich sprechen musste. Dies führt bei Verbrauchern und der Industrie gleichermaßen zu Verwirrung sowie zu einer Störung des internen Markts. Eine vorzeitige Revision der Direktive wird daher immer wahrscheinlicher.

Rolle von Biokunststoffen stärker berücksichtigen

Bereits Ende letzten Jahres hat die Europäische Kommission mit der Überarbeitung der Packaging and Packaging Waste Directive (PPWD) und ihrer Essential Requirements begonnen. Die Neuregelung des Umgangs mit Verpackungen und Verpackungsabfällen könnte erneut weitreichende Veränderungen für die Kunststoffindustrie mit sich bringen. In einem dreimonatigen Konsultationsprozess, der Anfang des Jahres zu Ende ging, konnten Stakeholdergruppen bereits ersten Input zum Verfahren liefern. Es folgten mehrere Workshops der Kommission und für diesen Herbst wird mit der Veröffentlichung einer Impact-Assessment-Studie gerechnet. Die Ergebnisse sollen in einen ersten Revisionsentwurf der PPWD einfließen, der voraussichtlich im Frühjahr 2022 vorgelegt wird.

(Bild: Pawarun Chitchirachan / shutterstock)

Dabei ist es wichtig, dass der aktuelle Revisionsprozess die wichtige Rolle, die biobasierte sowie bioabbaubare und kompostierbare Kunststoffen bei der Reduktion von Umwelt- und Klimabeeinträchtigungen spielen können, ausreichend berücksichtigt. Biokunststoffe helfen dabei, sowohl den Materialkreislauf als auch den Kreislauf von Kohlenstoffdioxid zu schließen. Insbesondere bioabbaubare und kompostierbare Kunststoffe, die für Lebensmittelverpackungen verwendet werden, unterstützen die Nutzung von unvermeidbarem Abfall. Eine Ressource, die sonst auf der Mülldeponie oder bei der Müllverbrennung ungenutzt verloren ginge. Biokunststoffe leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Herstellung einer vollständigen Kreislaufwirtschaft.

Zentrales Regelungswerk der Kunststoffindustrie auf dem Prüfstand

Auch wenn es noch zu früh ist, um eine umfassende Einschätzung hinsichtlich der Auswirkungen der Revision auf die Kunststoffindustrie abzugeben, lassen sich doch bereits einige zentrale Aspekte benennen. Von besonderer Bedeutung wird die finale Version der Definition von Recycling sein. Dabei geht es auch um die Frage, welche Materialien als zirkulär angesehen werden. Für die Biokunststoffe ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die industrielle Kompostierung Teil der Definition von Recycling bleibt. Bereits die in der EU Packaging Directive von 1994 enthaltene Definition umfasst auch das organische Recycling, zu dem die industrielle Kompostierung gehört. In der Direktive werden mechanisches und organisches Recycling, aber auch das chemische Recycling als gleichrangige Verwertungsformen angesehen.

Einen weiteren wichtigen Aspekt der Revision bildet die Diskussion um einen Pflichtanteil an recyceltem Material in jeder Verpackung. Als Alternative sollte in gleichem Maße auch ein biobasierter Pflichtanteil gefördert werden. Auf diese Weise würde dem Potenzial biobasierter  Verpackungen bei der Reduktion von Emissionen ausreichend Rechnung getragen. Bereits die europäische Waste Framework Directive und die aktuelle Version der PPWD unterstützen die Verwendung von biobasierten Ressourcen bei der Herstellung von Verpackungen. In beiden Fällen könnte der Pflichtanteil über den Hebel der Herstellerverantwortung in Form der Extended Producer Responsibility Fees gefördert werden.

Noch bleibt abzuwarten, wie sich die Revision der PPWD letztlich ausgestaltet und welche konkreten Auswirkungen sie auf die Biokunststoffindustrie beziehungsweise die gesamte Kunststoffbranche haben wird. Spannend bleibt außerdem, zu sehen, in welchem Umfang die Revision am Ende zur Erreichung der Ziele des European Green Deal beiträgt. Unstrittig ist allerdings, dass mit der Überarbeitung der PPWD ein zentrales Regelungswerk der Kunststoffindustrie auf der Tagesordnung steht.

Gastautor Oliver Buchholz, Leiter Kommunikation European Bioplastics e. V.

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