Auf dem 27. Internationalen Altkunststofftag des BVSE diskutierten über 300 Branchenvertreter über die Chancen und Risiken der neuen EU-Verordnungen. Der Verband fordert: Mechanisches Recycling darf nicht zum Verlierer der neuen Gesetzgebung werden.
Was sich in Brüssel derzeit vollzieht, könnte das Kunststoffrecycling in Europa grundlegend verändern. Mit der Neufassung der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR), der Altfahrzeugrichtlinie (ELV) und der WEEE-Richtlinie (für Elektro- und Elektronik-Altgeräte) verabschiedet sich die EU zunehmend von freiwilligen Zielvorgaben – und ersetzt sie durch verbindliche Recycling- und Rezyklateinsatzquoten. „Endlich bekommen wir einen europäischen Rechtsrahmen mit Substanz – und Verbindlichkeit“, betonte Dr. Thomas Probst, BVSE-Experte für Kunststoffrecycling.
PPWR umsetzen- ohne neue Bürokratiemonster zu schaffen
Die neue PPWR trat am 11. Februar 2025 in Kraft und gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Die Verordnung verfolgt ein ambitioniertes Ziel: Verpackungen sollen wieder zu Verpackungen werden – statt in minderwertigen Anwendungen zu enden. Doch zwischen Anspruch und Realität klafft eine Lücke.
In der Praxis dominieren nach wie vor offene Materialströme. „Aus Getränkeflaschen werden Schalen oder Folien – echte Kreisläufe, in denen Verpackungen wieder zu Verpackungen werden, sind bislang die Ausnahme“, so Dr. Probst. Besonders im Lebensmittelbereich sei die Verfügbarkeit geeigneter Rezyklate eingeschränkt. Lediglich rPET erfülle aktuell die strengen lebensmittelrechtlichen Anforderungen.
„Wir haben die technischen Grundlagen für hochwertiges Recycling. Aber ohne ausreichende Mengen geeigneter Inputstoffe bleibt der Aufbau geschlossener Kreisläufe Stückwerk.“
Dr. Thomas Probst, BVSE-Experte für Kunststoffrecycling
Ein weiteres Novum der PPWR ist die explizite Einbeziehung gewerblicher und industrieller Verpackungsabfälle. Hier erwartet die Branche tiefgreifende Veränderungen: „Wir brauchen neue Erfassungssysteme, die Kunststoffabfälle aus dem Gewerbebereich getrennt und effizient erfassen – ohne zusätzliche Bürokratiemonster zu schaffen“, erklärte Probst.
Der BVSE spricht sich gemeinsam mit BDE, GKV und IK für den Aufbau intelligenter, digital unterstützter Systeme unter der Verantwortung der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) aus. Ziel sei es, bewährte Strukturen zu erhalten und weiterzuentwickeln – bei gleichzeitig schlanken Melde- und Registrierungspflichten.
Bedrohung aus Fernost: Die Schattenseite des globalen Markts
Ein wachsendes Problem sieht der BVSE in der zunehmenden Einfuhr asiatischer Off-Spec-Neuware, die in Europa deutlich günstiger angeboten wird als heimische Rezyklate. Probst warnt: „Diese Entwicklung führt zu einer doppelten Verdrängung – europäische Kunststoffproduzenten geraten unter Druck, und für hochwertige Rezyklate brechen die Absatzmärkte weg.“
Besonders kritisch sei das regulatorische Ungleichgewicht: Während Exporte aus der EU streng überwacht werden, gelte für Importe nach Europa kaum Kontrolle. „Wenn wir wirklich eine geschlossene Kreislaufwirtschaft wollen, muss Europa hier dringend nachsteuern“, forderte Probst.
Chemisches Recycling – Innovation oder Irreführung?
Die Rolle des chemischen Recyclings wird von der Branche differenziert betrachtet. Zwar sei es technisch vielversprechend, doch die Erwartungen an dessen tatsächlichen Beitrag zum Recycling würden bisher nicht erfüllt. „Trotz massiver PR-Kampagnen bleibt der mengenmäßige Output des chemischen Recyclings derzeit marginal“, sagte Probst.
Vor diesem Hintergrund lehnt der bvse aktuelle EU-Vorschläge zur bevorzugten Anrechnung sogenannter „Dual-Use“-Stoffe auf die Recyclingquote ab. „Eine Sonderbehandlung des chemischen Recyclings verzerrt den Markt und schwächt das mechanische Recycling – obwohl letzteres ökologisch klar im Vorteil ist.“
Die Forderung des BVSE ist klar: Mechanisches Recycling darf nicht zum Verlierer der neuen Gesetzgebung werden. „Es ist das Rückgrat der europäischen Kunststoffkreislaufwirtschaft – und muss es auch bleiben“, betonte Probst eindringlich. Eine faire Wettbewerbsumgebung, gleiche Standards und transparente Anrechnungssysteme seien dafür unerlässlich.
Quelle: BVSE