Auch die inzwischen 34. Auflage der jährlichen Dresdner Verpackungstagung war ausverkauft: die inzwischen als traditioneller Jahresabschluss der Verpackungsbranche etablierte Veranstaltung ist eine Dialogplattform für all ihre Akteure – für die Marken, den Handel und die Entsorger ebenso wie für Studierende oder Vertreter von Start-ups. Das packaging journal war in Dresden dabei.
Nur wenige Plätze waren leer geblieben, als die Veranstaltung in der Dresdner Dreikönigskirche in diesem Jahr wieder von Moderator Winfried Batzke vom Deutsches Verpackungsinstitut e. V in seiner unvergleichlichen Art für zwei vollgepackte Veranstaltungstage eröffnet wurde: „Alles dreht sich“, betonte er, ganz im Sinne von Kreislaufwirtschaft, Mehrweg und den sich permanent verändernden Rahmenbedingungen und Regularien. Mit insgesamt deutlich mehr als 200 Teilnehmern trafen sich erneut Entscheider und Projektverantwortliche aus Industrie, Wissenschaft und Forschung. Bei ihrem Tagungsformat zwischen Tradition und Moderne legen die Organisatoren von Beginn an größten Wert darauf, eine Brücke zwischen Marktführern, Start-ups und dem studierenden Nachwuchs zu schlagen. Die Dresdner Verpackungstagung bietet traditionell so auch die Möglichkeit für den Erstkontakt von Verpackungsprofis und denen, die es werden wollen. Unternehmen könnten in Zeiten von Fachkräftemangel ihre Mitarbeiter von morgen auf diesem Weg schon heute finden.
Mehrweg: Lösung oder Illusion?
Gerade erst zurück aus Busan, wo die Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen ohne Einigung zu Ende gegangen waren, startete Laura Griestop, Manager Sustainable Business and Markets, WWF Deutschland, mit einem engagierten Bericht in die Thematik und bewertete die sehr differenzierte Rolle, die Mehrweg global, europäisch und in Deutschland spielt. Ihr ambitionierter Appell an alle Akteure: die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu unterstützen und voranzubringen.
Barbara Möbius, Projektmanagerin Logistik & Nachhaltigkeit bei Tchibo, stellte die Ziele bei der Entwicklung einer standardisierten und nutzerfreundlichen Branchenlösung für Mehrwegversandverpackungen im Onlinehandel vor. Bereits 2020 und 2022 hatte Tchibo Pilotprojekte in Deutschland und Österreich durchgeführt und 2023/2024 mit einer Rücklaufquote von 80 Prozent neu aufgelegt. Die Ergebnisse belegen: Damit Unternehmen sich beteiligen, muss es günstiger werden z. B. durch Mengenbündelung, damit Verbraucher mitmachen, braucht es Convenience. Das erfordert die Einführung von Standards und die Einbindung erlernter Prozesse. Inzwischen läuft die Akquise weiterer beteiligter Online-Versandhändler und ein Händlerkonsortium ist gegründet worden. Der Ansatz wird weiterverfolgt. Erklärtes Ziel sind die Umsetzung der Lösung in der Praxis über Testing und Roll out. Man bedauert, dass die Transportverpackungen wieder aus den Vorgaben der PPWR herausgenommen wurden.
Über drei Jahrzehnte nachhaltigen Erfolg mit Mehrweg-Verpackungslösungen berichtete Sarah Rollinger, Business Development Managerin bei Cartonplast. Das Unternehmen stellte sein Mietsystem mit wiederverwendbaren Kunststoffzwischenlagen und Paletten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie vor. Seine Palettenzwischenlagen bepfandet er beispielsweise mit dem Wiederbeschaffungswert.
Nicht zuletzt auch um die effektive Pfandhöhe ging es bei den Entwicklungen von Sykell und Dotch. Davide Mazzanti, gebürtiger Italiener, Co-Founder und CEO von Sykell, setzt sich leidenschaftlich für Beschleunigung des Übergangs von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft ein. In der Kategorie Digitalisierung ging beim Deutschen Verpackungspreis 2024 ein Gold Award an Circular ERP, die vorgestellte Plattform von Sykell zur Verwaltung wiederverwendbarer und zirkulärer Güter. Das cloudbasierte Softwaremodell wurde speziell für die Verwaltung von Pfand- und Mehrwegsystemen entwickelt und kann eine Vielzahl unterschiedlicher Primär- und Sekundärverpackungen wie z. B. Flaschen, Formschalen oder anderen Behältern abbilden. Auch ein Deutscher Nachhaltigkeitspreis für Verpackungen ging 2024 an Sykell: Das Mehrwegsystem ist bereits in einigen Supermärkten im Einsatz.
Das Projekt „Mehrweg as a Service“ liegt Veronika Pfender, Co-CEO von Dotch, am Herzen. „Glas kann mehr als einmal“, so der Grundgedanke für eine Lösung über die bereits bestehenden Marktsegmente hinaus. Warum nicht auch für Essige, Öle oder Sauerkonserven einsetzen. Man bietet hier Sammlung, Sortierung, Reinigung und mehr als Paket an. Ein Bespiel aus der Praxis ist das Bio-Sonnenblumenöl in der Mehrwegflasche von der Bio Planète Ölmühle Moog. Im letzten Jahr hatte das Unternehmen die Einwegflaschen durch Mehrweg ersetzt und mit dem Launch der Mehrweg-Serie gleichzeitig Europas erstes Mehrwegsystem für Speiseöl auf den Weg gebracht. Inzwischen wurden von dotch 850.000 Flaschen produziert, 360.000 Flaschen im Umlauf gebracht und 1.300 Rückgabestellen etabliert, das bedeutet fast der gesamter Bio-Lebensmittelhandel ist integriert, der Trend geht in Richtung große Ketten.
Betont wurde sowohl von Vortragenden als auch Diskussionsrednern, dass es bei allen Packmitteln generell nur mit genügend Umläufen möglich ist, mit den Mehrweglösungen jeweils umweltrelevant und sinnvoll zu agieren.
Mehr als ein Grußwort
Mehr als 30 Minuten Zeit nahm sich Michael Kretschmer, amtierender Ministerpräsident von Sachsen, für die Teilnehmer der Verpackungstagung und ihre Fragen. Ausgehend von seiner Einschätzung der Infrastruktur, der Digitalisierung, sowie der wirtschaftlichen Lage in Sachsen und Deutschland ergab sich empathischer Dialog. Sinngemäß angelehnt an ein Zitat von Angela Merkel hatte er die Situation auf dem Punkt gebracht: „Wenn wir teurer sind, als wir gut sind, hat das Konsequenzen.“ Und das betrifft natürlich auch die Verpackungsindustrie.
Obwohl er betont hatte, kein Verpackungsexperte zu sein, ist er als studierter Diplom-Wirtschaftsingenieur (von 1998 bis 2002 studierte er übrigens an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden Wirtschaftsingenieurwesen) davon mit seinem Verständnis der aktuellen Gegebenheiten aber gar nicht so weit weg. Es wurde deutlich, dass die Probleme, die den Unternehmen aktuell unter den Nägeln brennen, durchaus bekannt sind. Seine Aussagen zeugen davon: „Wir müssen die Energiewende neu rechnen.“ „Die Politik muss den Rahmen vorgeben und eine Grundlage schaffen, darf den Entwicklungen aber nicht im Wege stehen.” Kretschmer betonte abschließend: „Es gilt mehr denn je die Chancen zu nutzen, und nicht nur auf die Regulierungen zu schauen.“ Und in der Konsequenz müssten dann eben auch Regeln geändert werden …
KI lässt grüßen
Was kann KI bei Sortierung und Recycling leisten? Welche Möglichkeiten bestehen, nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch künstliche Intelligenz voranzutreiben? An insgesamt neun Forschungsprojekten arbeiten derzeit Vertreter mehrerer Fraunhofer-Institute im Rahmen des KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen. Der aktuelle Stand der Ergebnisse wurde jeweils kurz vorgestellt. Ziel ist es herauszuarbeiten, wie durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz Abfallberge verringert und Ressourcen im Kreislauf geführt werden könnten. Fakt ist, dass in den Projekten repräsentative Datensätze für Recyclingprozesse und Rezyklate sowie deren Einsatzmöglichkeiten als Voraussetzung für den Einsatz von KI erstellt werden müssen. Es lohnt durchaus, sich hier über weitere Details zu informieren. So wird ein Reality Check der Herangehensweisen für den Praktiker möglich.
Start-ups und mehr
Wie in den vergangenen Jahren überzeugten die Projekte der Start-ups: mit zirkulärer Bioökonomie, die einen pflanzlichen Reststoff als alternative Polsterverpackung einsetzt, mit fossilfreien Beschichtungen für vorerst trockene Produkte oder mit KI-gestützter Prozesseinrichtung für maximale Effizienz und höchste Präzision. Und wofür steht eigentlich der Name OSPHIM? Für „Optimized Systems for Plastics & High-Performance Intelligent Manufacturing”, erklärte CEO Dr. Louisa Desel und beschrieb die datenbasierten Einsparpotenziale beim Einsatz ihrer technischen Lösung aus Box und Web im Zusammenspiel, die bis zu 70 Prozent betragen können.
Auch an der Einschätzung der Auswirkungen der PPWR ging kein Weg vorbei. Der Lösungsansatz von Watttron, vorgestellt vom Technischen Leiter Dr. Sascha Bach, setzt auf eine bessere Versiegelung auch bei recycelbaren Monomaterialien durch das patentierte digitale Heizsystem cera2seal. Es bietet eine Energieeinsparung von bis zu 50 Prozent und einen Ausgleich von Produktivitätsverlusten von etwa 30 Prozent. Das flexible Werkzeugdesign ermöglicht die Anpassung an komplexe Verpackungsformen.
Interessante Inhalte und anregende Diskussionsgrundlagen boten auch die Präsentationen über Innovationen der Verpackungstechnologie und Strategien der Marken. Neben Einblicken über das mechanische Recycling von Joghurtbechern und das Potenzial beim Einsatz moderner Ultraschalltechnologie wurden auch die Bedingungen für den Ersatz von Packstoffen beleuchtet und nahmen Themen wie das digitale Verpackungsmanagement oder die nachhaltige Verpackungsgestaltung unter die Lupe. Wichtiger Aspekt dabei: die partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Akteure.
Insgesamt machte das Gesamtpaket aus Neuheiten, Neuigkeiten, Kennenlernen, Gesprächen und Diskussionen wieder viel Lust auf mehr, spätestens im nächsten Dezember.