Bei dem weltweit operierenden Pharmakonzern B. Braun Avitum wurde am Standort Glandorf im Herbst letzten Jahres nach einer Investition von rund 50 Mio. Euro eine neue Produktionsstätte eingeweiht. Integriert in die Prozesse ist ein energiesparendes Trocknungsverfahren: die Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe des Allgäuer Trocknungsanlagenbauers Harter.
Die Herstellungsprozesse von Arzneimitteln sind derart komplex und vielschichtig, dass der scheinbar so unwichtige Part der Trocknung viel zu oft nicht richtig wahrgenommen wird. Funktioniert die Trocknung dann allerdings nicht oder nur unzureichend, entsteht ein Nadelöhr. Dabei verbessert eine hochwertige und reproduzierbare Trocknung die Qualität der Produkte und optimiert gleichzeitig den Fertigungsablauf. Diesen Weg geht ein renommiertes Pharmaunternehmen seit einigen Jahren durch den Einsatz der Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe.
In der neuen Fertigungsanlage produziert B. Braun die sogenannten Ecoflac-plus-Infusions- und Spüllösungen für den Einsatz in der Dialyse. In die umfangreiche Planung wurden die Themen Trocknung und Kühlung sofort miteingeschlossen, und zwar in Form der im Unternehmen zwischenzeitlich wohlbekannten Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis. Auch an zahlreichen anderen Standorten hat B. Braun bereits sehr gute Erfahrungen mit dieser alternativen Trocknungsmethode gemacht, die zwar nicht mehr ganz neu, aber vielen Betreibern nach wie vor unbekannt ist.
Schonend und sicher
Der Allgäuer Trocknungsanlagenbauer Harter hat das energiesparende Trocknungsverfahren bereits vor über 25 Jahren entwickelt. Diese Art zu trocknen kombiniert mit niedrigen Temperaturen und kurzen Trocknungszeiten scheinbar widersprüchliche Attribute. Mit der Airgenex®-Kondensationstrocknung und ihren Systemvarianten AIRGENEX®med und AIRGENEX®food werden Primär- und Sekundärverpackungen, sämtliche Produkte aus Metall, Glas und Kunststoff, Metallbänder, Kunststofffolien und dünne Flüssigkeitsfilme auf Oberflächen und auch organische Produkte wie Holz, Lebens- und Futtermittelbei niedrigen Temperaturen zwischen 20 und 90 °C schonend und damit stressfrei getrocknet.
Der Einsatz extrem trockener Luft und eine individuell angepasste Luftführung ermöglichen sehr kurze Trocknungszeiten mit gleichzeitig hochwertigen Trocknungsergebnissen. Zugleich sorgt die integrierte Wärmepumpentechnik für höchste Effizienz im Trocknungsprozess. Die Trocknung findet stets im geschlossenen System statt und ist daher völlig klimaunabhängig. Reinraum- und Produktionsumgebungen werden nicht beeinflusst. AIRGENEX®food-Trockner werden nach dem Hygienic Design gefertigt, während AIRGENEX®med-Trocknungsanlagen zusätzlich noch GMP- und GAMP-Vorgaben erfüllen. Durch geringfügige Anpassungen kann die Airgenex®-Kondensationstrocknung auch zur Kühlung verwendet werden, falls dies gewünscht oder prozessbedingt erforderlich ist.
Aus der Erfahrung von etwa einem Dutzend Harter-Trocknern, die zwischenzeitlich in verschiedenen B. Braun-Werken im In- und Ausland im Einsatz sind, wusste der zuständige Projektleiter, Manfred Klass, um die Effizienz dieser Trocknungstechnologie. Dennoch sollten Trocknungstests im Hause Harter Aufschluss darüber geben, ob die Lösung auch für die speziellen Anforderungen der Ecoflac-plus-Linie geeignet war.
Trocknung und Kühlung nach Sterilisation
Grundsätzlich gehören Versuchsreihen im hauseigenen Technikum bei Harter zum Dienstleistungsangebot des Trocknungsanlagenbauers und sind zugleich eine sinnvolle Vorgehensweise, um die für eine Trocknung relevanten Parameter wie Temperatur, Zeit, Feuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit und Luftvolumenstrom zu ermitteln. Sie bilden die Grundlage für die weitere Konzeption, so auch im Fall von B. Braun Glandorf.
Umfangreiche und letztlich erfolgreiche Tests wurden in der Praxis in folgender Anlagentechnik verwirklicht. Passend zu den beiden Sterilisatoren wurden zwei parallele Trocken-Kühl-Tunnel mit je neun Gestellplätzen installiert. Die Anlagen sind über ein isoliertes und schallarmes Luftkanalsystem mit je einem AIRGENEX®med-Entfeuchtungsmodul verbunden, das die klimatischen Verhältnisse im Trocken-Kühl-Raum regelt. Die zu trocknenden Verpackungen, besagte Infusionsbehälter aus PE, sind mit einer 1.000-ml-Lösung gefüllt.
Nach dem Sterilisieren müssen die Kunststoffflaschen außen getrocknet und anschließend die Flüssigkeit innen gekühlt werden. Nach der Vorgabe von B.Braun sollte der Trocken-Kühl-Tunnel an die Taktzeit der Autoklaven angepasst werden. Die Ecoflac-Behälter befinden sich in Beladewannen, die zu Gestellen gestapelt werden, die aus jeweils sechs Wannen bestehen und nach dem Sterilisieren automatisch in den Tunnel befördert werden. Die begehbaren Tunnel verfügen über automatisch angesteuerte Tore, die jeweils am Anfang und am Ende angebracht sind.
)
Die PE-Flaschen werden, je nach Rezept und Beladungszustand, zwischen 25 und 55 min lang getrocknet. Die Trocknungstemperatur liegt bei 60 °C. Nach dem Trocknungsvorgang wird der Tunnel automatisch auf den Kühlprozess umgestellt. Wiederum abhängig von Rezept und Beladung dauert der anschließende Kühlvorgang zwischen 60 und 90 min. Hierbei liegt die Kühltemperatur bei 5 °C. Die Infusionslösungen haben vor der Trocknung eine Temperatur von 55 °C, nach dem Kühlprozess liegt sie bei 42 °C. Die Trocken- und Kühlprozesse werden mittels SPS gesteuert, auf einem Touch-Panel visualisiert und sind dem unternehmenseigenen System untergeordnet. Entsprechend den Anforderungen von B. Braun werden alle Produkte in der gewünschten Zeit vollständig, sicher und zugleich schonend getrocknet und gekühlt, sei es in Voll- oder Teilbeladung.
Ein perfektes Paar: Luftentfeuchtung und Luftführung
Die Antwort auf die extreme Effizienz der Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe liegt in ihrem physikalisch alternativen Ansatz. Extrem trockene und damit ungesättigte Luft wird über das Trocknungsgut, im Fall von B. Braun durch die mit Infusionsbehältern gefüllten und aufgestapelten Wannen, geführt und nimmt dabei die Feuchtigkeit auf. Der mit Feuchtigkeit beladenen Luft wird anschließend im AIRGENEX®med-Entfeuchtungsmodul die gespeicherte Feuchte entzogen. Die Feuchtigkeit wird auskondensiert und verlässt als Kondensat die Anlage. Anschließend wird die abgekühlte Luft wieder erwärmt und weitergeleitet.
Der Kreislauf ist geschlossen. Der Trocknungszyklus ist dadurch nahezu emissionsfrei. Im Kühlzyklus ist nur der Luftkühler aktiv, der die Luft aus dem Trocken-Kühl-Tunnel abkühlt. Die hierbei entstehende Abwärme wird über einen Zusatzverflüssiger aus dem System abgeführt. Die AIRGENEX®med-Technologie, die für die Entfeuchtung der Luft zuständig ist, wird je nach Kundenwunsch und Platzverhältnissen an den Trockenraum angeschlossen oder in diesen integriert.
Trocken-Kühl-Tunnel
Bei B. Braun wurden die Entfeuchtungsmodule als separate Aggregate auf den Tunneln platziert. Ob es sich bei der Airgenex®-Trocknung um ein kontinuierliches Verfahren oder einen Batchbetrieb handelt, spielt grundsätzlich keine Rolle. Die Trocknungskammer wird kundenspezifisch mit einem speziellen Umluftsystem mit individueller Luftführung ausgestattet. Denn nur durch das perfekte Zusammenspiel von Luftentfeuchtung und Luftführung, aber auch von Luftgeschwindigkeit und Volumenstrom im Trockenraum, wird die Kondensationstrocknung für das jeweilige Produkt zum Erfolg.
Die Trocken-Kühl-Tunnel bei B. Braun wurden mit je neun Frequenzumrichter-gesteuerten Umluftventilatoren ausgestattet. Sie sorgen für eine optimale Luftverteilung innerhalb eines Gestellplatzes im Trockner und werden entsprechend der Beladung gesteuert. Das Umluftsystem und die Luftführung innerhalb des Trockners sind stets individuelle Lösungen. Wie sie im Detail aussehen, will Harter aus Gründen der Geheimhaltung nicht erläutern. „Am Ende zählt für den Kunden nur, dass der Trocken-Kühl-Prozess sowohl bei Voll- als auch bei Teilbeladung reibungslos vonstattengeht“, so Jochen Schumacher.